Musen, Hexen, Göttinnen

Von Maria Riederer · 07.09.2013
Welche Rolle Frauen in den Religionen einnehmen, das ist bis heute Gegenstand von Auseinandersetzungen. Eine Ausstellung im Bonner Frauenmuseum will jetzt Licht in diese Prozesse bringen. Seit über 30 Jahren widmet sich das Museum der Geschichte der Frauen in der Religion
"Der Titel, der ist ein bisschen rätselhaft. Er bedeutet vielleicht einmal, dass wir trotz all der schönen Schöpfungsgeschichten doch uns auf die Evolution letztlich beziehen, daher kommt schon mal Evo. Man könnte natürlich auch sagen, dass es auch eine Hoffnung ist - in Evo steckt ja vielleicht auch das Männliche, dass eben Eva und ihr Gegenpart, dem sie den Apfel völlig vergeblich reichte - ja, dass sich da alles wieder zusammenfindet."

Marianne Pitzen ist Künstlerin und Direktorin des Frauenmuseums Bonn. Ihre auffallende, mindestens stadtbekannte Frisur - zwei große, auftoupierte Schnecken - sind eine Anleihe bei einer Gruppe antiker Göttinnen mit großen, turbanartigen Hauben: Den drei Aufanischen Matronen. Eine Abbildung der Matronen gehört zum kulturgeschichtlichen Teil der Ausstellung. Marie-Luise Kreiss, Mitarbeiterin im Museum, hat darin die Frühgeschichte von Göttinnen, Heiligen und Priesterinnen im Rheinland präsentiert:

"In Bonn war unter dem wunderschönen Bonner Münster eine große Tempelanlage von den drei Göttinnen, die immer in der Dreiheit auftauchten und diese drei Göttinnen - schauen Sie hier... wunderschön mit Fruchtkörben, die haben 'ne große Rolle für die Frauen hier gespielt und auch die Römer haben sie mit verehrt, es gibt also etliche Grabsteine, die diesen Göttinnen geweiht wurden."

Göttinnen aus verschiedenen Kulturen zeigen, wie selbstverständlich Frauengestalten die Religionen des Altertums mitgeprägt haben und wie sehr sie verehrt wurden. Marianne Pitzen hat die Matronen deshalb zu einem Markenzeichen ihrer Kunst gemacht. Sie arbeitet an einer ständig wachsenden Papiermaschee-Skulptur in leuchtendem Orange, in der die klugen Frauen der Antike auferstehen.

Pitzen: "Man sieht weibliche Gestalten mit ganz großen Hauben und ihre Kleider rauschen in schönen Falten. Da kann man sich vorstellen, dass da Weisheit, großes Wissen in den Hauben verborgen ist - deswegen gucken sie bisschen düster, vielleicht wissen sie zu viel ..."

Kreiss:"Es gibt viele, viele Frauen, die viel zu sagen haben, die aber bislang nicht sehr sichtbar sind, denen wollen wir Raum geben und ich finde, die Matronen, die machen auch so bisschen Mut."

Durch den geschichtlichen Teil der Ausstellung gelangen die Besucher in die zeitgenössische Kunst, die sich zunächst christlichen Themen widmet. Neben einem Marien-Hausalter, der inmitten gewaltiger Trümmer steht lässt die massive Holzskulptur einer kraftstrotzenden, bunten Maria Magdalena Lebensfreude aufkommen. Die Figur der Wiener Künstlerin Elisabeth von Samsonow wird am 21. September - so ist es geplant - in einer Prozession durch die Stadt Bonn getragen.

In einer Art Beichtstuhl können sich Gäste niederlassen und von der weiblichen Theologie geprägte Texte anhören. Für bibelfeste Ohren sind sie allerdings ungewohnt.

Psalm 121, in gerechter Sprache ... Ich hebe meine Augen zu den Bergen - woher kommt meine Hilfe? Meine Hilfe kommt von der Ewigen ...

90 Künstlerinnen widmen in den oberen beiden Stockwerken den Weltreligionen, dem damit verbundenen Lebensalltag von Frauen, religiösen Symbolen, aber auch Themen wie Hexenverfolgung und den Filmgöttinnen unserer Zeit. Zwei Künstlerinnen sind zum Interview gekommen. Die Perserin Firouzeh Görgen-Ossouli, eine selbstbewusste Frau mit langer, schwarzer Lockenmähne, führt mich in einen Raum, in dem sie mit den Besuchern ein Experiment durchführt:

"Also - das, was Sie hier sehen, das ist ein Mihrab - Mihrab ist eine Gebetsnische und das ist dann in Moschee und die Leute stellen sich da hin und beten. Und in der Mitte habe ich einen Spiegel installiert. Und jetzt möchte ich Ihnen kurz was vorschlagen, damit Sie sich einen kurzen Moment in eine andere Welt begeben."

Die Künstlerin nimmt mir das Mikrofon ab und hüllt mich in einen schwarzen Schleier, aus dem nur das Gesicht herausschaut.
"Und jetzt gucken Sie sich mal im Spiegel an. Haben Sie das Gefühl, dass Ihr Innenleben auch verändert ist? - Nein - also Sie sind immer noch die Dame, die Sie vorher waren? - Ja - Aber wenn Sie eine verschleierte Frau auf der Straße sehen - sehen Sie sie auch oder sehen Sie nur einen Schleier?"

Wer sich auf das Experiment einlässt, betritt die Welt innerhalb des Schleiers und sieht sich gleichzeitig von außen.

Görgen-Ossouli: "Eine andere Dame hat gesagt, ich fühle mich wie im Mutterleib, und eine andere hat gesagt, Ich habe mich verloren. Ich finde mich nicht. Und das ist natürlich toll, wenn tatsächlich so ein kleines Manöver so einen Effekt erzielt."

Nur wenige Schritte von diesem islamisch geprägten Szenario leuchten die Farben Asiens - orange, gelb und rot - zwischen den durchlässigen Raumtrennern hindurch. Die deutsche Künstlerin Wendy Hack - sie fühlt sich selbst keiner Religion zugehörig - hat sich nach einer Indienreise in einer Installation der hinduistischen Göttin Saraswati gewidmet:

"Saraswati ist die Göttin für Intellekt, Kunst und Wissenschaft. Das ist eine Göttin, die von allen verehrt wird - egal ob Mann oder Frau - die vor einer großen Prüfung stehen."

Die Göttin, hinter einem Vorhang nur als Schatten zu sehen, hängt über einer Vielzahl von Einmachgläsern, aus denen Bilder von indischen Frauen den Betrachter anlächeln.

"Ich hab die Frauen eingemacht in Gläser, weil sie leider eingemachte Frauen sind in Indien. Mir war wichtig, darzustellen, dass die Frauen in Indien nicht frei sind. Man sieht kaum eine Frau, die alleine unterwegs sein darf - sie sind nie frei."

Vom antiken Matronenkult über die Predigerin Maria Magdalena oder die erste deutsche Rabbinerin Regina Jonas - bis zur schwarzen, schwangeren Päpstin führt die Ausstellung auf insgesamt zweieinhalbtausend Quadratmetern durch eine Welt von wahren Geschichten, Fantasien und Hoffnungen. Sie erzählt - abstrakt und konkret - von der Weisheit und Kompetenz der Frauen in den Religionen, von deren teilweise brutaler Unterdrückung in allen Epochen - und von der Hoffnung auf ein neues Aufblühen weiblicher Einflüsse in den Religionen der Welt.

Die Austellung: "EVO -Frauen in den Weltreligionen"
Bis 10.11.2013 im Frauenmuseum Bonn