Münchner Kindl mit Kapuze

Von Susanne Lettenbauer · 04.06.2005
Zum vierten Mal findet in München der "Designparcours" statt. Junge Designer aus der bayerischen Landeshauptstadt präsentieren dabei ihre Entwürfe. Unter dem Motto "angezogen?!" steht in diesem Jahr das Thema Mode im Zentrum . Einige der ausgestellten Entwürfe zeigen, wie man die bayerische Tracht mit modernem Styling verbinden kann.
Auf den ersten Blick ist schwer zu definieren, was die Designerin Angelika Paschbeck in den Schaufenstern am Münchner Marienplatz drapiert hat. Fummelige kleine Etwas, die sich bei genauerem Hinsehen als Mini-Kleidungsstücke entpuppen. In einer textilen Kunstinstallation präsentiert der diesjährige Geheimtipp Paschbeck seine wilden Designmixturen zum Thema "angezogen?!". Das werden vor allem die Betrachter der Seide-Kaschmir-Plastik-Kreationen.

Erst zum Abschluss des diesjährigen Parcours wird Angelika Paschbeck in einer Finissage vorführen, wie ihre Kleidungsstückchen angezogen werden müssen. Bis dahin gibt es unzählige Vergleichsmöglichkeiten. Im Gegensatz zu den drei vorangegangenen Jahren zeigen sich die 85 Designer und Designerinnen in diesem Jahr bewusst kundenorientiert. Es darf gekauft werden, was die Münchner Newcomer wie Angelika Paschbeck, Stephanie Rapp, Tanja Kischel oder Ivonne Fehn auf den Laufstegen zeigen. Dabei geht es nicht unbedingt um internationalen Chic oder Glamour, findet Stephanie Müller.

Sie ist eine der wenigen, die ohne Designstudium oder Schneiderlehre den Sprung geschafft haben. Im Forum Junges Design zeigt sie...:

"...dass man aus ganz einfachen Sachen, z.B. einem alten Fahrradschlauch oder Weleda-Wischtüchern, dass man daraus etwas richtig Tolles macht, was man auch anziehen kann und es eine Form bekommt. Das reicht mir eigentlich schon, dass es Design ist. Das muss nicht perfekt genäht, nicht perfekt geschnürt sein oder technisch ausgezeichnet, sondern einfach die Idee. Auch wenn ich mir selbst etwas kaufe, dann schaue ich nach der Idee. Ob die Naht schief ist oder so, ist mir da ganz egal. "

Design und Mode als Happening, als Suche nach dem Unikat, dem nicht formvollendeten Prototyp – das ist der Schwerpunkt, den man in diesem Jahr in München setzt. Modedesign als Kunst denn als praktisches Bekleidungsstück, meint Kirsten Wengmann als Initiatorin des Parcours. Sie war selbst erstaunt, mit welchen Ideen in diesem Jahr vor allem junge Designerinnen sich bei ihr bewarben.

Unter dem Label Private Boutique entwirft zum Beispiel die Modemacherin Yvonne Fehn handgefertigte Stücke aus Recyclingmaterial. Das Label Weisser Rabe, Luxusbaba bekommt von der Caritas gebrauchte Kleidung und modelt die Secondhand-Stoffe um zu laufstegtauglicher Mode:

"Stichwort Recycling ist ganz interessant. Wir glauben zu erahnen oder zu erspüren, dass es eine Reihe on jungen Gestaltern gibt, die sich wieder mit Tradition beschäftigen, die sich damit beschäftigen, wo komme ich überhaupt her, wie ist meine Umgebung. Viele von ihnen sind nach der Schule erstmal weggegangen von München, haben sich in der Welt bewegt, kommen jetzt zurück und sehen die eigene Stadt, das eigene Land mit ganz anderen Augen und erkundschaften es jetzt wieder aus gestalterischer Sicht. "

Der Blick von München und Bayern in die Welt, das soll den Designparcours von ähnlichen Veranstaltungen in Deutschland wie dem Berliner Designmai oder den Hamburger und Düsseldorfer Designevents abgrenzen. So kann es gern auch einen Entwurf zum Kleid des Münchner Kindls geben. Das diesjährige ...

"...hat ein sehr steifes Loden, hat aber dem Kindl nicht einfach einen Sack übergeworfen, sondern – es gibt erstmal natürlich die Kapuze – hat vielmehr Öffnungen, vielmehr Ärmel als es Arme gibt und auch die nach unten weisen, als ob es gar keine Arme gibt, dazu ist die Hose in einem sehr interessanten Stilmix. Aber es ist immer noch klar, dass es das Münchner Kindl ist."

Trotzdem haben Kirsten Wengmann und ihre Kooperationspartner von der Landeshauptstadt den internationalen Fokus im Programm und luden in diesem Jahr erstmals drei junge Designer aus dem Ausland ein:

Keren Bet Esh, eine Mode- und Schmuckdesignerin aus Israel, Halka Marsakova, prämierte Textildesignerin aus Tschechien und Modefotograf Gabriel Dimanos werfen in den kommenden Tagen einen kreativen Blick von außen auf die Modemetropole München. Keren Bet Esh und Halka Marsakova entwickeln eigens für München neue Kollektionen und Gabriel Dimanos lässt im Shooting seine Eindrücke von München einfließen.

"Wir arbeiten ja aus der Stadt heraus, außer eben die drei Stipendiaten, die aber mit Bezug zu München arbeiten mussten. Der Designmai holt sich dagegen die Künstler von außen, das ist ein internationales Forum, die kommen aus ganz Europa, bei uns ist es umgekehrt, wir wollen zeigen, was in der Stadt passiert. Aber was wir nicht machen, ist, dass wir Ausstellungen einladen, die woanders entstanden sind. Also Ziel ist es immer, aus der Stadt heraus das Projekt entwickeln."

Noch ein Beispiel: Kann die zugegebenermaßen konventionell großbürgerlich spießige Kleidung des ehemaligen königlichen Hoflieferanten auf modern gestylt werden? Sie kann. Und der Geschäftsführer sagte nicht nein, als der Unistudiengang Fotodesign um ein ungewöhnliches Fotoshooting bat. Die Ergebnisse hängen nun in einer Münchner U-Bahn-Station. Oder: Natur ist in, auch im Design, sagte sich Indigo und zeigt einen Skihelm samt Skibrille aus Bambus, wer ein bisschen Glück hat, bekommt auch ein Paar Nordic-Walking Stöcke aus demselben Material.

Von provinziellem Touch ist München in diesen Tagen weit entfernt. Was sonst in den Ateliers und Laboren für internationale Kunden entsteht, das versucht der Designparcours zu zeigen - begleitet von unzähligen Partys:

Stephanie Müller: "Es wird hier wohl immer so ein bisschen schicker und glänzender bleiben. Wenn man aber sucht und in die kleineren Läden oder ganz unvermutet auch mal auf so ein ungewöhnliches Event geht, dann wird man sicher was ganz Interessantes finden, weil die Leute dann hier, grad weil sie dann was machen wollen, umso radikaler sind."

Service:
Der Designparcours findet noch bis zum 12. Juni an diversen Orten in München statt.