Musa Okwonga: „Es ging immer nur um Liebe“

Reise von London über Berlin zu sich selbst

06:10 Minuten
Auf einem bunten Hintergrund stehen in großen Buchstaben Buchtitel und der Name des Autoren.
© Mairisch Verlag

Musa Okwonga

Aus dem Englischen übersetzt von Marie Isabel Matthews-Schlinzig

Es ging immer nur um LiebeMairisch, Hamburg 2022

148 Seiten

20,00 Euro

Von Carsten Hueck · 10.09.2022
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Ein Brite mit afrikanischen Wurzeln zieht nach Berlin. So will er dem Trauma seiner Herkunft entkommen. Er will Schriftsteller werden, liebt Menschen und die Stadt, aber nicht sich selbst. Nach einer Therapie gelingt es ihm, erneut aufzubrechen.
Tolstoi sagte einmal, es gäbe eigentlich nur zwei große Themen in der Literatur. Entweder ein Mann auf einer Reise oder ein Fremder, der in eine Stadt kommt.
Musa Okwonga, in Uganda geborener Brite, Absolvent der Elitebildungsanstalten Eton und Oxford, verbindet in seinem Debütroman beide miteinander: Ein namenloser Icherzähler, der viele biografische Details mit dem Autor teilt, zieht von London nach Berlin. Dort beginnt er seine eigentliche Reise, die ihn schließlich zurück nach Uganda führt.

Zwischen Fiktion und Autobiografie

Als „Reise in drei Teilen“ bezeichnet so auch Okwonga seinen Roman – drei Kapitel, eine Mischung aus Fiktion und Autobiografie, erzählt in vielen kleinen Sequenzen und drei lyrischen Einschüben, die an Spoken Poetry erinnern.
Eine stringente Handlung gestaltet der Autor nicht. Vielmehr lässt er die Lesenden teilhaben an Erfahrungen und Reflexionen seines Icherzählers, den Eindrücken und gemischten Gefühlen, die die fremde Stadt in ihm auslöst.

Widersprüche einer Stadt

Berlin ist der Spiegel seines Innenlebens. Die Stadt begegnet dem Musiker und Autor wie ein Mensch, er verliebt sich, verliert sich, fühlt sich einsam oder begehrt, beglückt oder abgestoßen.
Er selbst unterliegt den Stimmungsschwankungen, die er Berlin zuschreibt. Ein schwarzer Mann zwischen überwiegend Weißen, der als gebildeter Migrant die Stadt wie ein seltsam faszinierendes Wesen wahrnimmt, und der eigentlich nur geliebt werden möchte.

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Okwonga schafft es, einen kleinen, charmanten Berlinreiseführer zu schreiben, ein widersprüchliches und treffendes Porträt der Stadt und ihrer Eigenheiten. „Das Schnitzel beeindruckt dich, denn es ist weniger eine Mahlzeit, als ein gehöriger Angriff auf die Idee des Hungers an sich.“ Oder: „Der Wind ist ein echter Berliner; wann immer er dich auf der Straße trifft, stürmt er grob an dir vorbei, überzeugt davon, dass sein Ziel wichtiger sei als deines.“

Sicht eines schwarzen Migranten

Indem der Autor in der zweiten Person schreibt, umarmt er Leser und Leserinnen und irgendwann fühlt man sich verbunden, auch wenn man selbst weder Person of Colour oder Fußballfan noch bisexuell oder chronisch pleite ist.
Mit diesem Buch aber ist es möglich, die Welt aus Sicht eines schwarzen Migranten wahrzunehmen. Und nachzuvollziehen, wie es sich anfühlt, mit Alltagsrassismus konfrontiert, oder von Albträumen heimgesucht zu werden, in denen Neonazis mit blutverschmierten Baseballschlägern Jagd auf dich machen.

Ankunft im inneren Frieden

Selbstgespräche und Anleitungen zur Selbsterbauung, funkelnde Einsichten und Banalitäten sind in diesem Buch versammelt. Es ist tatsächlich wie Berlin: wehleidig, überheblich, plakativ, sprühend, ermüdend, humorvoll.
Wer das aushält, wird es mögen, auch trotz mitunter gespreizter Übersetzung und manch schiefem Sprachbild. Der wird sich angezogen fühlen vom Erzähler, der mit seinen Problemen irgendwann zurande kommt – und ausgerechnet am Grab seines Vaters in Afrika ein Verständnis von Liebe und so etwas wie Frieden findet.
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