Mülltonnen im Luisentempel
Die Installationen dieses Sommers auf der Pfaueninsel haben ein weiteres Mal gezeigt, wie schwer man sich in Deutschland immer noch damit tut, einen zugewandten Blick auf die eigene Vergangenheit zu werfen.
Dort, wo Luise einst Schäfer- und Kostümfeste feierte, kegelte und Blindekuh spielte, versammelte die Ausstellung "Die Inselwelt der Königin" Gegenwartskunst, verteilt über den ganzen Landschaftspark. Ein wie zufällig dorthin geratener "Blinder Pavillon" aus labyrinthisch angeordneten Stellwänden mit Glas und dunklen Flächen, ein fragmentiertes Schachspiel als Hinweis auf die napoleonischen Kriege, überdimensionierte Eicheln aus Betonguss, eine sogenannte interaktive Parkbank, die nach einer Minute den Benutzer wieder abschüttelte - was hatte das mit Luise zu tun?
Es gibt Künstler wie den in Halle geborenen Moritz Götze, die sich intensiv mit Königin Luise und preußisch-deutscher Geschichte beschäftigen. Ein Moritz Götze war auf der Pfaueninsel aber nicht vertreten. Er hätte sicher nicht die roten und blauen, mit Hortensien bepflanzten Mülltonnen in den Luisentempel geschoben. Einem Moritz Götze wäre zu Luises Lieblingsort, an dem ihr Gemahl, König Friedrich Wilhelm III., der verstorbenen Mutter seiner Kinder gedachte, sicher etwas Passenderes eingefallen.
Mülltonnen im Luisentempel! Das muss man wollen, um es zu können. Ist das eine angemessene Antwort auf das schwere Schicksal einer Königin, die sich für ihre bedeutenden Nachkommen opferte? War es nicht möglich, der Königin Luise, Mutter zweier preußischer Könige, von denen einer, Wilhelm I., Kaiser wurde, gerade auf der Pfaueninsel freundlich und zugewandt zu begegnen? Warum fand ihre Würde, die man in Paretz und Charlottenburg liebevoll achtete, auf der Pfaueninsel keinen Raum?
Ohne die Mülltonnen hätten wir die Marketingkampagne zum Luisenjahr vielleicht längst vergessen. Große, runde, signalfarbige Flecken mit fetter Schrift schoben sich auf Faltblättern und Plakaten vor historische Porträts. Sie bezeichneten Königin Luise als "Miss Preußen", "It Girl" und "Fashion Victim". War Luise die Siegerin in einem Schönheitswettbewerb für unverheiratete Damen mit dem gewissen Etwas? War sie ein Modeopfer? Luise hört’s ja nicht mehr, mögen sich die Verantwortlichen gedacht haben. Aber das ist gar nicht so sicher.
Eine derartige Missachtung der "Miss Preußen" ist wohl nur in einer Gesellschaft möglich, die sich weder als Volk noch als Nation versteht, der die historisch gewachsene Gemeinschaft nicht mehr viel bedeutet. Gewiss, jeder, der sich der Geschichte zuwendet, spürt Spannungen. Er stößt auf Fragen, Probleme und Belastungen. Auch die Ausstellungsmacher, die den Luisentempel mit Mülltonnen versahen, hatten ihre Schwierigkeiten mit dem eigenartigen Verhältnis, das wir Deutsche zu unseren historischen Mutter- und Vaterfiguren haben. Wem aber ist damit geholfen, wenn solchen Schwierigkeiten mit Unernst, Frivolität und Mittelmaß bis hin zur Geschmacklosigkeit ausgewichen wird?
Die Pfaueninsel ist jetzt zum Glück wieder so schön, wie sie es vor dieser misslungenen Hommage war. Wir können hier durch ein Arkadien spazieren, das sinnvollere, angemessenere historische Projektionen zulässt als die des vergangenen Sommers.
Andreas Landt, Verleger und Journalist, geboren 1963 in Hamburg. Studierte in Heidelberg und Berlin Germanistik, Philosophie und Geschichte. Seit 1997 Mitarbeiter der Berliner Zeitung. 1999 erschien sein Buch "Scapa Flow. Die Selbstversenkung der wilhelminischen Flotte"; 2005 "Holocaust und deutsche Frage. Ein Volk will verschwinden" in der Zeitschrift Merkur (Heft 680); 2007 "Mechanik der Mächte. Über die politischen Schriften von Panajotis Kondylis" in "Panajotis Kondylis. Aufklärer ohne Mission" (hrsg. von Falk Horst). 2005 Gründung des Landt Verlags in Berlin (www.landtverlag.de).
Es gibt Künstler wie den in Halle geborenen Moritz Götze, die sich intensiv mit Königin Luise und preußisch-deutscher Geschichte beschäftigen. Ein Moritz Götze war auf der Pfaueninsel aber nicht vertreten. Er hätte sicher nicht die roten und blauen, mit Hortensien bepflanzten Mülltonnen in den Luisentempel geschoben. Einem Moritz Götze wäre zu Luises Lieblingsort, an dem ihr Gemahl, König Friedrich Wilhelm III., der verstorbenen Mutter seiner Kinder gedachte, sicher etwas Passenderes eingefallen.
Mülltonnen im Luisentempel! Das muss man wollen, um es zu können. Ist das eine angemessene Antwort auf das schwere Schicksal einer Königin, die sich für ihre bedeutenden Nachkommen opferte? War es nicht möglich, der Königin Luise, Mutter zweier preußischer Könige, von denen einer, Wilhelm I., Kaiser wurde, gerade auf der Pfaueninsel freundlich und zugewandt zu begegnen? Warum fand ihre Würde, die man in Paretz und Charlottenburg liebevoll achtete, auf der Pfaueninsel keinen Raum?
Ohne die Mülltonnen hätten wir die Marketingkampagne zum Luisenjahr vielleicht längst vergessen. Große, runde, signalfarbige Flecken mit fetter Schrift schoben sich auf Faltblättern und Plakaten vor historische Porträts. Sie bezeichneten Königin Luise als "Miss Preußen", "It Girl" und "Fashion Victim". War Luise die Siegerin in einem Schönheitswettbewerb für unverheiratete Damen mit dem gewissen Etwas? War sie ein Modeopfer? Luise hört’s ja nicht mehr, mögen sich die Verantwortlichen gedacht haben. Aber das ist gar nicht so sicher.
Eine derartige Missachtung der "Miss Preußen" ist wohl nur in einer Gesellschaft möglich, die sich weder als Volk noch als Nation versteht, der die historisch gewachsene Gemeinschaft nicht mehr viel bedeutet. Gewiss, jeder, der sich der Geschichte zuwendet, spürt Spannungen. Er stößt auf Fragen, Probleme und Belastungen. Auch die Ausstellungsmacher, die den Luisentempel mit Mülltonnen versahen, hatten ihre Schwierigkeiten mit dem eigenartigen Verhältnis, das wir Deutsche zu unseren historischen Mutter- und Vaterfiguren haben. Wem aber ist damit geholfen, wenn solchen Schwierigkeiten mit Unernst, Frivolität und Mittelmaß bis hin zur Geschmacklosigkeit ausgewichen wird?
Die Pfaueninsel ist jetzt zum Glück wieder so schön, wie sie es vor dieser misslungenen Hommage war. Wir können hier durch ein Arkadien spazieren, das sinnvollere, angemessenere historische Projektionen zulässt als die des vergangenen Sommers.
Andreas Landt, Verleger und Journalist, geboren 1963 in Hamburg. Studierte in Heidelberg und Berlin Germanistik, Philosophie und Geschichte. Seit 1997 Mitarbeiter der Berliner Zeitung. 1999 erschien sein Buch "Scapa Flow. Die Selbstversenkung der wilhelminischen Flotte"; 2005 "Holocaust und deutsche Frage. Ein Volk will verschwinden" in der Zeitschrift Merkur (Heft 680); 2007 "Mechanik der Mächte. Über die politischen Schriften von Panajotis Kondylis" in "Panajotis Kondylis. Aufklärer ohne Mission" (hrsg. von Falk Horst). 2005 Gründung des Landt Verlags in Berlin (www.landtverlag.de).