Münchner Kammerspiele

Ein melancholischer, irritierender "Kirschgarten"

V.l.n.r.: Brigitte Hobmeier, Annette Paulmann, Gundars Āboliņš, Samouil Stoyanov, Mariann Yar, Julia Riedler, Ilse Ritter in der Aufführung "Der Kirschgarten"
Münchner Kammerspiele: Tschechows "Der Kirschgarten" - V.l.n.r: Brigitte Hobmeier, Annette Paulmann;Gundars Āboliņš, Samouil Stoyanov, Mariann Yar, Julia Riedler, Ilse Ritter © Münchner Kammerspiele/ Thomas Aurin
Von Sven Ricklefs · 27.01.2017
Nicolas Stemann inszeniert Tschechows "Kirschgarten" an den Münchener Kammerspielen. Das Theater selbst ist wie der Kirschgarten – das ist vielleicht die steilste These dieser ebenso brillanten wie hochkomplexen Interpretation mit einem großartigen Ensemble.
Zwar hat Regisseur Nicolas Stemann– sehr ungewöhnlich für ihn – klassisch Rolle für Rolle besetzt, teilweise mit Theaterstars wie Brigitte Hobmeier, Ilse Ritter, Anette Paulmann oder Peter Brombacher, er lässt "Theater spielen", auch wenn er trotzdem den Werkstattcharakter betont, doch zugleich suggeriert diese Aufführung in fast jedem Augenblick: Eigentlich geht das nicht mehr, eigentlich ist diese Art des Schauspielertheaters das, was überkommen ist, der Garten, der zwar schön ist, aber nichts mehr abwirft, der abgeholzt werden muss.

Kein Zweifel: Auch wir leben in Zeiten des Umbruchs

Dabei spielt der knallrote Vorhang mit seiner unerträglichen Goldkante, der immer wieder in den unpassendsten Momenten hereinweht, der auf und zugeht, sich selbstständig macht, eine nicht unerhebliche Rolle. Doch bei aller Ironie schwingt da natürlich auch eine gehörige Portion Melancholie mit, die ja auch Tschechows Stück durchweht, der selbst zugleich von der unausweichlichen Notwendigkeit eines Wandels kurz vor der russischen Revolution fest überzeugt war.
Aufführung "Der Kirschgarten" in den Münchner Kammerspielen: V.l.n.r.: Damian Rebgetz, Samouil Stoyanov, Brigitte Hobmeier
Aufführung "Der Kirschgarten" in den Münchner Kammerspielen: V.l.n.r.: Damian Rebgetz, Samouil Stoyanov, Brigitte Hobmeier© Münchner Kammersopiele/ Thomas Aurin
Dass auch wir in Zeiten des Umbruchs leben, uns von Altbewährtem trennen und den Aufbruch wagen müssen, und dass nicht nur, was das Theater angeht – auch daran lässt diese Aufführung mit ihrem brillianten Ensemble keinen Zweifel, spätestens, wenn der alte Diener Firs, der seine Leibeigenschaft nie aufgeben wollte und dem als dem Vergessenen bei Tschechow die letzte melancholische Szene gehört, wenn dieser Firs hier nun plötzlich zum Sprachrohr einer sich aufbäumenden neuen Rechten wird: Ein irritierender und toller Schluss.

Informationen zur Aufführung auf der Homepage der Münchner Kammerspiele

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