Museum der Woche

Von Heike Schwarzer · 20.07.2007
Der Leipziger Ortsteil Mölkau ist fast ebenso alt wie die Fotografie. Hier befindet sich in einem 160 Jahre alten Fachwerkhaus das einzige Kamera- und Fotomuseum Ostdeutschlands. Es präsentiert Technikgeschichte und internationale Fotografiekunst zusammen.
"Guten Tag. Guten Tag. Sie kennen sich aus hier?"

Zufällig findet kaum jemand hierher, an den östlichen Rand von Leipzig. Die Besucher kommen gezielt zu dem alten Bauernhaus, in dem sich das Kamera- und Fotomuseum befindet.
"In diesem Fachwerkhaus sind zehn Räume ausgebaut, in denen historische Kameras und Zubehör zu sehen sind und drei Räume sind der Galerie gewidmet."

Museumsleiterin Kerstin Langner steht im Eingangsbereich unter der niedrigen alten Balkendecke – und damit schon mittendrin in der Sammlung.

"Das sind hier vorwiegend Plattenkameras, der Schichtträger war ja eine Glasplatte. Zu Anfang musste der Fotograf seine Platten selbst beschichten, das war ein kompliziertes Verfahren. Später gab es die fertig verpackt, die waren dann in solchen Schachteln verpackt."

Sachsen war bis zu den 1930er Jahren ein Zentrum der Fotoindustrie und produzierte für die ganze Welt – das zeigt die Sammlung eindrücklich. Nur 300 Exemplare zum Beispiel gab es von der Dreifarbenkamera Jos-P Ica, einer frühen Rarität der Farbfototechnik aus den 20er Jahren – ein Exemplar steht in Mölkau. Stolz ist Kerstin Langner auch auf die hölzerne Reprokamera mit dem zweieinhalb Meter langen Zieharmonikabalg.

"Das ist wohl die Größte, die jemals gebaut worden ist: mit einem Negativformat von 90x100 cm. Sie diente dazu große Sachen zu reproduzieren, Gemälde und Landkarten zu Beispiel. Und sie hatte den Vorteil, dass die Aufnahmen sehr schön scharf geworden sind."

Produziert wurde sie 1890 von der Firma Hoh und Hahne in Leipzig – für Fotoateliers weltweit. Gelegentlich gab es schon Anrufe von Eigentümern aus Singapur oder Bangkok, die ihre Kameras dem Leipziger Museum überlassen wollten.

Aber der Platz in Archiv und Museum ist begrenzt. Die Enge jedoch, schafft eine persönliche Atmosphäre, die auch zur Entstehungsgeschichte des Museums passt.

"Mein Mann Peter Langner war Diplomfotograf und hat fast 20 Jahre historische Kameras und Zuberhör gesammelt."

Peter Langner hatte in den 1980er Jahren in Leipzig, Berlin und Paris große Ausstellungen zur Geschichte der Fotografie organisiert. Doch mit den über 600 Sammlerstücken ein Museum in Privatinitiative zu gründen, das war unter DDR-Bedingungen ein Affront gegen die Staatsmacht.

"Das war ziemlich brisant. Es mussten auch erstmal die Behörden gefragt werden, Museum durften wir es auch nicht nennen, Eintritt hätte man auch nicht nehmen dürfen. Und da haben wir gedacht, dann machen wir es eben selbst. Wir haben das Museum am 19. August 1989 eröffnet."

Aus dem Museum machten die Langners kurzerhand ein Kabinett. Die Wende hat es überstanden, aber schon 1992 musste es geschlossen werden, Peter Langner war schwer erkrankt. Nach dem Tod des Museumsgründers eröffnete Kerstin Langner im Herbst 1994 gemeinsam mit Kurator Andreas J. Mueller das Kamera- und Fotomuseum Leipzig mit neuem Konzept.

"Es ist einerseits ein technisches Museum, zu uns kommen auch Physiklehrer mit ihren Schulklassen. Es ist ein historisches Museum, man kann über 150 Jahre technische Entwicklung als Betrachter nachvollziehen und es ist natürlich auch ein künstlerisches Museum."

"Wir befinden uns in den Räumen, in denen unsere Sonderausstellungen gezeigt werden und aktuell geben wir zum zweiten Mal Einblick in unsere Sammlung zeitgenössischer Fotografie. "

Im zweiten Geschoss gibt es vier bis fünf Mal im Jahr thematische Reihen und Einzelausstellungen großer Fotografen. Die Liste der über 70 Sonderausstellungen spricht für sich: Karl Blossfeldt, der Blumenfotograf, August Sander, der große Menschen- und Alltagsfotograf oder Hugo Erfurth, der Porträtfotograf der goldenen 20er Jahre. Lucien Clergue schaute auch selbst in Mölkau vorbei:

"Lucien Clergue war in seiner Jugendzeit Assistent und Freund von Jean Cocteau und er war der letzte Leibfotograf von Pablo Picasso. Einen Raum hatten wir seinen Akten gewidmet, "Nues de la mer" war eine berühmte Serie in den 50er Jahren."

Das zweiköpfige Museumsteam bringt international stilbildende Fotokunst nach Leipzig und das manchmal auch ganz schnell – wie im Fall des herausragenden Modefotografen Horst P. Horst:

"Der ja aus Weißenfels stammt und unter den Nazis in die USA emigriert ist, als Horst P. Horst starb, da sahen wir uns in der Lage innerhalb von anderthalb Monaten eine Ausstellung nach Leipzig zu holen. Das war natürlich ganz großartig."

Mit den wechselnden Ausstellungen moderner Fotokunst erfährt die beeindruckende historische Sammlung u. a. von Pressefotografien des 20. und Reisefotografien des 19. Jahrhunderts eine spannende Ergänzung.

"Es sind auch einige Ikonen der frühen Reisefotografie dabei. Zum Beispiel ein sehr bekanntes Foto eines Briefschreibers mit seinem Straßenstand in Neapel von 1885."

Kunst, Historie und Technik der Fotografie – das findet im Leipziger Kamera- und Fotomuseum bisher nur auf engstem Raum zusammen. Ein großes zentral gelegenes Fotomuseum in Leipzig liegt noch in ferner Zukunft.