Immobilienpreise in München

Profite auf Kosten der Kultur

07:58 Minuten
Eine idyllische Pflastersteinstraße, gesäumt von blühenden Bäumen, in Haidhausen.
Dank seiner zentralen Lage bei gleichzeitiger Dorfromantik gehört Haidhausen zu den beliebtesten Stadtvierteln von München. © imago images / STL
Von Tobias Krone · 02.06.2022
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Seit 17 Jahren probt und unterrichtet der Pianist Stefan Laux in einem Ladenlokal in der bayerischen Hauptstadt. Die Erben seines alten Vermieters wollen ihm jetzt kündigen. Doch Laux gibt noch nicht auf.
Haidhausen ist Münchens wohl gemütlichstes Gründerzeitviertel, nahe dem Ostbahnhof. Oder wie das Portal "Immobilienscout24" es nennt:
„Die einzigartige Lage bietet sowohl den unschätzbaren Wohnwert einer ruhigen Umgebung als auch das pulsierende Stadtleben von Haidhausen - einer der gefragtesten Stadtteile Münchens.“

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Hier wird seit einiger Zeit das Ladenlokal, in dem der Pianist Stefan Laux probt und unterrichtet, zum Kauf angeboten. Auch Laux, weißer Dreitagebart und Nickelbrille, fühlt sich hier sehr wohl. Die Atmosphäre ist schön, die vielen Parks sind grün und auf den breiten Straßen hört man alle Schaltjahre mal ein Auto fahren.

Die Kündigung kam vom Testamentsvollstrecker

Doch Ruhe hat der Pianist erst einmal nicht mehr. Seine Existenz ist bedroht. Und das hat mit der Anzeige auf dem Immobilienportal zu tun: „Baujahr: 1890 – Objektzustand: gepflegt - Kaufpreis: 580.000 Euro“
Über eine halbe Million Euro für 51 Quadratmeter. Eine Summe, die Laux nicht aufbringen könnte. Als Mieter des Ladenlokals soll er nun gehen. Das Kündigungsschreiben liegt der Redaktion vor. Und anders als bei Wohnungen kann man im deutschen Mietrecht Gewerbemietern sehr einfach kündigen, erklärt Volker Rastätter, Geschäftsführer des Münchner Mietervereins.
Eine Kündigung fühlt sich kühl an. Der frühere Eigentümer ging noch anders mit Laux um. Diese Zeiten sind vergangen. Sein alter Vermieter, Signor Vecchio, ist verstorben. Wie viel Herz für Künstler die Erben übrighaben, ist nicht bekannt. Die Kündigung kam vom Testamentsvollstrecker. Gerne hätten wir gewusst, warum Stefan Laux gekündigt wurde. Doch für ein Gespräch war der Testamentsvollstrecker für die Redaktion nicht zu erreichen. 

Laux will nicht in den Speckgürtel

Neue Mieter für den Laden zu finden, dürfte kaum Probleme machen. Münchens Innenstadt ist begehrt, auch Ladenlokale – und sicherlich auch zu einem höheren Mietpreis als die 650 Euro, die Stefan Laux monatlich zahlt.
Der Pianist will sich nicht damit abfinden und druckt jetzt Flyer – nicht wie sonst für seine Konzerte und für seinen literarischen Zirkel, sondern mit einem Gesuch nach einer neuen Bleibe für sich, seinen Flügel, mehrere Tausend Bücher und das möglichst zentrumsnah.
Was, wenn das nicht klappen sollte? Weiter draußen in der Vorstadt und in Vororten wären die Chancen wohl ganz gut, sagt Volker Rastätter vom Mieterverein. Doch ein Umzug in den Speckgürtel kommt für Laux nicht infrage:
„Ich kann das schon aus zwei Gründen nicht machen. Ich selber würde da geistig und einfach von meiner Art und Weise zu leben verhungern – das ist der eine, ganz egoistische Grund. Der andere Grund ist viel wichtigerer: Alle Leute, die zu mir kommen, würden dort dann nicht mehr hinkommen können. Denn dann ist es nicht mehr zentral angeschlossen. Das sind 50 oder 60 Leute, die hier nur rein beruflich, ohne meine privaten Kontakte ein- und ausgehen.“ 

Gemeinsam ist man stärker

Man weiß, wie schwierig Laux' Suche wird, wenn man die Situation in Münchens innenstadtnahen Vierteln kennt.
Doch in den vergangenen Wochen, so erzählt der Pianist, hätten sich Freunde von ihm zusammengetan. Für 400.000 Euro würden sie das Ladenlokal kaufen, Laux‘ Studio könnte dann bestehen bleiben. Laut eines Gutachtens, das Laux selbst anfertigen ließ, wäre das ein realistischer Preis.
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