München tanzt
Die Ballettfestwoche am Bayerischen Staatsballett hat mittlerweile Tradition. Gegründet in den 50er-Jahren versammelt die Festwoche neue Stücke des Bayerischen Staatsballetts und Gastauftritte großer Kompanien. Den Auftakt machte in diesem Jahr das Stück "Zugvögel" von Jiri Kylián.
Zugvögel, so sieht es Jiri Kylián, "... sind alle die Menschen, ob es jetzt Tänzer, Sänger, Bühnenbildner, Publikum, Administration, Kantinenleute, das sind alles Zugvögel, die innerhalb dieser Zeit von 200 Jahren durch das Bayerische Nationaltheater durchgeflogen sind."
Wir, die Zuschauer, also auch Zugvögel, dürfen zum ersten Mal Gänge, Depots und Unterbühne des Münchner Nationaltheaters erwandern. Zum speziellen Anlass hausen und flattern dort vielerlei exotische Vogelwesen. Für Kenner der zeitgenössischen Szene sind solche künstlerischen Installationen nichts Neues. Immerhin hat man jetzt ein Gefühl für die gewaltige Unterwelt-Maschinerie eines Theaters.
Aber was ist nun dieses: "Zugvögel"? Ein Stück, in dem es um den Tanz an sich geht, um das Theater und um die Künstler. Vor allem um die Tänzer, eben diese "Zugvögel", die meist nur kurze Zeit verweilen. Weil sie die emsigsten Migranten sind. Und weil ihre Laufbahn, das ist die Tragik ihrer Kunst, so kurz ist. Dieses Thema packt Kylián nicht in eine Geschichte, das ist nie seine Sache gewesen. Er deutet an, lässt Bilder sprechen, Tanzbilder und diesmal auch Filmbilder. Das hat einem Teil des Publikums nicht gepasst, der Eintritt sei eine teure Kinokarte gewesen.
Aber ist es nicht ein wunderschöner, berührender Film? Eine hingewehte Traumgeschichte, nah an Ingmar Bergman, über eine alternde Tänzerin, die in einem kleinen Mädchen die eigene unwiederbringliche Kindheit und Jugend sieht. Ein zartbitterer Abschied von der Karriere, eingefangen in surrealistischen Bildern am holländischen Strand und in Foyers und Logen des Münchner Nationaltheaters.
Und was zwischen den vier Filmsequenzen passiert, ist nun wirklich Tanz in allen Spielarten. Mit riesig sich blähenden fallschirmartigen Mänteln und heliumgefülltem hochaufragendem Kopfputz knüpft Kylián an die Bauhaustänze der 20er-Jahre an. Er verfremdet Revuetanz - leicht parodistisch - zur Über-Neoklassik. Und seine Tanzsequenzen haben in superspeedigem Tempo alle zeitgenössischen Tendenzen assimiliert, das kleinteilige Tanztheater-Gestenvokabular wie den Breakdance. Und schließlich hat er bewegungstechnisch gezielt auf das Thema "Zugvögel" hingearbeitet: Im Schwung von Ravels herbem "La Valse" bekommen Kyliáns Partnerfiguren und Hebungen eine geradezu fliegende Qualität. Schon allein, wie die Staatsballett-Tänzer sich in diesen komplexen Stil hineinwerfen, sichtlich euphorisiert, kämpferisch, ist sehenswert.
Kylián hat diesen Abend zusammen konzipiert mit Bühnen- und Licht-Designer Michael Simon, dem japanischen Modekünstler Yoshiki Hishinuma und dem Filmemacher Boris Conen, um nur drei Namen zu nennen. Damit schreibt er fort, was Serge Diaghilew mit seinen Ballets Russes initiiert hatte:
Choreographen mit anderen eigenständigen Künstlern zusammenzubringen, um ein Gesamtkunstwerk zu schaffen. Seine eigene Geschichte und Entwicklung zu kennen ist wichtig. Darum geht es in dieser Münchner Festwoche zurück zu den Ballets Russes, die vor 100 Jahren in Paris den großen Aufbruch in die Moderne signalisierten.
"Wahrscheinlich hat kein Ensemble, keine Stadt der Welt ein derart umfassendes Jubiläumsprogramm für die Ballets Russes zu bieten wie München."
... sagt wohl zu Recht Wolfgang Oberender vom Bayerischen Staatsballett. Von der exotischen über die nostalgische bis zur avantgardistischen Phase wird die Ära der legendären russischen Truppe wieder aufleben, einmal in dem jüngsten Münchner Repertoire-Abend "100 Jahre Ballets Russes", zum anderen in der Terpsichore-Gala mit Stücken, unter anderem von Fokine, Massine und Nijinsky.
"Wir reflektieren natürlich auch das Zukunftsgewandte der Ballets Russes. Das heißt, wir bringen 'L'Après-midi d'un faune' in vier Versionen. In der Originalversion von 1912, Nijinsky-Choreographie. In den Reflexionen von Picasso als Maler, der das später als Bühnenprospekt gemalt hat, und in der vielleicht größten Nachfolgeproduktion, in Robbins 'L'Après-midi d'un faune' .Und eine ganz neue Version von John Neumeier 'Nachmittag eines Fauns', der sich genau so mit diesem Vorwurf auseinandergesetzt hat."
Getanzt wird von den Münchner Solisten, von Paulina Semionova mit Staatsballett-Intendant Malakhov aus Berlin und mit Gästen aus Hamburg, Saarbrücken, London und St. Petersburg.
Wir, die Zuschauer, also auch Zugvögel, dürfen zum ersten Mal Gänge, Depots und Unterbühne des Münchner Nationaltheaters erwandern. Zum speziellen Anlass hausen und flattern dort vielerlei exotische Vogelwesen. Für Kenner der zeitgenössischen Szene sind solche künstlerischen Installationen nichts Neues. Immerhin hat man jetzt ein Gefühl für die gewaltige Unterwelt-Maschinerie eines Theaters.
Aber was ist nun dieses: "Zugvögel"? Ein Stück, in dem es um den Tanz an sich geht, um das Theater und um die Künstler. Vor allem um die Tänzer, eben diese "Zugvögel", die meist nur kurze Zeit verweilen. Weil sie die emsigsten Migranten sind. Und weil ihre Laufbahn, das ist die Tragik ihrer Kunst, so kurz ist. Dieses Thema packt Kylián nicht in eine Geschichte, das ist nie seine Sache gewesen. Er deutet an, lässt Bilder sprechen, Tanzbilder und diesmal auch Filmbilder. Das hat einem Teil des Publikums nicht gepasst, der Eintritt sei eine teure Kinokarte gewesen.
Aber ist es nicht ein wunderschöner, berührender Film? Eine hingewehte Traumgeschichte, nah an Ingmar Bergman, über eine alternde Tänzerin, die in einem kleinen Mädchen die eigene unwiederbringliche Kindheit und Jugend sieht. Ein zartbitterer Abschied von der Karriere, eingefangen in surrealistischen Bildern am holländischen Strand und in Foyers und Logen des Münchner Nationaltheaters.
Und was zwischen den vier Filmsequenzen passiert, ist nun wirklich Tanz in allen Spielarten. Mit riesig sich blähenden fallschirmartigen Mänteln und heliumgefülltem hochaufragendem Kopfputz knüpft Kylián an die Bauhaustänze der 20er-Jahre an. Er verfremdet Revuetanz - leicht parodistisch - zur Über-Neoklassik. Und seine Tanzsequenzen haben in superspeedigem Tempo alle zeitgenössischen Tendenzen assimiliert, das kleinteilige Tanztheater-Gestenvokabular wie den Breakdance. Und schließlich hat er bewegungstechnisch gezielt auf das Thema "Zugvögel" hingearbeitet: Im Schwung von Ravels herbem "La Valse" bekommen Kyliáns Partnerfiguren und Hebungen eine geradezu fliegende Qualität. Schon allein, wie die Staatsballett-Tänzer sich in diesen komplexen Stil hineinwerfen, sichtlich euphorisiert, kämpferisch, ist sehenswert.
Kylián hat diesen Abend zusammen konzipiert mit Bühnen- und Licht-Designer Michael Simon, dem japanischen Modekünstler Yoshiki Hishinuma und dem Filmemacher Boris Conen, um nur drei Namen zu nennen. Damit schreibt er fort, was Serge Diaghilew mit seinen Ballets Russes initiiert hatte:
Choreographen mit anderen eigenständigen Künstlern zusammenzubringen, um ein Gesamtkunstwerk zu schaffen. Seine eigene Geschichte und Entwicklung zu kennen ist wichtig. Darum geht es in dieser Münchner Festwoche zurück zu den Ballets Russes, die vor 100 Jahren in Paris den großen Aufbruch in die Moderne signalisierten.
"Wahrscheinlich hat kein Ensemble, keine Stadt der Welt ein derart umfassendes Jubiläumsprogramm für die Ballets Russes zu bieten wie München."
... sagt wohl zu Recht Wolfgang Oberender vom Bayerischen Staatsballett. Von der exotischen über die nostalgische bis zur avantgardistischen Phase wird die Ära der legendären russischen Truppe wieder aufleben, einmal in dem jüngsten Münchner Repertoire-Abend "100 Jahre Ballets Russes", zum anderen in der Terpsichore-Gala mit Stücken, unter anderem von Fokine, Massine und Nijinsky.
"Wir reflektieren natürlich auch das Zukunftsgewandte der Ballets Russes. Das heißt, wir bringen 'L'Après-midi d'un faune' in vier Versionen. In der Originalversion von 1912, Nijinsky-Choreographie. In den Reflexionen von Picasso als Maler, der das später als Bühnenprospekt gemalt hat, und in der vielleicht größten Nachfolgeproduktion, in Robbins 'L'Après-midi d'un faune' .Und eine ganz neue Version von John Neumeier 'Nachmittag eines Fauns', der sich genau so mit diesem Vorwurf auseinandergesetzt hat."
Getanzt wird von den Münchner Solisten, von Paulina Semionova mit Staatsballett-Intendant Malakhov aus Berlin und mit Gästen aus Hamburg, Saarbrücken, London und St. Petersburg.