Multidisziplinäres Festival

Von Elisabeth Nehring |
"Meeting Points 5" ist ein zeitgleich stattfindendes multidisziplinäres Festival in Tanger, Tunis, Kairo, El Minia, Alexandria, Beirut, Damaskus, Amman und Berlin. Das Festival widmet sich der regionalen Vielfalt Arabiens.
Die belgische Kuratorin Frie Leysen hat 40 Produktionen kuratiert, die eine Art Tool bilden, aus dem in den verschiedenen Städten das Programm zusammengestellt wird. Das Programm ist nicht thematisch gebunden es hat kein Anspruch auf einen umfassenden Überblick oder die Präsentation der ‚besten’ Arbeiten aus der arabischen Welt, sondern will starke subjektive Künstlerpositionen zeigen.

Die Kuratorin hat das Programm in Berlin und Brüssel als Echo bezeichnet – Echo auf das, was in den arabischen Städten passiert. Das heißt, das Programm ist ausdrücklich nicht für ein europäisches oder speziell Berliner Publikum kuratiert, sondern für ein arabisches. Frie Leysen versucht damit bewusst zu vermeiden, nur das zu zeigen, was der westliche Zuschauer erwartet und was ihn interessiert – vor allem das politische. Die thematische Bandbreite reicht von sehr politische bis sehr persönlich oder auch religiös motiviert.

Im Tanzstück Wacl (ein Begriff aus der Philosophie der Sufis, der die spirituelle Verbindung des Menschen zu Gott bezeichnet) gehen die Geschwister Selma und Sofiane Quissi der Frage nach, ob sich das Unsagbare erfassen, das Unsichtbare tanzen lässt.

Tatsächlich passiert nicht viel auf der Bühne - die Geschwister, beide lange Haare und ganz in weiß gekleidet, bewegen sich hinter einem Gazevorhang, man sieht sie ohne scharfe Konturen und sie bewegen sich fast ausschließlich in ruhigen Kreisbewegungen, Spiralen, entweder auf der Stelle oder in Bögen durch den Raum. Sie nehmen eine eigenartige Körperhaltung ein: ganz weich, mit vorgeschobenem Becken, die Arme hängen leicht angewinkelt an der Seite, gehen ab und zu mal in die Luft oder zur Seite; leichte Rhythmuswechsel sind schon das abwechslungsreichste Element dieser Produktion.

Ganz klar ein meditatives Stück, von spirituellen Fragen inspiriert, das erfordert, sich darauf einzulassen, wer das heute Abend nicht konnte, hat sich sehr gelangweilt.

Ganz anders dagegen die Video-Installation‚ Chic Point – Fashion für Israeli Checkpoints’ von Sharif Waked aus Haifa, in der männliche Modells Mode vorführen, die man sehr gut tragen kann, wenn man sich als palästinensischer Mann einem israelischen Checkpoint nähert, sprich: nabelfrei, damit alle sehen, das man keinen Sprengstoffgürtel trägt. Vorgeführt wird Mode, die auf die Politik reagiert: ein Hemd, das wie eine Jalousie vorne hochgezogen werden kann, eine bauchfreie Jacke oder ein Netzhemd, durch die man die Haut sehen kann.

Dem gegenübergestellt wird eine Fotoserie mit Bildern von realen Situationen an den Checkpoints, wo palästinensische Männer kontrolliert werden und ihre Hemden hochziehen müssen. Chic Point ist eine Arbeit, in der Realität, Kunst- und Modewelt klar aufeinander reagieren.