Mozarts jüdischer Librettist

Von Günter Kaindlstorfer · 22.03.2006
Durch seine Arbeit mit Mozart ist Lorenzo da Ponte in die (Musik)Geschichte eingegangen. Der Italiener und Jude war nicht nur Librettist und Dichter, sondern auch Lebemann und Ladykiller. Zwischen Venedig, Wien und New York hat Lorenzo Da Ponte ein wahrhaft abenteuerliches Leben geführt - und einige unsterbliche Opern wie "Cosi fan tutte" mitgeschaffen. Eine Ausstellung im Jüdischen Museum Wien erinnert nun an den großen Mozart-Librettisten, der zu seiner Zeit als Jude so etwas wie der geborene Außenseiter war.
Der Mann, der aus dem Ghetto kam: Lorenzo da Ponte hat eine erstaunliche Karriere hingelegt für einen, der zum Outcast geradezu geboren war. Voraussetzung dafür im antisemitischen Europa seiner Zeit: Mit vierzehn tritt der Sohn einer jüdischen Lederhändlerfamilie aus dem Veneto mit Pomp und Trara zum Christentum über. Der Knabe geht ins Priesterseminar, wird zum Abbé geweiht, übersiedelt nach Venedig. Dort feiert der geistliche Herr Triumphe als Stegfreifdichter und als Frauenheld.

Das kann, man ahnt es, nicht lange gut gehen. Da Ponte wird denunziert und aus Venedig verbannt. Er findet Zuflucht in Wien. In der Residenzstadt Josefs II. herrscht ein vergleichsweise liberales Klima, die Künste blühen, die Aufklärung tanzt ihre letzten glanzvollen Quadrilles. Lorenzo da Ponte wird zum gefeierten Librettisten.

1785 beginnt seine Zusammenarbeit mit Wolfgang Amadé Mozart. Innerhalb weniger Jahre entstehen drei Opern, nach deren Uraufführung die Geschichte der Musik neu geschrieben werden muss. "Le Nozze di Figaro", "Don Giovanni" und "Così fan tutte".

Der junge Kurator Werner Hanak hat die Ausstellung im Wiener Jüdischen Museum mitgestaltet. Über die Kooperation Mozarts mit Da Ponte meint er:

"Da haben sich wirklich die zwei Richtigen getroffen. Mozart hat ja auch sehr dramatisch gedacht, und da Ponte war als Autor absolut flexibel. Die beiden haben sich, wie das bei einem guten Team durchaus üblich ist, gegenseitig hineingeredet."

Mozart war ein freier Geist. Die jüdische Abkunft seines Kompagnons hat den Kompositeur nicht weiter gekümmert. Lorenzo da Ponte hat allerdings auch andere Erfahrungen gemacht im Wien Josefs II.

Werner Hanak: "Da Ponte bezieht sich in einem Gedicht, das er aus Wien schreibt, auf antisemitische Erlebnisse. So hat ihm einmal jemand nachgerufen: Geht zurück ins Ghetto, Kreuziger."

Da Ponte scheint solche Erlebnisse nicht allzu ernst genommen zu haben. Auch in Wien genießt er das Leben in vollen Zügen, als Salonlöwe, als gewandter Womanizer, als Freund des Billardspiels und verwandter Vergnügungen. Dass Opern wie "Don Giovanni" und "Die Hochzeit des Figaro" heute noch frisch wie am ersten Tag wirken, liegt nach Einschätzung Werner Hanaks auch am überragenden Talent des Literaten Lorenzo da Ponte:

"Da Ponte kannte sich im Leben aus. Er hat relativ schnell gelernt, dieses Leben in einem Drama zu konkretisieren. Er hat gewusst, wie die Menschen sind, er hat gewusst, wie die Menschen leben, er hat sich in Kreisen des Hochadels ebenso sicher bewegt wie im Umgang mit dem 'gemeinen Volk' auf der Straße."

Nach dem Tod Josefs II. sind Da Pontes Tage in Wien gezählt. Der Protegé des verblichenen Monarchen wird, wie in der Donaumetropole üblich, von Neidern und Konkurrenten gnadenlos niederintrigiert. Der Dichter setzt sich nach London ab, feiert dort auch einige schöne Erfolge als Impresario am "King’s Theatre".

Doch, ach, das liebe Geld! Aufgebrachte Gläubiger setzen ihm zu, belagern ihn, bedrängen ihn - und in einer letzten abenteuerlichen Volte seines Lebens flieht Lorenzo da Ponte in die USA. Er wird amerikanischer Staatsbürger, in New York hält er sich als Drogeriewarenhändler, Sprachlehrer, Prosciutto-Importeur und unbezahlter Columbia-Professor über Wasser.

Werner Hanak: "Er hat in den Vereinigten Staaten einfach auch überleben müssen. Er hatte dort keinen ihm wohlgesonnen Fürsten, der ihn hätte finanzieren können. 1833, im stolzen Alter von 82 Jahren, ist es ihm dann immerhin noch gelungen, das erste fixe Opernhaus in New York zu gründen. Leider musste es nach einem Jahr wieder zusperren. Der Wille war da, nur das Geld hat gefehlt."

Die Ausstellung im Jüdischen Museum Wienorientiert sich an der Dramaturgie des Kinos. Das dreiköpfige Kuratorenteam rollt Lorenzo da Pontes Leben in der Rückblende auf. Zunächst lernt man den alten, in New York lebenden Dichter kennen, einen würdigen Greis, der selbstbewusst und vom Dolce Vita bereits etwas ausgelaugt von einem Ölschinken blickt.

Durchschreitet man die kreisförmig angelegte Schau, bewegt man sich immer mehr in Richtung Jugend und Kindheit da Pontes zurück. Ein interessantes Konzept. Was die Exponate betrifft, muss sich die Ausstellung allerdings, so ambitioniert sie auch sein mag, auf Konventionelles beschränken: auf Briefe, Bücher, Bilder, Notenblätter, Schautafeln.

Besonders interessant: Die Schau beschäftigt sich auch mit der Da-Ponte-Rezeption bis weit ins 20. Jahrhundert hinein. Im 19. Jahrhundert wurde Mozarts brillantester Textdichter weitgehend vergessen, später hatte die Kulturpolitik der Nazis so ihre Schwierigkeiten mit ihm.

Werner Hanak: "Für die Nationalsozialisten war es sehr wichtig, Mozart als deutschen Vorzeigekünstler darzustellen. Da war Da Ponte natürlich ein Problem. Aufgrund seines italienischen Namens war er allerdings, ich nenne es so, "arisierbar". Obwohl er von NS-Musikwissenschaftern immer wieder als Jude gebrandmarkt wurde, ist er doch auch öfter auf Theaterzetteln etwa in der Staatsoper draufgestanden."

Für Musikwissenschafter mag das alles nichts Neues sein. Für kulturhistorisch weniger Beschlagene bietet die Da-Ponte-Ausstellung in Wien eine glänzende Gelegenheit, das unerhörte Leben eines Mannes kennen zu lernen, dessen Vita selbst schon Stoff für mehrere Opernlibretti geboten hätte.