40 Jahre Nachdenken über Pop

Der renommierte Poptheoretiker Diedrich Diederichsen stellt in diesem Buch die These auf, dass Popmusik ein eigenes, nicht wie eine klassische Kunst erklärbares Kulturobjekt sei; sie sei vielmehr ein Hybrid aus Musik, Tanz, Mode oder Zeitgeist – und deshalb klassisch musikwissenschaftlich, soziologisch oder literaturwissenschaftlich nicht vollständig zu begreifen.

Diederichsens These: Popmusik ist kaum nur ihr musikimmanenter Teil. Sie ist vielmehr auch alles andere dahinter: Pose, Starkult, Spiegel, Performance, Aura, Harmonie usw. – und sie ist vor allem ein Paradoxon: eine gleichzeitig kollektive und eine individuelle Kulturpraxis. Pop hat keinen konkreten Ort oder eine konkrete Form. Eine Schallplatte, das Foto eines Stars, ein Musikvideo – all das ist noch keine Popmusik. Popmusik entsteht im Prinzip erst beim Rezipienten.

An Dutzenden Elementen (Bild, Sprache, Codes, Camp) erklärt der Autor das Wesen der Popmusik, gleicht mit Hegel, Kant und Adorno ab und buchstabiert "echte" Phänomene ihrer Geschichte durch (Powerchord, Autotune, Gesang, Wall of Sound).

Der Band ist das Ergebnis von 40 Jahren Nachdenken über Popmusik. Diederichsen hat für sie keine singuläre These, die wie eine Schablone an Zeiten und Phänomene nur angelegt zu werden braucht. Er arbeitet stattdessen an vielen Herden gleichzeitig, springt thematisch oft umher und verzettelt sich darin häufig. Die nicht immer leicht zu lesende Sprache des Autors erfordert ein hohes Maß an Konzentration. Dennoch strotzt der Band vor klugen Gedanken und Assoziationen, die einem insgesamt die Popmusik begreifbarer machen.

Diedrich Diederichsen: "Über Pop-Musik"
2014 Kiepenheuer & Witsch Köln
474 Seiten, 39,99 Euro