Multikulturelles Belize

Ein einzigartiges menschliches Biotop

21:42 Minuten
Heller Sand, Palmen, blaues Meer im Hintergrund.
Besser als in der Werbung - Der Meeresnationalpark Laughing Bird Caye in Belize. © Deutschlandradio / Michael Castritius
Von Michael Castritius · 25.06.2020
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Ein "Melting Pot", ein Schmelztiegel aus Menschen aus aller Welt: das ist der kleine Staat Belize - zwischen Guatemala und Mexiko gelegen. Die ehemalige britische Kolonie ist ein Paradies mit Palmen - aber nicht ohne Macken.
Belize ist Rhythmus. Der Schaukelstuhl knarrt auf der Holzveranda am Karibikstrand, die Hängematte wiegt sich zwischen den Palmen. Hunderte Rhythmen: Das schrille Flirten der roten Papageien, die Marimba-Musik der Maya, dutzende melodische Sprachen. Und die lauten Trommeln der Garifuna.

Das "Babel der Karibik"

Aber Belize ist viel mehr als Karibik-Klischee. Von Mexiko und Guatemala an der mittelamerikanischen Ostküste umrahmt, langgezogen von Nord nach Süd, führen alle wichtigen Kontinentverbindungen an diesem kleinen Land vorbei. In der Abgeschiedenheit hat sich ein einzigartiges menschliches Biotop entwickelt.
Ein "Melting Pot", ein Schmelztiegel der Ethnien und Kulturen. Das "Babel der Karibik" nennt es der frühere Premierminister Said Musa:
"Belize ist eine Oase der Ruhe. Wir haben viele ethnische Gruppen: Maya, Garifuna, Kreolen, Mestizen, alle kommen zusammen. Gegenseitige Toleranz, weil Belize schon immer ein Zuhause geboten hat. Menschen aus der ganzen Welt kamen her, manche gezwungen – als Sklaven –, andere flüchteten vor Bürgerkriegen in Mittelamerika, heute vor den Gewaltproblemen. Tausende haben Zuflucht gefunden, sind in Belize heimisch geworden, und wir sehen sie als einhundert Prozent Belizer."

Mennoniten-Gemeinde inclusive

Annäherung an dieses Babel zu Fuß von der mexikanischen Halbinsel Yucatán aus. In einer schlichten Holzbude am Grenzfluss Rio Hondo gibt es den Ausreisestempel. Eine Moto-Rikscha beschleunigt den Weg über die Brücke, erstmal durch eine Freihandelszone mit vielen Klamottengeschäften, dann zur Passkontrolle Belize.
Gleich hinter der Grenze wartet ein strohblonder, junger Mann auf den Bus. Nein, er ist kein Tourist: Willie Knelson ist auf dem Heimweg, hat gerade sechs Monate auf kanadischen Feldern Geld verdient. Er ist mennonitischer Christ, seine Vorfahren sind aus Friesland über Russland, Kanada, USA und Mexiko eingewandert.
"Meine Großeltern kamen nach Belize, als Opa vierzehn war", sagt er. "Ich spreche deutsch, plattdeutsch, ich gehöre zur modernen Mennoniten-Gemeinde. Wir fahren motorisiert im Gegensatz zu den Alt-Koloniern, die fahren nur Pferdekutschen, haben Eisenräder. So lebten meine Großeltern früher auch. Mennoniten leben abseits in ihren Gebieten, abseits etwa von den Maya oder den Spanischsprachigen. Aber ich komme mit denen hervorragend aus, denn meine Freundin ist halb spanisch, halb jamaikanisch."
Eine Schulklasse sitzt auf Holzbänken vor Lehrer und Tafel.
Draußen Palmen, drinen Pauken - lernen in der Mennonitenschule mit Lehrer Reimer.© Deutschlandradio / Michael Castritius
Gleich hinter dieser Nordgrenze beginnt das überschaubare Verkehrsnetz des Landes. Wenige Landstraßen, aber viel Abwechslung: Küsten, Mangroven, Steppen, Felder, Berge und Dschungel. Belize ist etwa so groß wie Mecklenburg-Vorpommern, aber nur 400.000 Menschen leben hier. Die Fahrt im flachen Norden geht meist schnurgerade durch Agrargebiet. Hier werden unter anderem Bohnen, Mais, Bananen, Kokosnüsse und Zuckerrohr geerntet. Belizes Ökonomie ist von Landwirtschaft, Tourismus und Holzgewinnung, vor allem Mahagoni, geprägt. Dienstleistungen und eine kleine Textilindustrie ergänzen das Bruttoinlandsprodukt.

Belize steht auf der schwarzen Liste der Steueroasen

Zu den Dienstleistungen zählt auch der "kreative" Umgang mit Vermögen von Ausländern: Die EU hat Belize auf die schwarze Liste der Steueroasen gesetzt. Das respektable Wirtschaftswachstum wird von der hohen Staatsverschuldung in den Schatten gestellt, die nahezu hundert Prozent des Bruttoinlandsproduktes ausmacht. Belize City, die größte Stadt des Landes, wirkt erstmal gemütlich. Und freundlich: auch Fremde werden permanent gegrüßt.
Ein Wohnhaus aus Holz auf Stelzen auf einer Wiese neben Palmen unter blauem Himmel.
Sumpfiges Gelände - ein typisches Holzhaus in Belize.© Deutschlandradio / Michael Castritius
Die Hafenstadt Belize City wurde einst von Piraten und Holzfällern aus England und Schottland in Sümpfen gebaut. Kanäle durchziehen das Stadtgebiet mit seinen rund 63.000 Einwohnern. Kurios ist die historische Swing-Bridge: Fahren größere Boote ein, muss diese Brücke an einem Ufer ausgehängt werden und schwingt dann in voller Länge parallel zum anderen Ufer.

"Es ist schwierig, hier eine Frau zu sein"

17.30 Uhr, es wird früh dunkel in Belize City, der Äquator ist nicht weit. Jetzt zeigt sich das andere Gesicht der Stadt: die Gewalt, der Machismus. Die 27-jährige Sayuri Tzul hat daraus ihre Konsequenz gezogen:
"Es ist schwierig, hier eine Frau zu sein. Ich habe nicht das Vertrauen, nachts allein auf den Straßen zu gehen, nur mit Freunden. Bei der Arbeit werde ich nicht diskriminiert, aber auf der Straße, da gibt es viel Anmache, da gewöhnt man sich nie dran."
Drei kleine Kinder stehen in Badelatschen auf einem schlammigen Weg mit Pfützen in einer grünen Landschaft.
"Die meisten Belizer leben von der Hand in den Mund" - Kinder der Kek'chí Maya.© Deutschlandradio / Michael Castritius
Aloveen Mariano ist 20 Jahre alt, stammt aus armen Verhältnissen, sie schlägt sich mit Gelegenheitsarbeiten durch. Die schlanke Schwarze, Korallenkette über dem gelben T-Shirt, lebt auf der Schattenseite Belizes.
"Es ist schwer aufzuwachsen, wenn du nicht genug Geld hast", sagt sie. "Es ist hart, weil die meisten Belizer keinen Job haben, sie leben von der Hand in den Mund. Viele bleiben auf demselben Level stehen: nur Party, trinken, rauchen, Sex, und dein ganzes Leben geht bergab. Alles hängt vom Geld ab: In diesem Land leben Menschen, die nicht mal Strom und fließendes Wasser haben. Manchmal wachst du auf, hast nichts zu essen, weißt nicht, wie du auch nur einen Dollar bekommen sollst. Die Jugendlichen, die keine Bildung haben, suchen sich den einfachsten Weg: sie rauben. Außerdem sind ihre Viertel eine verrückte Welt der Jugendbanden."

"Wir sind Transitland für Drogen"

Diese Gangs, auch wenn sie nicht so massiv auftreten wie in El Salvador oder Honduras, können ganze Häuserblocks terrorisieren:
"Es ist traurig, dass die Regierung das nicht sieht. Die sehen nur Geld und ein besseres Leben für sich, eine höhere Position: ‚Ich habe mehr Autorität als du‘. Die gucken auf uns runter, das ist wie Sklaverei, gleichzeitig kommen die Drogenschmuggler-Flugzeuge rein, das sieht man doch. Die wissen alle, was los ist."
Auch Außenminister Wilfred Elrington weiß darum, spielt es aber herunter.
"Wir sind Transitland für Drogen, immer mehr Flugzeuge landen, je nach dem, wie der Druck die Drogenhändler zwingt, ihren Modus Operandi anzupassen. Manchmal sind sie in Belize stärker, manchmal weniger. Ja, auch Jugendbanden haben wir, kleinere Gangs, die versuchen wir einzudämmen. Aber das hat nicht die Ausmaße wie in Honduras, El Salvador oder Mexiko."
Ein Mann mit weißem Bart und blauem Hemd steht neben der Flagge von Belize.
"Wir versuchen die Korruption in den Griff zu bekommen" - Belizes Außenminister Wilfred Elrington© Deutschlandradio / Michael Castritius
Außenminister Elrington empfängt in seiner Residenz mit Blick auf die Karibik. 71 Jahre ist er alt, blendend weißer Bart und buschig-weiße Augenbrauen geben dem schwarzen Gesicht Kontrast. Die Politik in Belize wird dominiert von zwei großen Parteien, der konservativen Regierungspartei und der sozialdemokratischen Opposition. Sie ergänzen sich friedlich, ändern aber nicht viel. Schimpfen auf die Politiker-Elite ist deshalb in der Bevölkerung weit verbreitet. Oft zu Recht: Korruption, diese lateinamerikanische Seuche, hat auch Belize infiziert.
"Korruption ist ein Problem in jedem Land der Welt, das ich kenne. Ich glaube, sie ist den Menschen angeboren. Wie jedes andere Land haben auch wir unseren Anteil an Korruption, das versuchen wir in den Griff zu bekommen."

Es herrscht eine "Sklaverei-Mentalität"

Auch die Armutsbekämpfung wird in jeder Sonntagsrede unterstrichen, jeder dritte Belizer lebt unter der Armutsgrenze. Belize, sagt später der Automechaniker Dean Dawson, sei eigentlich ein sehr reiches Land. Aber nur wenige Leute besäßen die Ressourcen, ohne von dem Reichtum etwas abzugeben:
"Belize ist ein Paradies, der beste Ort der Welt. Allerdings machen es die Politiker zu dem, was es jetzt ist. Armut gibt es, weil denen die Bedürfnisse der einfachen Belizer egal sind, der wahren Belizer, die jeden Morgen aufstehen und zur Arbeit gehen. Je ärmer und ungebildeter du die Leute hältst, desto mehr Kontrolle hast du über sie. Das ist eine Sklaverei-Mentalität: Sie sind die Herren und haben ihren Fuß auf uns."
Er benutzt denselben verstörenden Begriff wie die Kellnerin Aloveen Mariano: Sklaverei. Das Trauma wirkt offenbar auch nach Generationen noch nach, bis 1838 war Belize eine Sklavenhaltergesellschaft.
Ein blauer Autobus hält auf einer Straße zwischen grünen Büschen.
Alltag in Belize City© Deutschlandradio / Michael Castritius
Die Ausfallstraße aus Belize City Richtung Westen führt an dem neuen Städtchen Hattieville vorbei, benannt nach dem Hurrikan Hattie. Hier kamen 1961 viele Sturmopfer unter – und blieben. Als Hurrikan der Stärke 5 hatte Hattie Belize City zerstört, über 1500 Menschen starben. In der Folge wurde Belmopan im Landesinneren Hauptstadt. Belize City blieb allerdings wichtigstes Zentrum des Landes. Den Bewohnern ist bewusst, dass ihre Häuser in der Einflugschneise von Hurrikans liegen, wie Kartenhäuser vor einem Ventilator, dass in jeder Saison der Abriss-Hurrikan kommen kann.

Einwanderer aus Guatemala, Honduras, Nicaragua, El Salvador

Während in Belize City hauptsächlich Kreol-Belizer leben, meist mit afrikanischem und europäischem Blut und auffällig oft blauen Augen, ist die Bevölkerung im Westen hispanisch. Sie stellen über fünfzig Prozent der Bewohner Belizes.
Belmopan, die Retorten-Hauptstadt, hatte vor 20 Jahren erst 4000 Einwohner, jetzt ist sie auf 23.000 Menschen angewachsen – noch immer die beschaulichste Hauptstadt Mittelamerikas. "Bei uns ist Spanisch Alltagssprache, auch weil viele Flüchtlinge gekommen sind", erklärt der Arzt Dr. Gil Pais:
"Viele Guatemalteken wandern nach Belize ein, aber auch aus Honduras, Nicaragua und El Salvador kommen sie. In Belmopan gibt es schon einen Stadtteil, der ‚Salvapan’ genannt wird, weil da so viele Salvadorianer leben, die vor der Gewalt in ihrer Heimat geflüchtet sind. Belize bietet ihnen bessere Arbeitsmöglichkeiten und Sicherheit. Ich bin nicht gegen Einwanderung, aber sie muss gut koordiniert werden. Belize muss sehen, wen es braucht oder nicht."
Ein reetgedecktes Holzhaus, zwei junge Frauen laufen in der grünen Landschaft daran vorbei.
Ein reetgedecktes Maya-Holzhaus in Belize.© Deutschlandradio / Michael Castritius
Juan Choc, seine Mutter ist Guatemaltekin, der Vater Maya, ist aus dem Nachbarland umgesiedelt. Er schleppt einen 12-Kilo-Sack, verkauft handgestickte Textilien:
"Ich habe Guatemala verlassen, weil ich hier ein kleines bisschen mehr verdiene. Zwar ist hier auch alles teurer, aber dafür sicherer. Etwas kompliziert ist es, da ich kaum Englisch gelernt habe. Ich arbeite jeden Tag hart, so reicht es zum Leben. Es ist wenig, aber für ein paar Bohnen genug."

Guatemala beansprucht fünfzig Prozent von Belize

Heute blickt ganz Belize sorgenvoll auf das Nachbarland: Aufgrund bald 200 Jahre alter Verträge zwischen Spanien und England beansprucht Guatemala über fünfzig Prozent von Belize für sich. Nach Volksabstimmungen in beiden Ländern hat man den Internationalen Gerichtshof der Vereinten Nationen in Den Haag zur Klärung des Konfliktes angerufen, der in der Vergangenheit immer mal wieder zu Militäraufmärschen und kleinen Grenzscharmützeln geführt hat. Mit einem Urteil ist erst in einigen Jahren zu rechnen. Experten für internationales Recht halten es für äußerst unwahrscheinlich, dass die Grenzen verschoben werden. Auch Außenminister Wilfred Elrington sieht das so:
"Es gibt nicht die geringste Möglichkeit, dass wir die Hälfte unseres Landes verlieren. Das kann nicht legal verstümmelt werden. Ich meine, dieses Risiko ist erheblich geringer als das Risiko einer militärischen Konfrontation mit unserem Nachbarn Guatemala, wenn wir den Grenzstreit nicht beilegen. Wir müssen lernen, in Harmonie und Frieden zusammenzuleben. Beide Länder wollen, dass die Vereinten Nationen dazu beitragen und uns bei der Armutsbekämpfung helfen. Deshalb werden wir – mit egal welchem Urteil – in Frieden leben können. Ohne ein Urteil bliebe die Gefahr, dass wir von der guatemaltekischen Armee überrannt werden."
Hinter Palmen und unter blauem Himmel stehen buntangestrichene Holzhäuschen.
Attraktivste Region des Landes - Placencia im Süden von Belize.© Deutschlandradio / Michael Castritius
Der zur Disposition stehende Süden Belizes ist landschaftlich und kulturell die attraktivste Region des Landes. Viele Strände hat das Festland allerdings nicht, die Küste ist zerklüftet, immer wieder Mangrovensümpfe. Über vierhundert Inseln entschädigen dafür. Oder Placencia im Süden, am Ende einer 35 Kilometer langen, sandigen Halbinsel gelegen. Was hatte der Automechaniker Dean Dawson in Belize City gesagt? "Like in heaven..."
Hier kann man das Paradiesische nachvollziehen: Zehn Bootsminuten vor dem Ort liegt der Meeresnationalpark Laughing Bird Caye. Ein Inselchen in smaragdklarem Wasser, braune Pelikane und Kormorane sinken im Sturzflug hinab in den Fischreichtum. Menschen hinterher.

"Hirschgeweih-Korallen" und "Unterwasser-Tische"

Tauchend – oder bei drei bis fünf Metern Meerestiefe schnorchelnd – lässt sich das nach dem australischen zweitgrößte Barrier-Reef der Welt erkunden. Ein Ammenhai versteckt sich hinter der dicken Gehirnkoralle, der Stachelrochen sucht das Weite, während die Barracudas neugierig kreisen. Lisa Carnes taucht nach einer abgebrochenen Elkorn-Koralle, klemmt sie aufrecht zwischen Steine, "die wächst wieder an", sagt sie später. Die Meeresbiologin von der Umweltorganisation "Fragments of Hope" forstet Korallen auf. "Farming" nennt sie das, auch wenn Korallen keine Pflanzen sind:
"Unsere Korallenplantagen sind alle im Meer. Wir suchen uns schnell gedeihende Spezies, schneiden kleine Teile ab und verbinden sie direkt mit dem Riff. Sehr nah beieinander, damit sie sich befruchten und vermehren können. Außerdem haben wir Unterwasser-Tische aus Seilen, da binden wir zum Beispiel Stöcke von Hirschgeweih-Korallen an, so haben sie viel Platz dreidimensional zu wachsen. Nach etwa einem Jahr bringen wir sie dann ans Riff. Die Äste dieser Korallen bieten Lebensraum für tonnenweise Tiere wie Hummer, Würmer und Fische. Wir konzentrieren uns auf das Riff im flachen Wasser, denn das schützt auch die Küste am besten."

Die größten Gefahren für Korallen sind Verschmutzung, die touristische Entwicklung an der Küste mit immer mehr Abwasser, sowie Überfischung. Außerdem verstärkt der Klimawandel mit gestiegenen Temperaturen die tödliche Korallenbleiche und bringt mehr zerstörerische Hurrikans.
Eine blonde Frau mit Käppi und Sweatshirt steht vor Palmen und Meer am Strand.
"Die Äste der Korallen bieten Raum für tonnenweise Tiere" - die Korallenretterin und Meeresbiologin Lisa Carnes.© Deutschlandradio / Michael Castritius
Landeinwärts in den Bergen sorgt sich auch Kakao-Pflanzer Johnston Icál um den Klimawandel. Der Bauer vom Volk der Kek’chí-Maya hat gelernt, den Wald zu erhalten, indem er Kakao anpflanzt. Denn der braucht den Schatten der Bäume:
"Ja, drastisch, wir sehen den Klimawandel dieses Jahr. Seit drei Jahren haben wir nur wenig Regen, eine Dürre. Früher war das nicht so. Wir Maya können eigentlich vorhersehen, wann Regen fallen wird, jetzt aber nicht mehr, der kommt so willkürlich. Maya sehen die Erde, den Anbau als Leben. Denn wenn du nichts isst, kannst du nicht leben. Wenn du nichts produzierst, wie kannst du essen?"
Ein Mann sitzt in beigem T-Shirt und mit gefalteten Händen vor einem Sack mit Kakaopflanzen.
"Wenn du nichts produzierst, kannst du nichts essen" - Kakao-Pflanzer Johnston Icál.© Deutschlandradio / Michael Castritius
In seiner zwölfköpfigen Großfamilie sprechen sie Kek’chí-Maya, mit Geflügel und Kakao halten sie sich über Wasser. Nicht weit von ihnen, an der Südküste, leben die Garifuna, das jüngste Volk der Welt.
Sie sind Nachkommen westafrikanischer Sklaven, deren Höllenschiff vor der Karibikinsel St. Vincent auf Sand lief. Nach der Flucht vermischten sie sich nach und nach mit den Ureinwohnern, den Kariben: ein neues Volk entstand. Später wurden sie von britischen Kolonialherren an die mittelamerikanische Küste verschleppt.
Ein Mann in gelbem T-Shirt steht im Grünen und hält ein buntes Bild in seiner Hand.
Gehört zum jüngsten Volk der Welt - Garifuna-Künstler Ludwig Palacio.© Deutschlandradio / Michael Castritius
Die Garifuna entwickelten eine eigene Sprache, eigene Tänze und Musik, von der UNESCO als Weltkulturerbe anerkannt. Im menschenleeren Belize waren sie willkommen. Heute gefährde das Multikulti des Landes ihre einzigartige Lebensweise, erklärt der Künstler Ludwig Palacio. Früher hätten in seinem Städtchen Punta Gorda neunzig Prozent Garifuna gelebt.
"Es wird künftig nicht mehr pur Garifuna sein, der demografische Wandel ist signifikant. Wir Garifuna haben nicht mehr die Mehrheit in Punta Gorda, vielleicht noch dreißig Prozent. Viele sind abgewandert oder haben kleinere Familien. Wenn es so weiter geht, ist absehbar, dass unser Garifuna-Volk und die Kultur immer weniger werden, auch wenn es Bemühungen gibt, die Kultur zu erhalten. Sie wurde bereits digitalisiert, zugänglich für die, die sie lernen, schützen und erhalten wollen."
Ihre Musik zumindest ist längst belizeweit populär, in der traditionellen Paranda – und dem zeitgenössischen Punta-Rock. Die Kulturen verschmelzen eben immer weiter in dem kleinen Land. Das sind die zwei Seiten des Schmelztiegels Belize: Die facettenreichen, einzelnen Kulturen werden schwächer, weil sie sich mmer mehr vermischen. Aber so entsteht auch etwas Neues, Einzigartiges: das belizische Volk.
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