Museum der Woche

Von Gerhard Richter |
Was die Vielfalt an Brotsorten betrifft, ist Deutschland Weltmeister. Doch das war nicht immer so, auch hierzulande gab es brotlose Zeiten und Hungersnöte. Diese wechselvolle Geschichte von Mangel und Wohlstand ist das Thema des <papaya:link href="http://www.Brotmuseum-Ulm.de" text="Museums der Brotkultur" title="Museum der Brotkultur" target="_blank" /> in Ulm an der Donau.
Schon von außen ist das Museum ein Schmuckkästlein. Ein mittelalterlicher Speicher am Rand der Ulmer Altstadt. Unter den mächtigen Deckenbalken gleich hinterm Eingang eine Bäckerstube aus den 50er Jahren mit Ofen und Teigmaschine, original bis auf eine Plastikmaus. Solche Backbetriebe haben der Museumsgründer Dr. Hermann Eiselen und sein Vater jahrzehntelang beliefert.

"Damals als ich noch den Betrieb hatte, war ja sehr großer Personalmangel in der Bäckerei. Das heißt, die Bäcker mussten rationalisieren. Wir haben dabei geholfen, indem wir manche Vorgänge, die die früher so von Hand jeder einzeln für sich gemacht haben, in die Fabrik verlegt haben und ihnen Halbfertigprodukte geliefert haben, mit denen sie Arbeitserleichterung hatten ohne Qualitätseinbusse."

Diese Firma hat Dr. Eiselen vor über 20 Jahren verkauft und mit dem Erlös eine Stiftung gegründet. Er selbst ist schon über 70 Jahre alt, mit der großen schwarzen Sonnenbrille und dem sportlichen Sakko über dem weißen Hemd wirkt der Privatier aber noch sehr jugendlich. Seit Jahren ist er auf dem Kunstmarkt aktiv, um für sein Museum ausdrucksstarke Bilder zu kaufen. Originale von Marc Chagall, Salvador Dali, Käthe Kollwitz hängen verteilt auf farbige Flächen in den drei weitläufigen Etagen des Speichers. Neben der Bäckerstube am Eingang hängt aber ein namenloser alter Meister: Das große Ölgemälde zeigt einen gut genährten Mann im samtroten Gewand. Einen Arm hat er um die vielen Brote gelegt, die vor ihm auf dem Tisch liegen.

"... und ihm gegenüber ist der arme Teufel, der wohl aus dem Krieg zurückkommt, abgerissen, ein Schwert noch bei sich hat und die Hände aufhält, und hofft, dass er von dem Überfluss was abkriegt. Aber der Reiche ist nicht sehr geneigt, ihm was zu geben."

Arm und reich, Hunger und Überfluss sind die Grundthemen des Museums. Aber auch der Weg vom Korn zum Brot.

Auf flachen Tellern liegen die verschiedenen Getreidesorten: Hafer, Gerste, Roggen, Dinkel und Weizen.
Ein lebensgroßer Sämann, gestaltet von Gerhard Marcks, ist beim Kornauswerfen in Bronze erstarrt, Pieter Breughel der Jüngere malte die Ernte in schweißtreibenden Sommerfarben, Expressionist Max Pechstein hat die Ährenbündel vor der Mühle gestapelt.


Ein ausgehöhlter flacher Stein, mit einem kleineren Stein werden dazwischen Getreidekörner zu Mehl zerrieben.

"Also diese Technik hat man in verschiedenen Teilen der Welt ungefähr zur gleichen Zeit angewendet, also ein paar Tausend Jahre vor Christus."

Aus dem hin und her wurden später runde Mahlsteine, die sich drehen. Heute wird das Korn industriell mit Walzen gemahlen.

Satt wurden trotzdem nie alle. Pablo Picasso hat 1905 das karge Mahl gezeichnet, ein ausgezehrtes Paar am fast leeren Tisch als Sinnbild für brotlose Zeiten und deren Folgen. Elend, Unruhen und Aufstände.

"Das Getümmel das Gedränge das Geschrei der Masse war furchtbar und es wurde von Minute zu Minute mehr."
In den sogenannten Brotkrawallen protestierten die hungernden Schwaben 1847 gegen zu hohe Brotpreise und plünderten die Mühlen und Geschäfte der Wucherer. Das erfährt man jedenfalls eindrücklich, wenn man sich die Kopfhörer aufsetzt, die neben einer langen Glasvitrine hängen. In der Vitrine sind Schalen mit Baumrinde, Queckenwurzeln, Biertreber, Stroh und Sägemehl, Ersatz für fehlendes Getreide.

"Das sind Streckmittel oder Füllstoffe, die zunächst einmal im Magen ein Sättigungsgefühl hervorrufen, aber natürlich keinen Nährwert haben. Man betrügt dabei also seinen eigenen Organismus."

Neben Dürren, Überschwemmungen oder Vulkanausbrüchen gibt es auch Hunger, der von Menschen gemacht wird. Ein Gemälde von Arthur Segal aus den 30er Jahren illustriert das.

"Auf der einen Seite werden Getreidespeicher vom Militär bewacht, auf der anderen Seite werden Getreidesäcke im Meer versenkt, um die Preise hochzuhalten, also dieses Bild knistert geradezu von Spannung."

Eine Kindergruppe ist zu Gast im Museum. Es gibt einen gemütlichen Backraum. Zwischen den dicken Balken haben sie auf großen Tischen Hefeteig geknetet und Tiere geformt und im Ofen goldbraun gebacken.

Jennice: "Also ein Spatz, dann eine Taube haben wir noch gemacht, einen Schmetterling und eine Eidechse."

Die Kinder können die vielen süßen Gebäckteile kaum halten. Ein fröhliches Bild des Überflusses. Auf dem Weg nach draußen kommen sie an einem Gemälde vorbei. Darauf nichts als ein leerer Einkaufswagen. Das Bild heißt "Was wäre wenn". Dieses Bild hat Dr. Hermann Eiselens als Schlussbild seiner Ausstellung gewählt.

""Mit dieser Frage möchten wir gerne unsere Besucher entlassen. Dass sie drüber nachdenken, dass es nicht selbstverständlich ist, dass wir jeden Tag genug zu essen haben. Dass es über 800 Millionen Menschen auf der Erde gibt, bei denen das nicht der Fall ist, und das des also durch den Bevölkerungszuwachs in den nächsten Jahren eher noch mehr wird, als dass es runtergeht."'"