Musik aus dem Nahen Osten

Ums Leben singen

12.10.2014
Singen und Spielen hilft - auch wenn in der Heimat schlimmste Verbrechen begangen werden. Seit Jahren versammelt das Morgenlandfestival Osnabrück hervorragende Künstler aus dem Nahen Osten in der Friedensstadt. Wir bringen Ausschnitte aus dem Eröffnungskonzert und weitere Highlights.
Hochkarätig besetzt war auch der zehnte Jahrgang des Morgenlandfestivals. Zum Teil trafen berühmte Musiker erstmals aufeinander, die sich zwar kennen und schätzen, aber noch nie miteinander gespielt haben. So zum Beispiel der israelisch-argentinische Klarinettist Giora Feidman und sein syrischer Instrumentalkollege Kinan Azmeh. Oder der iranische Kamanche-Virtuose Keyhan Kalhor und der aserbaidschanische Sänger Alim Qasimov. Über alle sprachlichen und historischen Grenzen hinweg gelingt die musikalische Zusammenarbeit immer wieder. Weil die Künstler in Osnabrück Raum und Zeit zur Entfaltung und ein warmherziges Publikum finden.
Musikalische Qualität und persönlicher Charme - in beiden Bereichen bieten die Morgenlandfestival-Künstler Höchstleistungen. Dank des Einsatzes von Festivalleiter Michael Dreyer und seinem Team ist über die Jahre etwas Großartiges gewachsen in der westniedersächsischen Stadt, die auf ihre Rolle als Stiftungsort des Westfälischen Friedens stolz ist wie auch auf die beiden Söhne der Stadt, die im 20.Jahrhundert berühmt wurden - den Schriftsteller Erich Maria Remarque und den Maler Felix Nussbaum. Sie beide stehen für den künstlerischen Kampf gegen Krieg, Hass und Gewalt.
Frieden scheint im Nahen Osten immer mehr eine Illusion zu sein. Nichtsdestotrotz tragen die Musiker und Sängerinnen aus Syrien, dem Irak, dem Iran und anderen Ländern vom Roten bis zum Kaspischen Meer ihre Kunst in die Welt, um den Menschen daheim Kraft zu geben und der Welt zu zeigen, dass die Kultur der Region nicht nur reich und alt, sondern auch kreativ und lebendig ist.
Alim Qasimov gestaltet mit seiner Tochter Fargana Qasimova und seinem Ensemble eine grandiose Sinfonie auf den Mugam "Bayati Shiraz". An packender vokaler Präsenz ist diese Formation derzeit nicht zu überbieten.
Das Morgenland Chamber Orchestra unter Leitung des Generalmusikdirektors der Oper Ankara, Naci Özgüc, begleitet die anderen gern gesehenen Lieblinge des Festivals - den syrischen Sänger Ibrahim Kevo, der wie kein zweiter Mensch die kulturelle Vielfalt des Landes repräsentiert, singt er doch auf Kurdisch, Arabisch, Aramäisch und Armenisch Lieder aller Religionen und Ethnien.
Knisternde Spannung verspricht das Zusammentreffen nicht nur der anderen Stars, sondern auch die Kooperation des Alte-Musik-Ensembles Capella de La Torre mit dem syrischen Trio Hewar, das Kinan Azmeh mit der Sängerin Dima Orsho und dem Geiger Jasser Haj Joussef bildet. Dazu gesellt sich der Countertenor Kai Wessel.
Klassik, Jazz und Weltmusik - aus all diesen Bereichen schöpfen nicht zuletzt der Tuba-Virtuose Michael Godard und der Akkordeonist Manfred Leuchter. Beim Morgenlandfestival wird nicht wild fusioniert, sondern entsteht immer etwas höchst Individuelles, ernst Gemeintes, was dennoch großen Spaß bereitet, auch wenn die Nachrichten aus dem Morgenland oft nichts als Verzweiflung bieten. Die Kraft der Musik wird obsiegen.
Morgenlandfestival Osnabrück
St. Marienkirche, Dom St. Peter, Lagerhalle, Rosenhof
Aufzeichnungen vom 19. bis 25.9.14
Gani Mirzo
"Sherine"
Alim Qasimov/Kayhan Kalhor
Improvisation über zwei aserbaidschanische Volkslieder
Alim Qasimov/Fergana Qasimova/Ra'uf Islamof/Zaki Valiyev
"Laila ve Madjnun" von Muhammad Ibn Sulaiman Fudhuli im Mugam "Bayati Shiraz"
Moslem Rahal
Raqsa
Kinan Azmeh & Giora Feidman & Osnabrücker Jugendchor
Improvisation zu Madrigalen von Gesualdo
Heinrich Isaac
Anima Mea
Tomas Luis de Victoria
Vadam et circuibo
Capella de la Torre/Ensemble Hewar
Kinan Azmeh
Wedding
Morgenland Chamber Orchestra
Leitung: Naci Özgüc
zusammen mit Kinan Azmeh, Klarinette,
Dima Orsho, Gesang
Rony Barrak, Schlagzeug
Ibrahim Keivo, Gesang, Bouzouki
Moslem Rahal, Nay
Michel Godard, Serpent
Manfred Leuchter, Akkordeon
ca. 21.15 Konzertpause, darin Gespräche mit den Künstlern des Festivals