Münchner Sicherheitskonferenz in Washington zur NSA

Von Marcus Pindur, Studio Washington · 06.11.2013
Er ist das, was man einen alten Hasen nennt in den transatlantischen Beziehungen. Wolfgang Ischinger hat schon mehr als ein Zerwürfnis zwischen der Bundesrepublik und den Vereinigten Staaten erlebt, zuletzt als Botschafter im Vorfeld des Irak-Krieges. Er sieht im deutsch-amerikanischen Verhältnis zurzeit …
"…eine Vertrauenskrise, eine Belastung des Verhältnisses, die aber einen völlig anderen Charakter hat als beispielsweise die Irakkrise vor zehn Jahren. In der ging es um ein Zerwürfnis wegen einer grundsätzlich anderen Sichtweise zu einem außenpolitischen Problem."

Jetzt gehe es um persönliches Vertrauen. Man könne nicht einem Verbündeten wie Bundeskanzlerin Merkel die Freiheitsmedaille verleihen, die höchste zivile Auszeichnung der USA, und gleichzeitig einen persönlichen Lauschangriff gegen sie richten, so der ehemalige deutsche Botschafter in Washington und jetzige Vorsitzende der Münchner Sicherheitskonferenz.

Die zweitägige Veranstaltung der Münchner Sicherheitskonferenz in Washington ist lange vor dem Bekanntwerden des Abhörens des Funktelefons der Kanzlerin geplant worden. Jetzt wird die Tagesordnung von diesem Thema dominiert, obwohl der Transatlantiker Ischinger Fragen wie das geplante Handels- und Investionsabkommen TTIP langfristig für weitaus wichtiger für die Partner beiderseits des Atlantiks hält.

Doch das Thema der NSA-Datensammlung und Spionage müsse abgeräumt werden, sonst werde kein Parlament in Europa einem Handelsabkommen zustimmen, so Ischinger.

"Ich glaube, dass diese Vertrauenskrise, wenn man sie intelligent und rasch behandelt, auch wieder rasch überwunden werden kann. Aber das setzt voraus, dass man auf beiden Seiten des Atlantiks über ein gemeinsames Verständnis dessen, was möglich ist, was geht, was nicht geht, wo die Grenzen des Rechts und der nachrichtendienstlichen Aufklärung liegen, darüber muss geredet werden."

Wolfgang Ischinger hält das angestrebte "No Spying-Abkommen" gleichzeitig für eine Basis und eine Voraussetzung für neues Vertrauen zwischen den Partnern. Dabei solle man sich aber keine dramatischen Zugeständnisse der Amerikaner erhoffen. Doch er habe den Eindruck, dass viele in Washington nach einer ersten Trotzphase erkannt hätten, dass man Vertrauen zurückgewinnen müsse.

Von einer Aussetzung der Verhandlungen über das transatlantische Handelsabkommen als Druckmittel hält Ischinger nichts.

"Das Freihandels- und Investitionsabkommen, dass jetzt verhandelt wird, liegt im europäischen Interesse mindestens genauso wie im amerikanischen Interesse. Wenn wir seine Fertigstellung beschweren, durch ein solches sogenanntes Junktim mit der Spionageaffäre, schießen wir uns, um es etwas drastisch auszudrücken, ins eigene Knie, das ist keine gute Idee."

Seinen amerikanischen Gesprächspartnern will Ischinger vermitteln, dass es um schnelle, gemeinsame Schadensbegrenzung gehe. Da sieht der Diplomat besonders die Obama-Administration in der Pflicht. Eine deutliche Geste der Entschuldigung solle es geben, und dies möglichst rasch. Der Prozess der Schadensbewältigung sei mindestens genauso wichtig wie die Feststellung des Schadens.
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