Museum als historischer Meilenstein

Von Christina Janssen, Studio Prag |
Wie eng sind die deutsche und die tschechische Geschichte miteinander verbunden? Im nordböhmischen Usti (Aussig), das früher mehrheitlich von Deutschen bewohnt war, stellt man sich diese Frage schon gar nicht mehr. Dort spricht man nur noch von "Unseren Deutschen". Anlass ist das "Museum der deutschsprachigen Bürger der böhmischen Länder", das dort im Frühjahr eröffnet wird.
Es ist die erste Einrichtung dieser Art in Tschechien und - nach jahrelangem Streit über dieses schwierige Thema - ein historischer Meilenstein. Die Ausstellung soll die Geschichte der Deutschen in Böhmen und Mähren über acht Jahrhunderte dokumentieren und – anders als das umstrittene Zentrum gegen Vertreibung in Berlin – die Gemüter einen, statt zu spalten.

Das Museum in Usti eröffnet einen völlig neuen Blick auf die Geschichte. Die Deutschen als wesentlicher Teil der tschechischen Identität – noch vor zehn, zwanzig Jahren hätte dieser Ansatz einen Aufschrei der Empörung ausgelöst. Heute aber, sagt der Prager Historiker Miroslav Kunstat, sei es an der Zeit, alte Klischees beiseite zu räumen:

"Die Chiffre lautet: unsere Deutschen. Es geht darum, bereits im Titel dieser Ausstellung zu vermitteln, dass wir eine Revision dieses tschechischen Deutschenbildes brauchen, dass unsere Deutschen in unser Geschichtsbild wieder integriert werden sollen, sollten und müssen sogar. Und dass eben diese kohärente tschechische Deutschenbetrachtung vielleicht mehr Impulse in die Diskussion bringt als was Farbloses, auf Kompromissen Austariertes."

Die Museumsmacher aus Usti wollen neue Akzente setzen: Jahrhunderte gemeinsam erlebter Geschichte, die mit den Vertreibungen der Deutschen nach dem Zweiten Weltkrieg endete, sollen wieder lebendig werden. Die Ausstellung begegnet tief wurzelnden Stereotypen durch Bilder lebendiger Menschen, ihres Alltags, der Gegenstände, mit denen sie sich umgeben haben.

Blanka Mouralova: "Wir sehen die Rolle des Museums in erster Linie darin, die leere Stelle, die es im Gedächtnis der Tschechen gibt, zu füllen und zu zeigen, dass man den deutschen Teil des Kulturerbes eigentlich als Bereicherung der eigenen Geschichte verstehen kann."

Die Ausstellung wende sich aber auch an das deutsche Publikum, betont Blanka Mouralova, Direktorin des Collegium Bohemicum, das die Ausstellung konzipiert. Gerade deshalb sei Usti, das frühere Aussig, der ideale Ort:

"Man wollte noch mal die gute Lage der Stadt auf dem Weg von Prag nach Dresden und weiter auf dem Weg nach Berlin nutzen. Das sind die Tatsachen, von denen eigentlich die Stadt in der Industrialisierung profitierte. Und wenn man die Geschichte der Stadt und der Region bearbeiten möchte, kommt man um die Geschichte der Deutschen, die dort mal gelebt haben, nicht herum."

Die böhmischen Länder hätten etwas verloren, ergänzt Ausstellungsmacher Jan Sicha - kulturell, wirtschaftlich und menschlich. Diese Lücke gelte es nun zu füllen:

"Wir sind quasi die ersten, die auf museale Art und Weise eine Gesamtinterpretation von diesen 800 Jahren vorlegen. Also, wir wollen wirklich eine lebendige Grundlage für künftige Gespräche machen."

Von den "Sudetendeutschen" ist dabei übrigens an keiner Stelle die Rede, sondern ausschließlich von "unseren Deutschen". Das ist umso plausibler, als dieser Begriff zum Beispiel auch jene Prager Deutschen einschließt, die aus der Kulturgeschichte des Landes nicht wegzudenken sind: Franz Kafka, Egon Erwin Kisch oder Franz Werfel zum Beispiel. Auf Kritik stößt das Projekt in Usti kaum. Im Gegenteil:

Jan Sicha: "Ich habe mehr Neid als Kritik in diesem Falle registriert. Also wir haben wirklich zur Zeit eine Arbeit, dass wir in diesem Bereich fast die Glücklichsten in Tschechien sind."

Anders als etwa in Polen hat das in Berlin geplante Zentrum gegen Vertreibungen in Tschechien keine aufgeregten oder gar wütenden Debatten ausgelöst. Das Museum in Usti könnte aber als positive Antwort auf das umstrittene Projekt interpretiert werden. Ein versöhnlicher, aber nicht unkritischer Blick auf die schwierigsten Kapitel der deutsch-tschechischen Geschichte.