Müller fordert Solidarität von neuen Bundesländern

Peter Müller im Gespräch mit Birgit Kolkmann |
Der Ministerpräsident des Saarlandes, Peter Müller, hat Kritik aus den neuen Bundesländern an den Finanzhilferegelungen der Föderalismusreform II zurückgewiesen. Länder wie das Saarland hätten im Zuge des Solidaritätspaktes Hilfe geleistet. Es sei selbstverständlich, dass diese Solidarität nun auch von den neuen Ländern erwartet werden könne, sagte der CDU-Politiker.
Birgit Kolkmann: Konjunkturpaket und Föderalismusreform II, das sind die beiden politischen Großvorhaben, die in dieser Legislaturperiode über die parlamentarischen Hürden gehen müssen. Im Prinzip dürfte danach der Wahlkampf losgehen. Beide Projekte hängen eng miteinander zusammen, denn ob mit und ohne Finanzkrise: Es geht ums Geld der öffentlichen Hand, denn das Konjunkturpaket geht nur mit eingebauter Schuldenbremse im Grundgesetz; die Schuldenbremse, die den Ländern ab 2020 alle Neuschulden verbietet, geht nur mit der Konsolidierungshilfe. Die besagt nichts anderes, als dass die reicheren Bundesländer den armen helfen müssen, sich von ihren Zinslasten zu befreien und schuldenfrei zu werden. Die armen Länder: Das sind Bremen, Berlin, Schleswig-Holstein, Sachsen-Anhalt und das Saarland. Dessen Ministerpräsident Peter Müller von der CDU begrüße ich jetzt am Telefon. Schönen guten Morgen!

Peter Müller: Guten Morgen!

Kolkmann: Herr Müller, mehr als sieben Milliarden Euro sollen die armen von 2011 bis 2019 ausbezahlt bekommen. Was hat das Saarland zu erwarten?

Müller: Für das Saarland bedeutet das insgesamt 2,34 Milliarden, also 260 Millionen im Jahr. Das ist ein erheblicher Betrag. Auf der anderen Seite wird es sicherlich nicht einfach werden, auf dieser Grundlage im Jahr 2019 einen ausgeglichenen Haushalt darzustellen. Bei einer vernünftigen Wirtschaftsentwicklung ist dieses Ziel aber erreichbar.

Kolkmann: Herr Müller, ich hoffe, dass unsere Telefonleitung einigermaßen hält. Im Augenblick verstehen wir Sie nicht so wahnsinnig gut, aber vielleicht bessert sich das ja noch. Vielleicht gehen Sie mehr Richtung Fenster, dass die Empfangsqualität besser wird. – Kommt denn, um noch einmal darauf zurückzukommen, das Saarland mit diesen Zahlungen klar, oder ist das, wie SPD-Landeschef Maas sagt, auch nur ein Tropfen auf dem heißen Stein – vor dem Hintergrund der Altschulden, die da noch zu Buche stehen?

Müller: Die Frage ist letztlich nicht nur für das Saarland, sondern für alle, ob man den Marsch in den Schuldenstaat weitergehen will, oder ob man ihn stoppen will. Wir haben ja im Moment in allen Haushalten die Situation, dass Zinsen gezahlt werden müssen, dass Nettoneuverschuldungen vorliegen. Wir können im Gleichschritt der Länder marschieren. Das ist der Effekt der Konsolidierungshilfen. Damit sind nicht alle Probleme gelöst, aber jetzt sich hinzusetzen und zu jammern und zu sagen, da bleiben ja noch Aufgaben, die zu lösen sind, das ist der Verzicht auf Politik. Natürlich haben wir auch Eigenverantwortung und wer Hilfe beansprucht, muss auch bereit sein, sich seiner eigenen Verantwortung zu stellen.

Kolkmann: Das heißt, die Deckungslücke, die bleibt, die muss über weitere Einsparungen gestopft werden. Ich würde jetzt mal vermuten, dass Sie mit "guter Politik" dann dieses auch kreativ machen wollen. Wo wollen Sie dann einsparen?

Müller: Diese Betrachtung ist zunächst einmal eine sehr oberflächliche Betrachtung. Wir haben im Moment ja nicht nur die Situation, dass der saarländische Haushalt nicht ausgeglichen ist; der Haushalt des Bundes ist nicht ausgeglichen, die Haushalte der anderen Länder sind nicht ausgeglichen. Der Weg zum Haushaltsausgleich kann auf zwei Arten erfolgen: durch Erhöhung der Einnahmen oder durch Reduzierung der Ausgaben. Bei einer vernünftigen Wirtschaftsentwicklung, bei einer vernünftigen Wachstumsentwicklung werden wir zusätzliche Steuereinnahmen haben, die eingesetzt werden können, um den Haushaltsausgleich herbeizuführen. Allerdings ist dann wenig Raum für Steuerentlastungen in einer sehr hohen Größenordnung. Auf der anderen Seite ist es so: Restriktive Haushaltspolitik ist weiter notwendig. Die haben wir im Saarland in der Vergangenheit gehabt und die werden wir weiterführen.

Kolkmann: Das heißt, Sie plädieren für einen Mix aus gemäßigten Steuererhöhungen und weiteren Einsparungen?

Müller: Ich sehe im Moment die Möglichkeit für das Saarland, Steuern zu erhöhen, nicht. Welche Steuern sollten wir erhöhen? Restriktive Haushaltspolitik ist selbstverständlich bei uns im Land, die führen wir weiter. Und im Übrigen müssen wir schnell die Wirtschaftskrise überwinden und wieder auf einen Wachstumspfad kommen. Ohne wirtschaftliches Wachstum sind die Probleme nicht lösbar.

Kolkmann: Nun sind ja die ostdeutschen Bundesländer nicht sehr zufrieden mit dem, was da nun beschlossen wurde. Insbesondere damit nicht, dass auch Sachsen-Anhalt zu den armen Ländern gezählt wird. Da hätten die ostdeutschen Bundesländer Sachsen-Anhalt gerne ausgespart und haben da auch noch einen Vorbehalt, den sie möglicherweise vor dem Verfassungsgericht noch geltend machen wollen. Ist das also alles noch gar nicht so unter Dach und Fach, wie es sich gestern Abend anhörte?

Müller: Zunächst einmal habe ich wenig Verständnis für die Position Mecklenburg-Vorpommerns. Man muss ja mal sehen, dass auch Haushaltsnotlageländer, Länder wie das Saarland, die nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts in einer extremen und unverschuldeten Haushaltsnotlage sich befinden, bereit waren, im Zuge des Solidarpakts bei der Neuregelung des Länderfinanzausgleiches Solidarität gegenüber den neuen Ländern zu üben, sich mit einzubringen. Das haben wir auch gerne getan. Wenn jetzt ein minimaler Bruchteil an Solidarität von diesen Ländern auch abverlangt wird, finde ich, ist es selbstverständlich, dass man bereit ist, diese Solidarität zu üben. Im Übrigen: der Weg zum Verfassungsgericht steht jedermann offen. Ich bin da aber sehr gelassen. Ich sehe nicht, was an der jetzt gefundenen Regelung verfassungsrechtlich bedenklich sein soll.

Kolkmann: Die Konsolidierungshilfe hat die Schuldenbremse, die ja ins Grundgesetz sollte, überhaupt erst möglich gemacht. Nun sagt die Opposition, insbesondere Fritz Kuhn von den Grünen, es sei unverschämt, von einer Schuldenbremse zu reden, weil es dann doch erst die nächste Generation zu richten hat, und die reichen Länder haben ja auch bis 2019 praktisch noch freie Hand, sich weiter zu verschulden.

Müller: So ist es nicht. Es ist eindeutig vereinbart, dass der Weg, keine neuen Schulden zu machen, im Jahr 2011 beginnt und nicht erst im Jahr 2019 und dass alle schrittweise versuchen, diesen Haushaltsausgleich so schnell wie möglich herbeizuführen. Vor diesem Hintergrund geht diese Kritik ins Leere. Es ist zudem typisch. Die einen sagen, das ist alles viel zu streng, es ist alles nicht erreichbar; die anderen sagen, das ist alles viel zu lasch, es werden weiter Schulden gemacht. Offensichtlich liegt das Ergebnis der Kommission in der Mitte und das ist in der Regel nicht so richtig falsch.

Kolkmann: Vielen Dank. – Das war Peter Müller von der CDU, Ministerpräsident im Saarland, zu den Beschlüssen der Föderalismuskommission gestern Abend. Danke fürs Gespräch!

Müller: Bitte schön!


Das Gespräch mit Peter Müller können Sie bis zum 13. Juli 2009 in unserem Audio-on-Demand-Angebot nachhören. MP3-Audio