Münchner Kunstfund

Das einsame Leben des Herrn Gurlitt

Von Gregor Sander · 06.11.2013
Der spektakuläre Kunstfund in München beschäftigt die Feuilletons weiterhin seitenweise. Aber auch der 100. Geburtstag von Albert Camus wird natürlich nicht vergessen, zum Beispiel ist zu erfahren: "Er gehört den Lesern."
“Es muss ein sehr einsames Leben gewesen sein, ein Leben mit Beckmann, mit Dix, Chagall und Spitzweg. Ein Leben mit der Kunst und doch im Dunkeln. Die Fenster des Apartments in München-Schwabing waren verhängt, sogar der Türspion war zugeklebt,“
schreiben Stefan Koldehoff und Tobias Timm in der Wochenzeitung DIE ZEIT. Nun ist die Geschichte um den spektakulären Kunstfund im Hause Gurlitt schon ein paar Tage alt, aber dieser Kriminalfall beschäftigt immer noch alle Feuilletons. Seitenweise.
“Es ist zu einer Floskel geworden, dass die hintergründigsten Geschichten immer noch das Leben selbst schreibt,“
meint Julia Voss in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG.
“Zu diesen Geschichten gehört eine bisher unveröffentlichte, die in das Amsterdam des Jahres 1943 zurückführt, zu dem Künstler Max Beckmann, der dort im Exil lebte. Von Beckmann befand sich in Hildebrand Gurlitts Sammlung die Gouache 'Der Löwenbändiger', die sein Sohn Cornelius im Dezember 2011 über das Auktionshaus Lempertz in Köln versteigern ließ. Was indessen nicht bekannt war ist, dass Gurlitt 1943 Beckmann in Amsterdam aufsuchte.“ Vermutlich, um bei ihm Bilder zu kaufen.
Aber auch nach dem Krieg ereignete sich Merkwürdiges, wie Ira Mazzoni in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG berichtet.
“Die Amerikaner gaben die Kunstwerke, die Gurlitt sein eigen nannte, im Jahr 1950 offensichtlich wieder heraus. In den fünf Jahren, in denen die beschlagnahmten Bilderkisten und Grafikbündel Gurlitts im Central Collecting Point in Wiesbaden eingelagert waren, konnte der Verdacht auf Raubkunst scheinbar nicht erhärtet werden.“
Fast schon bizarr ist ein Interview in der TAZ.
“Reporter Thomas Gautier von der Münchner 'Abendzeitung' wusste schon lange vom Kunstschatz des Cornelius Gurlitt in Schwabing. Trotzdem hat er die Geschichte nicht veröffentlicht.“ Aber warum fragen wir und mit uns die TAZ: "Sie war noch nicht vollständig,“ antwortet Reporter Thomas Gautier. “Ich wusste zum Beispiel zwar, welche Künstler, aber nicht welche Bilder in der Wohnung stehen. Ich wollte noch weitere Informationen und Hintergründe herausfinden.“ Sensationell!
Bei all der Recherchiererei haben die Feuilletons auch an den hundertsten Geburtstag von Albert Camus am Donnerstag gedacht.
“Es gab einen Camus-Sound,“ erklärt Martin Meyer in der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG.
“Wir hörten ihn, lange ist es her, in der Schule und waren gefesselt. Klare, mitunter harte Sätze; starke, mitunter scharfe Rhythmen; und eine Nähe zu Mensch und Ding, die alles Gemachte, künstlich Aufgeblähte, souverän unterspielte.“
Nils Minkmar von der FAZ ist allerdings froh, wenn die Feierlichkeiten für Camus wieder vorbei sind:
“Es ist mit ihm, wie es immer gewesen ist: Je mehr er im Fokus steht, mitten im Licht, desto weniger gleicht er sich selbst. Er gehört da einfach nicht hin. Es ist auch nicht nötig, längst hat jeder seinen privaten Camus. Wie kaum ein anderer französischer Autor des zwanzigsten Jahrhunderts gehört Albert Camus den Leuten, den Lesern. Bis heute ist er der am meisten gelesene, am meisten übersetzte, am meisten gekaufte französische Autor weltweit.“
Wird es Horst Schimanski auch noch mit hundert Jahren geben? Die Gefahr besteht. Götz George ist immerhin schon 75 Jahre alt und spielt am Sonntag mal wieder den Duisburger Tatort-Kommissar.
“Macht Ihnen das noch Spaß?",
fragt Thomas Gehringer im Berliner TAGESSPIEGEL und George antwortet:
“Wenn ich in zwei Jahren nach anderen Filmen mal einen 'Schimanski' drehe, kann ich wieder so einen Haudrauf spielen, weil man dabei auch sein Alter reflektiert. Kann ich das überhaupt noch? Glaubt man dem noch, dass der zwei so Knalltüten umhaut?“
Pure Freude sei das für ihn, behauptet Götz George. Bleibt also nur noch eine Frage:
"Haben Sie sich schon mal mit der Frage beschäftigt, wie diese Reihe einmal enden könnte, wie sich Schimanski verabschiedet? Nein,“ sagt George, “der Schimanski verabschiedet sich nicht. Warum sollte er? Das ist wie im Leben, man geht einfach.“
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