Multikulturelle Berliner Musikszene

Elektro-DJ trifft auf Arabische Klassik

Der Schallplattenspieler eines Diskjockeys.
Kreuzung aus verschiedenen Kulturen: Die "Orient Fusion" Musik bringt Exil-Musiker und deutsche Künstler zusammen. © picture-alliance/dpa- ZB / Andreas Lander
Von Jürgen Stratmann · 16.06.2016
Musiker aus Krisenregionen mischen sich mehr und mehr unter die Berliner Szene. So kommen neue und einheimische Klänge zusammen: Welche großartige Musik dabei entstehen kann, zeigt das Partyformat "Future Hafla", das sich Jürgen Stratmann angesehen hat.
Gestern Abend wurde im Berliner Kunsthaus ACUD - im noch intimen Kreis einiger weniger Dutzend Interessierter - ein neues Partyformat erprobt: die "Future Hafla":
"Hafla bedeutet Party - die Idee ist eine Party zu haben, die die unterschiedlichsten musikalischen Einflüsse, diese warmen, orientalischen Melodien und die kalten, elektronischen Klänge in einen neuen Einklang bringen. Und so einen musikalischen Raum schafft, in dem einfach ein Fest in der Stadt veranstaltet wird, was jenseits von Grenzen und Genregrenzen sich definiert."
So Anna Mechelhoff, Organisatorin der Konzertreihe "Nächte des Ramadan". Die Grenzen - und Genregrenzen sprengende Musik zu dieser Ramadan-Future-Hafla kam vom "Exilistan Trio No. 3" - bestehend aus dem syrischen Trompeter Mhilad Khawam und dem Geiger Maher Alkadi.
"Wir experimentieren heute zum ersten Mal mit Live-Elektric-Music von Roy Assayad, aus Jerusalem, wir machen Orient Fusion Music: ich und Maher Alkadi - beide aus Damaskus! - Wow! Damaskus!!! - also, lasst uns ein bisschen Krach machen!"

Suche nach neuen Formaten

"Future Hafla", "Exilistan Project", "Orient Fusion" - alles brandneue Begriffe in der Berliner Musikszene, die erklärt werden müssen. Der Reihe nach: Das "Exilistan Project" ist eine musikalische Kollaborations-Plattform der Musik-Kuratorin Lobna Allamii:
"Was wir versuchen, ist: Musiker zusammen zu bringen, die teilweise gezwungenermaßen, teilweise freiwillig an einem sicheren Ort leben, wie Berlin einer ist. Wir bringen die Leute zusammen, als Trio, Quartett, was auch immer, um zusammen etwas absolut Neues zu machen."
Wobei - nächstes Stichwort "Orient Fusion" - syrische Klassik-Musiker geradezu prädestiniert seien, verschiedenste Einflüsse zu kombinieren:
"Wir hatten zwei Klassik-Musikschulen - eine war in Kairo, eine ist in Damaskus. Die in Kairo ist 197o abgebrannt und wurde nie wieder eröffnet, darum wird in Damaskus ein Mix verschiedener arabischer Klassikstile unterrichtet - so entstand: Orient Fusion."

"Vergesst die Noten, spielt einfach!"

Wobei ein syrisches-israelisches-Klassik-Elektro-Clash-Experiment nicht ganz reibungsfrei zustande kommen kann:
"Wir haben zwei Tage bei mir zuhause geprobt - und es war ein einziger Kampf! denn die klassischen Musikern kamen nicht mit dem Elektro-DJ klar, weil der mit deren Noten nichts anfangen konnte, ein großes Durcheinander - und dann habe ich gesagt: 'Vergesst die Noten, spielt einfach!' Und das ist das, was hier gerade passiert."
Und es passiert einiges: die große Zahl eingewanderter Musiker hat noch so manches im Gepäck, was die hiesige Clubszene sicher bunter machen dürfte - in den nächsten "Clubsessions" der Veranstaltungsreihe "Nächte des Ramadan" folgen zum Beispiel:
"Cherry Bandora, eigentlich eine israelische Gruppe, die griechische Lieder aus den 5o-er Jahren, die dann in den 6o-ern und 7o-ern in der Türkei und in Israel ganz populär waren, neu interpretieren - mit Surf und Psychedelic Rock und auch neuen Texten anreichern. Und die haben sich auch 3 syrische Musiker dazu geholt.
Die Berliner Elektroniker Gebrüder Teichmann sind ja ganz bekannt für für Kollaborationen mit unterschiedlichen Musikern, haben mit Mohammed Reza Mortasawi, der ein unglaublicher persischer Meister-Percussionist ist, sich für die dritte Clubsession zusammen getan, also, das sind immer ganz neu entstandene Kollaborationen, die dann immer uraufgeführt werden."

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