Museum mit Badewanne

Von Kerstin Schweighöfer · 22.09.2012
Nach acht Jahren Zwangspause wegen Renovierungs- und Erweiterungsbauten hat das Amsterdamer Stedelijk Museum wiedereröffnet. Zur Feier kam auch Königin Beatrix, die vom Künstler Luc Tuymans porträtiert wurde. Der Anbau hat die Form einer überdimensionierten Badewanne.
Mit einer musikalischen Performance des jungen britischen Künstlers Rory Pilgrim wurde das renovierte und erweiterte Stedelijk feierlich wiedereröffnet. Der nationale Jugendchor der Niederlande gab sein Bestes, während Königin Beatrix andächtig lauschte und zum Abschluss ein kunstvoll besticktes riesiges Tuch enthüllte, auf dem in großen Lettern "open” stand – offen.

Diese Performance war nicht die einzige Überraschung, mit der das Amsterdamer Museum zur Wiedereröffnung aufwarten konnte: Anonyme Schenker beglückten das Institut mit einem Gemälde von Luc Tuymans, einem der bestbezahlten zeitgenössischen Künstler: Speziell für das Stedelijk malte der Belgier seine erste Auftragsarbeit, ein Porträt von Königin Beatrix. Als Vorlage dienten ihm, wie so oft bei seinen Arbeiten, ein paar Fotos. Er hatte sie bei einer Audienz im königlichen Palast mit seinem iPhone von der Monarchin gemacht.

"HM” heiße das Gemälde, machte Direktorin Ann Goldstein bekannt, eine Abkürzung für "Her Majesty” oder – auf niederländisch – Hare Majesteit.

Tuymans hat die niederländische Königin ein bisschen blass dargestellt, wie es für seine Bilder üblich ist – blass und verletzlich, jedenfalls ganz anders als auf den gängigen Porträts, die Beatrix als selbstsichere, starke Monarchin zeigen. Bei Tuymans sieht man ihr an: Das Amt, das sie ausübt, ist kein leichtes.

Ob ihr das fast lebensgroße Porträt wohl gefallen hat? Die Königin ließ sich jedenfalls nichts anmerken, als sie daran vorbeiging, um bei ihrem Rundgang durch die Ausstellungssäle auf alte Bekannte zu treffen: Den "Geiger” von Chagall zum Beispiel. Oder, ein paar Säle weiter, unübersehbar und sechs Meter breit "La Perruche et la sirene” von Henri Matisse. Auch altbekannte Arbeiten von Robert Rauschenberg und Jackson Pollock sind endlich wieder zu sehen. Ganz zu schweigen von den Werken des russischen Suprematisten Kasimir Malewitsch, für die das Stedelijk in aller Welt berühmt geworden ist.

Mehr als acht Jahre habe die Kunstwelt darauf warten müssen, diese Lieblinge des Stedelijk wieder bewundern zu können - nun sei es endlich so weit, freute sich Stedelijk-Direktorin Goldstein:

"Wir sind offen!”, sagte sie und kam aus dem Strahlen nicht mehr heraus.

Bereits 2004 war das Stedelijk wegen längst fälliger Renovierungs- und Erweiterungsarbeiten geschlossen worden. Die sind aufgrund von Pleiten, Pech und Pannen mit insgesamt 127 Millionen Euro nicht nur 20 Millionen Euro zu teuer ausgefallen; sie haben auch vier Jahre länger gedauert als geplant. Ann Goldstein, die 2010 von Los Angeles nach Amsterdam wechselte, musste fast drei Jahre lang ein geschlossenes Institut leiten:

"Das war nicht leicht", seufzt sie: "Museen haben offen zu sein!"

Das "neue Stedelijk”, das sie nun – wie sie es nennt - "den Besuchern zurückgeben will”, ist doppelt so groß geworden wie bisher. Es hat einen neuen Eingang an der Museumsplatz-Seite bekommen, in einem spektakulären neuen Flügel. Das Amsterdamer Architekturbüro Benthem Crouwel hat diesen Flügel wie eine überdimensionale weiß glänzende Badewanne gestaltet: Diese "badkuip”, wie sie genannt wird, scheint vor dem historischen Backsteinaltbau aus dem Jahre 1895 zu schweben.

Wer das Stedelijk betritt, landet unter dieser "Badkuip” zwischen vier Stelzen im Eingangsbereich mit Kassen, Garderobe und Museumscafé. Absoluter Blickfänger allerdings ist eine riesige, als knallgelbe Tunnelröhre gestaltete Rolltreppe. "So findet man sie auch auf Flughäfen”, erklärt Architekt Mels Crouwel:

Außen und im Eingangsbereich setzen die Architekten auf Kontraste und lassen Alt und Neu aufeinanderprallen. In den Ausstellungssälen haben sie den Übergang gleitend gestaltet: Überall liegen dieselben Eichenholzböden; alle Wände sind schlicht in Weiß gehalten. Dadurch, so Architekt Crouwel, wird es den meisten Besuchern völlig entgehen, dass sie den Neubau längst verlassen haben und im Altbau gelandet sind:

Dennoch scheiden sich an seiner "Badewanne” die Geister. "Als Schwimmbad zweckentfremden und in der Amstel versenken!”, schimpfte ein Kritiker vom renommierten NRC-Handelsblad. Andere hingegen bezeichneten den Entwurf als "genial”.

Auch Stedelijk-Direktorin Goldstein ist begeistert. Sie hat den Ehrgeiz, an alte ruhmreiche Zeiten anzuknüpfen: Schon bald, so hofft sie, wird sich "neues Stedelijk” mit der Tate Modern in London und dem Centre Pompidou in Paris messen können.