Musik aus der Abstellkammer

Von Georg Gruber |
Der Sommer scheint gerade zu pausieren. Doch man kann ihn sich zurückholen, zumindest akustisch: "Summer Kling" heißt die neueste Platte von F. S. Blumm, die im Herbst erschienen ist. Seine Musikrichtung ist dabei schwer einzuordnen.
So klingt Musik aus der Abstellkammer: In einer vergessenen Seitenstraße in Ostberlin bastelt F.S. Blumm an seinen Sounds, an seinen Kompositionen. Auf der neuesten Platte gleitet er knapp am Kitsch vorbei, streift die Langeweile - und zaubert: Er erschafft einen ganz eigenen Kosmos unaufgeregter kleiner großer Melodien:

F.S. Blumm: "Ich bin letztendlich nach wie vor experimentell, ich kucke, wo sich die Musik hin entwickelt, wo mich die Musik mit hinnimmt, wenn ich die Stücke aufnehme, gerade in diesem Produktionsprozess halt."

Der Produktionsprozess beginnt in seiner Wohnung in einer Abstellkammer, die keine zehn Quadratmeter groß ist: Hier nimmt er die Instrumente auf. Er selbst spielt Gitarre, Bass, Banjo, Xylophon, Melodika, ein elektrisches Spielzeugklavier - um nur ein paar zu nennen.

F.S. Blumm: "Da sind ja auch Gäste dabei, die jetzt nicht in Berlin wohnen, die haben das dann wiederum in ihren Zimmern, Wohnungen aufgenommen, zb der Bassklarinettist wohnt in München, der Waldhornist in Köln usw , aber das sind auf jeden Fall alles so homerecording Produkte letztendlich."

Die er dann am Computer weiterverarbeitet, schichtet, verwebt. In seiner Wohnung: überall Instrumente oder Dinge, die sich zum Klingen bringen lassen, zum Beispiel:

Blumm: "So ein russisches Fußballspiel mit Spiralen, das macht dann immer so brr, da kann man dann auch Musik machen."

F.S. Blumm heißt eigentlich Frank Schültge.

Schlank ist er, braune Augen, kurze dunkle Haare, fliehende Stirn. Blumm, den Namen gab ihm ein Freund vor Jahren schon. Und dieser Blumm taucht in erstaunlich vielen Variationen auf: Als Soloprojekt F.S. Blumm, als Duo "Sack und Blumm" und dann spielt Blumm noch in der Band "Kinn".

F.S. Blumm: "Wenn ich nur F.S. Blumm wäre, das wäre mir zu langweilig, und das ist auch nicht der Sinn der Sache für mich, dass du Musik machst mit dir selber."

Ach, ja, und dann gibt es noch seit rund 15 Jahren den Blumm, der mit einem Freund als "Rebresch und Blumm" Hörspiele macht, unter anderem auch für das Deutschlandradio Kultur.

Wurfsendung:

Mann 1: "Nanu, wieso kommt denn da Qualm aus der Schublade."
Mann 2: "”There is a house in New Orleans."”
Frauenstimme: " In der Schublade saß ein bärtiges Männchen am Lagerfeuer.""

Blumm: ""Wir haben dann auch manchmal im Vorprogramm meiner eigenen Band dann gespielt, wir haben unsere Hörspiele live gemacht und dann hat sich das immer weiter entwickelt, von kurzen Grotesken zu längeren Hörspielen,"
Wurfsendung:
Mann 3: "Dann ist es eindeutig, der Traum ist Ausdruck ihres Ekels vor der bürgerlichen Gesellschaft"
Mann 4: "Ach wirklich?"
Mann 3: "Auf jeden Fall. Ihnen ist schon klar, dass Sie hier im absoluten Halteverbot stehen?"
Mann 4: "Oh, das hab ich wohl übersehen."

Und gerade ist auch noch ein kleiner Band mit Zeichnungen erschienen.

So harmonisch und weich klang Blumm nicht immer – im Gegenteil: 1968 geboren in Bremen, wird er durch seinen vier Jahre älteren Bruder musikalisch sozialisiert und der hört Hardrock. Blumm fängt mit elf an Gitarre zu lernen,

Blumm: "Und dann recht früh danach E-Gitarre, weil das war ja das eigentliche Ziel, die elektrisch verstärkte Stromgitarre."

Die vor allem laut zu sein hat. Eine Jugend im "Krachrausch", im Wettkampf, wer im Proberaum wen gegen die Wand spielen kann.

F.S. Blumm: "Ich bin auf jeden Fall froh darüber, dass es so einen Hintergrund gibt, des Chaos, der Destruktion, es sind schon auch Gitarren zwischen meinen Fingern zerbrochen und es gab schon so Phasen, wo ich mich vor mir selber schützen wollte und ich gesagt hab: ok, also klassische Gitarre musst du jetzt studieren, weil das mit dieser Stromgitarre scheint nicht gut zu sein, das scheint die Bestie zu füttern, mal so ganz theatralisch ausgedrückt."

Er studiert in Bremen Musik und Kunst, macht das erste Staatsexamen. Überlegt, Maler zu werden. Bleibt bei der Musik.
Mitte der 90er zieht er nach Berlin, bekommt ein Hörspiel-Stipendium des Literarischen Colloquiums – und kann seitdem von seinen Blumm-Variationen leben.

Er braucht das Stadtleben, den Austausch mit Freunden und Künstlern und doch zieht es ihn immer wieder dahin, wo er seine Inspirationen findet: in die Natur.

Blumm: "Ich brauch einen Input von blauem Himmel und rauschendem Meer und anderen Naturerlebnissen, um meine Batterien noch mal von einer anderen Seite aufladen zu können."

Einmal versucht er den Ausstieg, mit Freundin und Kind - kurz nach der Geburt des Sohnes. Raus aufs Land. Italien, wo es wärmer und heller ist. Sie gründen mit italienischen Freunden eine Kommune. Doch der Ausstieg scheitert, nach einem halben Jahr kehren sie zurück nach Berlin.

Die Natur und die Stadt, die Ruhe und der Lärm – wahrscheinlich könnte F.S. Blumm ohne diese Gegensätze auch nicht solche Musik machen.