Multiplex, Programmkino oder DVD

Zu Gast: Matthias Elwardt, Leiter des "Abaton"-Kinos in Hamburg, und Jochen Schütze, Filmkritiker bei "Cinema" · 07.02.2009
Mit einer Riesentüte Popcorn vor gigantischer Leinwand im Multiplex-Kino, eher im gemütlich-kleinen Rahmen im Arthouse oder mit DVD vor der heimischen Kiste - die Geschmäcker der Filmfans sind verschieden. Aber immer eine Diskussion wert.
Der rote Teppich ist ausgerollt: Seit Donnerstag locken die 59. "Internationalen Filmfestspiele" Filmemacher- und Fans aus der ganzen Welt nach Berlin.

Einer der Filmbegeisterten ist Matthias Elwardt. Der Leiter des Hamburger Kinos "Abaton" gehört zu der Jury, die die Vorauswahl für die Filme in der Sektion "Wettbewerb" trifft. Er nutzt das Festival aber auch, um neue Filme für sein Kino auszusuchen, das zu den ältesten Programmkinos Deutschlands gehört.

Das "Abaton", 1970 gegründet, hat sich trotz der Konkurrenz der modernen Multiplex-Kinos gehalten.

"Wir gehen von einem ganz anderen Programmansatz aus, dass nur Filme gespielt werden, die wir vorher gesehen haben. Das ist eine bewusste Programmentscheidung. Die Multiplexe spielen Hollywood und funktionieren nach dem Top-Ten-Prinzip, das geht im Arthouse-Bereich nicht."

Um sich von den großen Kinozentren abzuheben, bietet das "Abaton" zudem regelmäßig Filmreihen und Kinogespräche mit Filmschaffenden an. Dazu gibt es ein breites Kinderprogramm und Schulvorführungen
Kino, so Matthias Elwardt, müsse mehr sein, als ein bloßer Abspielort für Filme. Kino sei ein Ort der Kommunikation, des gemeinsamen Erlebens:

"Der Ort ist dieses große und gemeinsame Erlebnis eines Films. Das haben Sie weder beim Handy noch beim Bildschirm. Es findet außerhalb statt, öffentlich, gemeinsam, es ist kommunikativ, man redet über den Film. Das ist der gleiche Unterschied, als wenn Sie sich eine CD einschieben oder Wagner in Bayreuth erleben oder sonst wen live. Kino hat schon fast die Magie, als ob man live dabei wäre."

Zu den passionierten Kinogängern gehört auch Jochen Schütze, Filmkritiker bei der Zeitschrift "Cinema". Er freut sich über jedes Filmkunstkino, das der Konkurrenz der großen Kinozentren trotzen kann. Seine Beobachtung: Die Wahl des Kinos ist auch eine Generationenfrage:

"Als junger Student gab es in meinem Kino nicht mehr als einen Film. Und es gehörte zum Ritual, dass man sich vorbereitet hat, dass man Diskussionen darüber geführt hat. Das ist heute ersetzt durch Trailer, die sich die Jugendlichen im Internet anschauen. Es gibt auch böse Zungen, die sagen, dass sich bei den Multiplexen die Art der Filme mit der Art der Architektur zusammenhängt.

Meine 16-jährige Tochter musste ich sozusagen dazu prügeln, dass noch eine andere Art von Kino gibt, und dass ihre Eltern diese Art sehr mögen. Aber man darf das auch nicht verteufeln. Beides ist richtig und wichtig und man muss über den Tellerrand gucken. Für viele ist es eben erst richtiges Kino, wenn eine Riesenportion Popcorn dabei ist.""

Multiplex oder Programmkino - für Jochen Schütze ist dies auch eine Frage der Kinokultur:

"Wenn ich als junger Mensch mit Multiplexen aufwachse und die Filme gucke, und meine Freunde auch nur diese Filme gucken, dann kriegt man gar nicht mehr mit, dass es da auch Arthouse-Kinos gibt, vielleicht auch mit schwer verdaulicheren Filmen. Das ist so, wie wenn der Gaumen von McDonalds kindlich gehalten wird, dann kann auch das Niveau von Kino nur runtergehen Wir nähern uns kulturell und soziologisch amerikanischen Verhältnissen."

Auch in Zeiten von DVD und Download vom Filmen aus dem Internet, setzt der Cineast auf die Magie des Kinos - auch als Ereignis:

"Multiplex, Programmkino oder DVD ? - Wie sieht das Kinoerlebnis der Zukunft aus?"
Darüber diskutiert Dieter Kassel heute von 9 Uhr 05 bis 11 Uhr gemeinsam mit Matthias Elwardt und Jochen Schütze. Hörerinnen und Hörer können sich beteiligen unter der kostenlosen Telefonnummer 00800 / 2254 – 2254 oder per E-Mail unter gespraech@dradio.de.


Informationen im Internet:
www.abaton.de
www.cinema.de