Münchner Kammerspiele

"Kein Grund, Trübsal zu blasen"

Die Kammerspiele in der Münchner Maximilianstraße
Quo Vadis, Kammerspiele? © picture alliance / dpa
Von Susanne Burkhardt · 03.02.2018
Gleich zweimal sind die Münchner Kammerspiele beim Theatertreffen vertreten. Gute Nachrichten für Intendant Matthias Lilienthal in schlechten Zeiten - denn die Zuschauerzahlen gehen zurück.
Die Auslastung stimmt an diesem Freitag Abend: Die Vorstellungen sind voll. Auch wenn die ersten beiden gezeigten Stücke – Ersan Mondtags "Das Erbe" und Susanne Kennedys "Selbstmord-Schwestern" langjährigen Abonnenten des Hauses einiges abverlangen.
Die Stimmung ist gut – auch dank der Doppeleinladung zum Theatertreffen:
"Ich habs mir natürlich gewünscht fürs Haus", freut sich Schauspielerin Wiebke Puls – gerade noch als Alien in "Das Erbe" auf der Bühne – demnächst mit "Trommeln in der Nacht" auch in Berlin. "Da muss man einfach ehrlich sein, so eine Anerkennung ist für uns gerade wichtig."
"Ich hab mich total gefreut, dass es mit 'Trommeln' eine wunderbare Inszenierung ist", ergänzt Hausherr Matthias Lilienthal.
"Noch mehr hab ich mich gefreut, über die Schwarzkopie von "Mittelreich" - weil das ja so richtig ein Tabubruch ist – eine existierende Inszenierung umzubesetzen mit People of Color, dass das eingeladen würde, hätte ich nicht gewagt zu hoffen."

Gewohnte Rezeptionsmuster ändern sich

Eine mutige Entscheidung der Jury: "Mittelreich" – nach Josef Bierbichlers Roman erzählt 100 Jahre deutscher Geschichte anhand einer Familie in einem bayerischen Dorf – jeder in München kennt den Stoff. Wenn jetzt also die junge Regisseurin Anta Helena Recke ausschließlich schwarze Darsteller in der bereits an den Kammerspielen laufenden Inszenierung auftreten lässt, verändert sie damit gewohnte Rezeptionsmuster – und stellt sie die Repräsentationsfrage neu. Viel Anlass also für Diskussion beim Theatertreffen im Mai.
Und was ist mit den schlechten Zuschauerzahlen der Kammerspiele, auf die die Süddeutsche Zeitung – ein besonders kritischer Begleiter des Hauses - eben noch einmal hinwies?
Matthias Lilienthal: "Natürlich freue ich mich nicht über 63 Prozent - aber das ist kein Grund, Trübsal zu blasen. Die Zahlen sind in München schon seit einem halben Jahr bekannt".
Er sei angetreten, das Haus für eine junge Generation zu öffnen – da seien zwischenzeitliche Verluste einkalkuliert.
"Subventionierte Theater sind dazu da, ästhetisch oder inhaltlich neue Ansätze zu formulieren. Und dazu kriegen sie die staatliche Subvention – ansonsten würde Theater aus Boulevardtheater bestehen und wäre dann mit viel weniger Geld und höherer Platzausnutzung machbar."
Matthias Lilienthal, Intendant der Münchner Kammerspiele 
Matthias Lilienthal, Intendant der Münchner Kammerspiele © Deutschlandradio / Norbert Wasmund
Also setzt Lilienthal weiter auf seinen Mix aus Ensemble-Theater und freier Szene, aus Performance und Schauspiel.
"Das ist nicht mein erster Intendantenwechsel", beklagt Wiebke Puls die zum Teil harsche Medien-Kritik an diesem Kurs: "Ich muss sagen, es geht mir natürlich unheimlich an die Substanz, über die Jahre, Jahrzehnte zu bemerken, dass der Stab so schnell gebrochen wird und dass ganz wenig Bereitschaft da ist, bei der Arbeit zuzusehen und sich drauf einzulassen."

Verständnis für Kollegen, die gehen

Dennoch versteht sie Schauspielkolleginnen wie Brigitte Hobmaier sehr gut, die das Haus verlassen haben.
"Der Kummer ist überhaupt nicht, es ist uns zu viel Performance hier. Aber es gibt auch eine Schauspielerleidenschaft, die vielleicht bei bestimmten Formaten ein bisschen zu kurz kommt. Und dann muss man auch sagen, dass der Eitelkeit der Schauspieler – und die haben wir nun mal und da schließ ich mich nicht aus, wirklich nicht gehuldigt wurde an diesem Haus in den letzten Jahren: Titelrollen kann man vergessen, psychologisches Spiel: 'Igitt', lieber nicht. Es gibt viele Spielarten – auch viele Spielarten, die mich interessieren.
Aber auch mir fehlt manchmal ein ganz bestimmtes Register – ein Wort, dass Matthias gar nicht mag - der 'Kunstfertigkeit', das ich gern mal wieder ziehen würde. Aber es gibt eine Menge andere, die man ziehen kann. Natürlich findet das in der Regel nicht so statt, dass ein ganz neuer Haufen zusammengewürfelt wird, und sofort ist alles magic. Aber ich finde, wir sind gerade auf einem guten Weg. Ich bin da ganz wohlgemut. Das wär ich auch ohne diese Einladung",
sagt es und verschwindet in der Kantine. Dort wird am Abend auch über die Neuigkeiten aus dem Burgtheater und die Anwürfe gegen Matthias Hartmann gesprochen. Deutliche Worte findet Peter Kastenmüller, Direktor des Zürcher Neumarkt Theaters: "Ich glaube, das ist ein Generationenprobem – ich glaube, dass junge Regisseure ganz anders ticken – ich setze auf die neuen Leute und die alten Säcke, die sollen sich benehmen – und wenn sie jetzt eins auf die Schnauze kriegen, dann ist das auch richtig."
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