Multimedia in der Kita

Von Tarik Ahmia |
Für viele Pädagogen ist es eine grausige Vorstellung: Der Computer hält Einzug in die Kindergärten. Die letzte Bastion kindlicher Unbekümmertheit fällt dem modernen Zeitgeist zum Opfer. Doch die Praxis zeigt, dass der Einsatz spezieller Software die Sprachkompetenz von Kindern erweitern kann.
"Willkommen auf unserem Spielplatz. Lolli und Pop und die wir – die beiden Schlaumäuse - begrüßen Dich.
Na! Womit möchtest Du denn zuerst spielen? Bei uns kannst Du Ball werfen, die Mäuse wippen lassen, mit Robbie Schlau schreiben, ja sogar mit Buchstaben zaubern und vieles mehr!"

"Immer abwechseln…
Jetzt darf ich…"

Die Kindertagesstätte Grüntaler Straße im Berliner Stadteil Wedding. Zwei fünfjährige Mädchen sitzen in der Kita und spielen am PC. Ein noch seltener Anblick, der bei Erwachsenen häufig spontanes Missfallen auslöst.

"Jetzt sitzen sie noch mehr vor der Glotze. Diese Glotze ist jetzt der Monitor."

Auch unter Fachleuten gehen die Meinungen über Computer für Vorschulkinder auseinander. Während Gegner befürchten, die Entwicklung der Kinder könne unter dem frühen PC Einsatz leiden, schwören andere auf das interaktive Medium, das die Kinder zum eigenständigen, spielerischen Lernen motiviere – die richtige Software vorausgesetzt.

"Hallo! Gut das Du wieder da bist. Schau Dich hier mal um. Die Möbel stehen noch alle kreuz und quer im Zimmer herum. Hilfst Du mit? Ich sage Dir, was hier alles zu tun ist. Bitte rolle zunächst den Teppich aus. Klicke dazu einfach auf den Teppich…"

Die Kinder aus der KITA im Berliner Stadteil Wedding spielen mit der Lernsoftware Schlaumäuse, die von Pädagogen der Technischen Universität Berlin konzipiert wurde. Sie soll auch Vorschüler mit wenig Deutschkenntnissen animieren, spielerisch mit der deutschen Sprache umzugehen. Dass der Computer Schrift und Klang gleichzeitig wiedergeben kann, sei seine besondere Stärke, sagt Projektleiterin Professor Barbara Kochan.

"Multimedia überwindet die Stummheit der Schrift. Die Kinder können nach Bedarf die Laute anhören und die Wörter sprechen lassen. Und dann gibt es noch die Überwindung der Flüchtigkeit der gesprochenen Sprache. Die Kinder können sich das 100 Mal anhören, was die Figuren sagen. Solange wie sie es brauchen."

"Schön Dich zu sehen. Dann fang gleich an und lass die Mäuse wippen."

Eines der zehn Lernspiele ist die Mäusewippe. Hier können sich die Kinder einzelne Silben vom Computer vorsprechen lassen, die jeweils einer Maus zugeordnet sind. Erst wenn die Kinder die Mäuse in der richtigen Reihenfolge auf die Wippe setzen pendelt sie ins Gleichgewicht.

Computer: "SENN, RENN, OHH"
Kind: "Ohsel"
Computer: "OHH-SENN"
Kind: "OHREN!"

Seit drei Jahren ist die mit Bildungspreisen ausgezeichnete Schlaumäuse-Software im Einsatz. Aufbauend auf einem didaktischen Konzept, wie Kinder Schrift und Sprache lernen, wurde das Programm ursprünglich mit Sponsorgeldern des Softwarekonzerns Microsoft entwickelt. Ziel war es zunächst, die Sprachkompetenz von Kindern in sozialen Brennpunkten zu fördern. Mittlerweile sind in ganz Deutschland etwa 1200 der 44.000 Kindergärten mit dem Lernprogramm ausgestattet.

Das Spiel ROBBIE SCHLAU bricht dabei mit einem lang gehegten Tabu deutscher Kindergärten: Die Anbahnung von Schriftsprache vor der Schule:

Robbie Schlau: "Toll Du willst wieder schreiben! Super!"

Computer: "Hier lernst Du richtig schreiben. Robbie Schlau sagt Dir ein Wort, das Du mit der Tastatur eintippen sollst. Auf seinem Bauch siehst Du zu dem Wort ein Bild."

Die Pilotphase in 200 Kindergärten haben die Macher wissenschaftlich begleitet. Nach Aussagen von Eltern und Erziehern haben über 70 Prozent der Kinder durch die Schlaumäuse-Software ihren Wortschatz erweitert, sowie ihre Grammatik und Aussprache verbessert.

"Was wir gleich zu Anfang mit festgestellt haben ist, dass die Kinder am Computer nur deutsch sprechen. Weil sie werden von den Schlaumäusen deutsch angesprochen. Die sagen Ja 'Hallo, Guten Tag, ich freue mich, dass Du da bist – melde Dich an.' Die werden deutsch durch das Programm geführt. Wenn sie im Team vor dem Computer stehen, sprechen sie auch miteinander deutsch."

Simone Jung leitet den Kindergarten Grüntaler Straße in Berlin Wedding. 80 Prozent der Kinder sprechen hier eine andere Muttersprache als Deutsch. Die Kita hat ihre Pädagogik speziell an die Bedürfnisse zweisprachiger Kinder angepasst – ein Mosaikstein des Gesamtkonzeptes ist die Schlaumäuse-Software.

"Die Figuren begleiten die Kinder mit Reimen und Sprüchen. Und die werden in jeder Gelegenheit nachgesprochen. Das ist das, was die Kinder sehr schnell aufgenommen haben. Die sprechen mit, die können den Text schon auswendig und die nehmen die Reime auch in den Tagesablauf mit hinein. Das kriegt man so als Erzieherin, wenn man ein Gedicht mit den Kindern einübt, gar nicht so hin."
Dass Vorschulkinder Gedichte in Zukunft mit dem Computer und Schreiben nur noch mit der Tastatur lernen, steht trotzdem nicht zu befürchten. Denn keine Maschine kann menschliche Anleitung ersetzen – daran lassen auch die Computer-Pädagogen keinen Zweifel. Auch sie erwarten negative Auswirkungen, wenn der PC dazu missbraucht wird, notwendige menschliche Zuwendung zu ersetzen. Als ergänzendes, motivierendes Medium, das zum Eigenlernen anregt, hat der PC jedoch seine Stärken. Aber auch hier gilt: der Computer ist immer nur so gut, wie die Menschen, die hinter im stehen.

"Willst Du schon aufhören?
Tschüss! Komm bald wieder!"