Motoriktest bei Drittklässlern

Mit Sport gegen das Daddeln

05:08 Minuten
Baden, Pädagogische Hochschule, Turnsaal Baden, College of Education, Gymnasium
In der Schule soll die Lust am Sport gefördert werden. © Imago / viennaslide
Von Elmar Krämer · 03.11.2019
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Viele Kinder sitzen lieber vor dem Bildschirm, statt sich zu bewegen. In Berlin werden Grundschüler vom Senat auf ihre motorischen Leistungen getestet. Mobile Sportangebote sollen zudem helfen, dass die Kinder leichter ihren Lieblingssport finden.
Rund 20 Kinder laufen auf das Kommando "Auf die Plätze fertig los" durch die Sporthalle der Modersohn-Grundschule im Berliner Bezirk Friedrichshain. Heute findet für die Schülerinnen und Schüler der 3. Klassen aber kein normaler Sportunterricht statt. Von einem externen Expertenteam wird der Deutsche Motoriktest durchgeführt.
"Wir wollen grundsätzlich herausfinden, wie fit unsere Kinder in den Grundschulen eigentlich sind", erklärt Jan Lesener, Fachreferent der Arbeitsgruppe Schulsport und Bewegungserziehung der Berliner Senatsverwaltung. "Da werden unterschiedliche Testaufgaben durchgeführt, da wollen wir herausfinden, wie kräftig sind die Kinder, wie ausdauernd, wie schnell, um dann Einschätzungen darüber treffen zu können, wie wir die Kinder auch bestmöglich fördern können." Lesener leitet die Untersuchung.

Die Klassenkameraden beim Sport beobachten

Maxim, Carlotta, Nele, Gabriel und Louie haben ihre Tests bereits hinter sich und schauen jetzt ihren Mitschülern zu, die gerade in Aktion sind.
"Also er muss hin und herspringen, die Beine zusammen lassen und dabei nicht auf die gestreiften Linien kommen und das geht halt auf Zeit, so viel wie möglich."
Insgesamt sind acht Übungen durchzuführen. Neben den Seitsprüngen ein 20-Meter-Sprint, Sit-Ups, ein Weitsprung aus dem Stand, ein sechsminütiger Ausdauerlauf, rückwärts Balancieren:
"Da wo man drauf balanciert, das wird halt immer dünner und deswegen ist das auch ein bisschen schwierig."

Kinder schon früh für Sport begeistern

Außerdem Rumpfbeugen und Liegestütze mit Zusatzaufgabe: "Man liegt auf dem Bauch und macht die Hände auf dem Rücken zusammen, dann geht man hoch, dann berührt man mit der einen Hand die andere Hand und dann wieder runter, Hände auf dem Rücken zusammen und wieder hoch und das gleiche noch einmal."
Wie bei den Seitwärtssprüngen und den Sit-Ups sollen in 40 Sekunden so viele Wiederholungen wie möglich durchgeführt werden. Die Tester zählen aufmerksam mit. Abhängig von Zeiten und der Anzahl der Wiederholungen gibt es Punkte.
Ein Erwachsener hält ein Zollstock an eine Bank, darauf steht ein Mädchen, das den Zollstock anfässt.
Im Einsatz an Berliner Grundschulen: Beim Motoriktest werden die Bewegungsfähigkeiten von Schülerinnen und Schülern bewertet.© Deutschlandradio / Elmar Krämer
Am Ende werden diese addiert und in sogenannte Normkategorien eingeordnet von NK1, sechs bis zwölf Punkte, was für "weit unterdurchschnittlich" steht, bis NK5, 24-30 Punkte, was für "weit überdurchschnittlich" steht.
"Die besonders guten Kinder laden wir zu sogenannten Talentiaden ein, wo sie unterschiedliche Sportarten ausprobieren können. Wir versuchen, die Kinder für ihren zukünftigen Lieblingssport zu begeistern. Die müssen nicht zu jedem Verein laufen, um herauszufinden, das Rudern, Judo oder Klettern vielleicht doch nicht die richtige Sportart ist, sondern wir veranstalten im Bezirk eine Veranstaltung, wo alle Sportarten zu den Kindern kommen und die Eltern ihre Kinder dabei begleiten können, herauszufinden welcher Sport denn vielleicht der Schönere sein könnte."

Keine flächendeckenden Ergebnisse

Es geht allerdings nicht nur darum, Talente zu sichten, sondern vor allem den Spaß an der Bewegung zu fördern – egal auf welchem Leistungsniveau.
"Gerade für die Kinder, die einem motorischen Förderbedarf aufweisen, versuchen wir niedrigschwellige Angebote in den Schulen direkt anzubieten. Für die richten wir in den Schulen sogenannte Bewegungsfördergruppen ein, also ein bisschen so etwas wie Sport als Nachhilfe."
Flächendeckende Ergebnisse kann es nicht geben, denn nicht alle Schulen sind gewillt, indirekt auch die Effektivität des eigenen Sportunterrichts überprüfen zu lassen. Abgesehen davon ist die Teilnahme an dem Test auch für die Schülerinnen und Schüler freiwillig. Ohne die Zustimmung der Eltern darf nicht getestet werden.

Lust auf Sport wecken

Kinder mit Bewegungsdefiziten werden also unter Umständen gar nicht erreicht. Die ersten, die zu den Übungen antreten sind nicht selten die Kinder, die sowieso gerne Sport treiben.
"Ich mag sehr gerne Sport, ich mach es auch sehr gerne und wenn ich keinen Sport mache, dann werde ich auch nicht kräftig", erklärt eines der Kinder. "Also ich bin immer ein bisschen zappelig, weil ich mich dann nicht ausgepowert habe. Beim Sport gibt man ja alles. Also mir geht es dann nicht so gut, also wenn man Sport macht, geht es mir besser."
Erste Ergebnisse des Deutschen Motoriktests in Berlin zeigen, dass etwa bei den Rumpfbeugen, also einer Dehnungsübung, rund 15 Prozent und den Sit-Ups, einer Übung für die Bauchmuskulatur, rund 20 Prozent der Schüler deutliche Defizite aufweisen. Das könnte auch auf zu viel Sitzen zurückzuführen sein.
Projektleiter Jan Lesener glaubt: "Wir müssen dafür sorgen, dass die Kinder so viel Lust haben, dass man sich quasi als Konkurrenz gegen die Playstation oder den Computer durchsetzen kann und sich dann doch lieber bewegt, als zu daddeln."

Über den Deutschen Motoriktest hat Thomas Wheeler mit dem Sportwissenschaftler Klaus Bös gesprochen.
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