Museum der Woche

Von Anja Herr |
Vor gut 15 Jahren wurde das erste deutsche Kindermuseum gegründet: die Kinderakademie Fulda. Ein fünf Meter hohes „Begehbares Herz“ ist die Hauptattraktion des Museums. Außerdem regen auf rund 2000 Quadratmetern Fläche interaktive Objekte den Entdeckergeist der kleinen und auch der großen Besucher an. Ausprobieren und Mitmachen ist in diesem Museum ausdrücklich erwünscht.
„Wenn ihr nachher in dieses große Herz hineingeht, dann spielt ihr das Blut. Das heißt: Ihr geht als verbrauchtes Blut ins Herz hinein, und ganz am Ende kommt ihr hier als sauerstoff-angereichertes Blut wieder heraus. Das heißt: Ihr müsst irgendwo Sauerstoff tanken. Und ich bin einfach gespannt, ob ihr herausfindet, wo ihr als Blut den Sauerstoff tankt.“

Barbara Meyer schickt rund 20 Viertklässler auf eine ganz besondere Reise: eine Reise durchs menschliche Herz. Als rote Blutkörperchen wandern die Kinder durch die vier Herzkammern und erforschen so den Blutkreislauf. Allerdings ist das begehbare Organ fünf Meter hoch – da ist erst mal Klettern angesagt. Und dann:

Junge: „Ich rutsch auch wie bei der Feuerwehr die Stange herunter!“

Mädchen: „Es macht sehr Spaß hier rumzugehen und es ist sehr interessant.“

Nicht nur brav anschauen, sondern selbst aktiv werden – das war schon das Konzept der ersten Kindermuseen der Welt. Die entstanden Ende des 19. Jahrhunderts in den USA. Rund 100 Jahre später, im Jahre 1991, gründete Helen Bonzel dann die Kinderakademie Fulda. Damals das einzige Kindermuseum in ganz Deutschland. Bei einem längeren Aufenthalt in den USA hatte sie sich inspirieren lassen und importierte sozusagen das Prinzip des „Hands on“. Museumsleiterin Gabriele König:

„'Hands on‘ verstehen wir in Fulda im übertragenen Sinn. Wir wissen, dass Kinder neu erworbenes Wissen besser behalten, wenn sie selbst tätig werden. Bei der Baselitz-Austellung war uns wichtig, dass die Kinder selber auch kopfüber zeichnen. Oder wir haben eine Ausstellung ‚Hast du schon gehört?‘, da können Kinder selber schreiben mit Hieroglyphen.“

Neben der Dauerausstellung „Begehbares Herz“ und diversen Sonderausstellungen gibt es auch einen Akademiebereich. Hier werden ganzjährige Workshops wie der „Erfinderclub“ oder die „Kunstschule“ angeboten, aber auch Ferienkurse zu Themen aus Kunst und Kultur, Wissenschaft und Technik. Wer nach Kinder-Hutzi-Butzi-Themen sucht, ist hier falsch – von denen hält Gabriele König nämlich gar nichts.

„Wer Kindern ernsthaft zuhört, stellt fest, dass so Fragen kommen wie: Welche Farbe hat die Zeit? Oder: Wie kommen Astronauten zum Mond beziehungsweise warum fallen wir an der Südhalbkugel nicht von der Erde. Also Kinder haben eigentlich großes Interesse, die Weltzusammenhänge zu hinterfragen, und ich glaube, wir tun uns gesellschaftlich nichts Gutes, wenn wir sie immer unterfordern und erwarten, dass ihre Lust an Bildung dann irgendwann wieder aufwacht.“

Zum Einschlafen haben die Kinder hier keine Zeit, auch nicht nach ihrer Reise durch das Begehbare Herz. Denn da hören sie sich erstmal mit Stethoskopen gegenseitig das Herz ab. Und dann verblüfft Barbara Meyer sie auch noch ständig mit Infos, die auch viele Erwachsene zum Staunen bringen dürften:

„Also eure Adern sind 40 bis 60.000 Kilometer lang und würden so ungefähr einmal oder anderthalb Mal um die ganze Erde herumgehen“.
„Cool!“
„Ich gehe um die ganze Welt!“
„Ja, genau!“

So hat die Biologie plötzlich auch was mit der Geografie zu tun. Genau das entspricht dem Konzept des Museums, erklärt Gabriele König.

„Kinder sortieren eben nicht in Bio, Mathe, Sprache. Das passiert erst über die Schule, dass man plötzlich Schubladen öffnet. Und das ist ja das Schöne an dem Museum, dass diese Schubladen zusammengeworfen werden und man zum Beispiel sagt: die Biologie und die Sprache haben auch ganz viel zu tun mit der Geschichte!“

Zum Schluss erklärt Barbara Meyer den Kindern noch, wie das Herz nun genau das Blut durch den ganzen Körper pumpt. Diesmal mit Hilfe eines Modells, das andere Kinder in einem Workshop an der Kinderakademie gebaut haben.

„Also: Das Blut geht jetzt hier aus dem Herzen hinaus und zu zwei Mal genau den gleichen Teilen. Und wenn ihr hier mal schaut, sind bei diesen beiden grünen Rädern die Schläuche offen, da kommt an der Stelle also was dazu, was kommt da dazu?“
„Luft!“
„Genau!“

Nach der etwa einstündigen Herz-Führung sind die Kinder – nein, nicht etwa müde. Im Gegenteil: Sie erscheinen fast fitter als vorher. Begeistert tummeln sie sich in den restlichen Ausstellungsräumen, denn da gibt’s ja noch eine fast echte ägyptische Mumie, Pyramiden aus elektronischen Geräten, alte Schreibmaschinen und vieles mehr zu sehen. Oder besser gesagt: zu erkunden. An den heutigen Tag werden sie sich gerne erinnern.

Junge: „Mir hat am meisten Spaß gemacht, durch das Herz zu gehen und die Stange runterzurutschen.“

Junge: „Ich mag das nicht, wenn da ein Bild zum Beispiel von ner Blume steht, und da steh’n dann nur so Erklärungen und so. Ich mag Museen mehr, wenn ich da selber was machen kann.“