Museum der Woche

Von Sigrid Brinkmann |
Das Felix-Nussbaum-Haus in Osnabrück beherbergt mit über 170 Bildern fast das komplette Werk des jüdischen Malers Felix Nussbaum. Seit 1998 ist die Sammlung in dem von Daniel Libeskind entworfenen Gebäude zu sehen.
Schwer sind die hellgrauen Eisentüren, die Räume und Gänge voneinander abschließen. Es braucht Kraft, sie aufzustemmen. Das metallische Scheppern beim Zuschnappen weckt nur eine Assoziation: Wir sind gefangen.

"Manche können es nicht ertragen. Sie gehen sofort wieder raus ..."

... sagt Inge Jaehner. Sie leitet das Museum seit sieben Jahren.

Im ersten Raum des Felix-Nussbaum-Hauses ist man schon mit dem konfrontiert, was die Architektur Libeskinds ausmacht. Wir haben es zu tun mit abfallenden Böden, es sind Keile, die wie in den Raum hineingetrieben erscheinen, diese Ecke, die Sie dort sehen, die sehr aggressiv auf denjenigen zukommt, der den Raum betritt.

Daniel Libeskind wollte ein "Museum ohne Ausweg" bauen. Wände versperren gelegentlich den Überblick; Gänge können als Sackgasse enden. Eine Brücke durchschneidet das Haupthaus. So spiegelt der Architekt die Ausweglosigkeit des in die Flucht getriebenen Malers.

"Wenn man die Architekturbüros nimmt, die sich an dem Wettbewerb beteiligt haben, und das waren fast 300, war es eigentlich nur das Studio Libeskind, die haben sich wirklich intensiv mit dem Werk auseinandergesetzt."

In nur zwei Jahren entstand das Felix-Nussbaum-Haus, das von allen gewollt wurde. Es befindet sich am Rand des alten Stadtkerns von Osnabrück. Man betritt den Bau über einen langen, hohen Steg. Der Blick fällt auf Mauerreste alter Wallanlagen. Der Steg überspannt zugleich eine dreibogige Ravelinbrücke aus dem Jahr 1672. Eine Achse des neuen Gebäudes weist in die Richtung der 1938 zerstörten Osnabrücker Synagoge.

Das Museum für Felix Nussbaum befindet sich in direkter Nachbarschaft zur 1900 erbauten Villa Schlikker. In ihr ist heute die volkskundliche Abteilung des Kulturgeschichtlichen Museums untergebracht. Daniel Libeskind lässt Besucher durch einen mehrere Meter langen Sichtschlitz auf die Nachbarvilla blicken.

"Der Besucher ist auch wirklich gefordert, sich hier den Weg zu suchen ... Der richtige Knick ist das Bild dort hinten."

Inge Jaehner weist auf eine schwarz-weiße Gouache, die Trümmerhaufen zeigt.

"Nussbaum ist 29. Er erlebt in Rom zunächst die Machtübernahme Hitlers in seiner Heimat, er will nicht mehr zurückkehren, und die Katastrophe, die ihn fast noch stärker trifft, ist, dass sein Berliner Atelier ausbrennt und mit 150 Bildern fast das komplette Frühwerk weg ist."

Nussbaum beschloss, sich niemals mehr von seinen Bildern zu trennen. Bis zu seiner Festnahme1944 in Brüssel gelang es dem untergetauchten Maler, das in Kisten und Rollen verstaute Werk zusammenzuhalten. Es bildet den Grundstock der heutigen Sammlung. 1969 kamen die ersten hundert Bilder in Nussbaums Geburtsstadt.

"Der erste Teil der Nussbaum-Sammlung ist sehr stark durch Spenden aus der Bürgerschaft angekauft worden. Das ist für einen Künstler, der noch nicht entdeckt ist, sehr ungewöhnlich in dieser Zeit, dass man sich da auch schon diesem Vermächtnis Nussbaums stellte und etwas aufbauen wollte."

Schlauchartig schmal ist der Gang, den wir in Begleitung von Thorsten Heese gehen. Er arbeitet als Historiker im Kulturgeschichtlichen Museum. Thorsten Heese ist beeindruckt von den Möglichkeiten, die Gänge und Zwischenetagen des Hauses bieten. Sie werden für Lesungen genutzt, Wechselausstellungen und Auftritte von Tänzern. Besonders im Gedächtnis geblieben ist ihm eine Choreographie des Regisseurs Gregor Zöllig.

"Sie sehen, zwei Meter Abstand ist hier, und die Tänzerinnen und Tänzer gingen diesen Gang langsam rauf. Die Bewegung wurde plötzlich fluchtartig. Es war unglaublich beklemmend, nicht aufgrund der Enge, sondern weil diese Dynamik da reinkam, wie die Tänzer plötzlich völlig erschöpft waren, man roch das förmlich ... es war eine unheimliche Atmosphäre, die alles verbunden hat ..."

Felix Nussbaum musste im belgischen Versteck täglich mit der Verhaftung rechnen. Dennoch malte er ohne Hast.

"Der Gang durch dieses Haus endet vor der Wand."

Wer Felix Nussbaums letztes Bild nah betrachten will, muss auf einen breiten, schrägen Gitterrost treten. Man schaut hinab ins Untergeschoss und erkennt Bilder an den Wänden. Dennoch fürchtet man einen Augenblick, in eine Grube zu stürzen. Das Bild "Triumph des Todes", sagt Inge Jaehner, bilde die "Summe des Lebens", das für Felix Nussbaum 1944 in Auschwitz endete. Wir erkennen Dinge, die dem Maler lieb waren und die Figur seines alter ego: den blicklos gewordenen Orgelmann."

Wir treten ins Freie und umgehen das mit Eichenholz und Zinkblech verkleidete Gebäude. Der Komplex aus Sichtbeton ragt wie ein Solitär in den Himmel. Das streng konzipierte Haus soll verwittern. Die Eiche setzt schon Patina an, und das Zinkblech wird mit den Jahren stumpfer. Daniel Libeskind hinterlässt mit diesem Bau Spuren so wie der Maler Felix Nussbaum, dessen Vermächtnis von Besuchern entdeckt wird, die sich nicht scheuen, nach einem Weg zu suchen durch ein Haus, ein Werk und eine Lebensgeschichte.