100. Geburtstag von Morris

Der Mann, der Lucky Luke erfand

Der Zeichner Maurice De Bevere (Morris), Erfinder von Lucky Luke, steht mit einer großen Skizze in der Hand und einem Zeichenstift im Mund in seinem Büro (1984).
Maurice De Bevere (Morris), Erfinder von Lucky Luke, bei der Arbeit (1984) © Donald Stampfli/RDB/ullstein bild via Getty Images
01.12.2023
Der Mann, der schneller zieht als sein Schatten: Klar, gemeint ist Lucky Luke. Die Abenteuer des einsamen Cowboys hat der belgische Comiczeichner Morris erfunden. Vor 100 Jahren wurde er geboren.
Als ich Lucky Luke das erste Mal begegnet bin, war ich krank. Ich war in der dritten Klasse und hatte Grippe. Meine Mutter sorgte dafür, dass es mir trotz Krankheit gut ging. Das bedeutete neben viel Kakao und Keksen, dass sie mir ein paar Comics mitbrachte. Einer davon war Lucky Luke.
Ich kannte natürlich schon Asterix, Donald Duck, Clever & Smart und später dann auch dank meines großen Bruders Spiderman, Batman und Das Phantom.
Aber Lucky Luke war nochmal anders: Lustige Geschichten an seltsamen Plätzen im Wilden Westen mit lauter skurrilen Figuren. Der Held selbst eine Mischung aus Coolness und Karikatur, alle paar Seiten drehte er sich eine Zigarette oder schoss den Ganoven ihre Knarre aus der Hand.
Auf einer Wand in einer U-Bahnstation im belgischen Charleroi ist Lucky Luke zu sehen, der seinen Schatten erschießt.
Der Mann, der schneller schießt als sein Schatten: Lucky Luke ist in Belgien sogar an der Wand einer U-Bahnstation in Charleroi zu sehen.© imago images / Melba / Melba via www.imago-images.de
Denn im Gegensatz zu den Cowboys aus den Westernfilmen war Lucky Luke quasi ein Pazifist, denn er hat mit seiner Waffe niemals jemanden verletzt oder gar getötet. Dafür war er aber auch der schnellste Schütze im Wilden Westen, denn auf dem Buchrücken wurde stets verkündet, dass er schneller zieht als sein Schatten.

Dumm, dümmer, Rantanplan

Während Lucky Luke irgendwie der coole Cowboy war, waren seine Gegenspieler und die Nebenfiguren Prachtexemplare der Skurrilität. Ganz besonders stach dabei Rantanplan hervor, der treuherzige und zugleich strunzdumme Gefängnishund. Rantanplans Doofheit brachte Lucky Luke desöfteren in brenzlige Situationen – und die Leser zum Lachen.
Auf diesem Comicbild sind verschiedene Figuren zu einem Gruppenfoto drapiert: Lucky Luke, Jolly Jumper, Rantanplan, die Daltons, Calamity Jane und Billy the Kid.
Gruppenbild mit Hund: Lucky Luke, Jolly Jumper, Rantanplan, die Daltons, Calamity Jane und Billy the Kid.© ©Lucky Comics 2023/Egmont Ehapa Media
Zum Lucky-Luke-Universum gehören aber unbedingt auch die Dalton-Brüder dazu, die es immer wieder schafften, aus dem Gefängnis auszubrechen, nur um am Ende von Lucky Luke wieder geschnappt zu werden. Am lustigsten fand ich immer, wenn der älteste und zugleich kleinste Dalton, Joe, einen Tobsuchtsanfall bekam oder mit dem jüngsten und größten Dalton, Averell, aneinander geriet. Averell konnte es übrigens in puncto Blödheit gut mit Rantanplan aufnehmen.

Historische Figuren als Gäste

Außerdem tauchten in den Comics oft historische Figuren auf, manche sogar mehrmals, darunter Abraham Lincoln, Calamity Jane und Billy the Kid. Zuletzt traf er sogar auf Bass Reeves, einer der ersten schwarzen US-Marshalls, der mit Lucky Luke gegen den Ku-Klux-Klan kämpft.
Doch am Ende jedes Abenteuers sieht man stets, wie der Cowboy auf seinem treuen Pferd Jolly Jumper – das übrigens so schlau ist, dass es Schach spielen kann – in den Sonnenuntergang reitet und singt: „I’m a poor lonesome cowboy and a long way from home.“

Cowboyzeichner aus Belgien

Erfunden und gezeichnet hat die Abenteuer vom Lonesome Cowboy der belgische Zeichner Morris. Im echten Leben hieß er Maurice de Bevere.
In diesem Selbstporträt sitzen der Zeichner Morris (links) und seine Figur Lucky Luke Rücken an Rücken auf dem Boden. Morris hält ein Blatt Papier und einen Stift in der Hand, Lucky Luke dreht sich eine Zigarette.
Der Zeichner und seine Figur: Selbstporträt von Morris neben Lucky Luke.© ©Lucky Comics 2023/Egmont Ehapa Media
1946 erschien die erste Lucky-Luke-Geschichte von Morris. Am Anfang textete er die Geschichten auch selber, später lernte er bei seinem sechsjährigen USA-Aufenthalt René Goscinny kennen, der vor allem für seine Arbeit als Autor der „Asterix“-Bände bekannt wurde. Von 1955 bis zu Goscinnys Tod im Jahr 1977 arbeiteten die beiden zusammen an den Geschichten.
Danach setzte Morris die Serie mit wechselnden Autoren bis zu seinem Tod 2001 fort. Er arbeitete an rund 60 albenlangen und 40 Kurzgeschichten.

Dauerseller in Deutschland

Nach Morris‘ Tod übernahmen der Zeichner Achdé und der Texter Jul die Serie. Ein neuer Band der Hauptserie erscheint etwa alle zwei Jahre. Daneben gibt es in unregelmäßigen Abständen Hommage-Bände anderer Zeichner wie Matthieu Bonhomme, Mawil oder Ralf König, Sekundärliteratur und eine laufende Gesamtausgabe.
Lucky Luke ist immer noch gefragt, hat mir Fabian Gross vom Egmont Verlag erzählt, bei dem Lucky Luke in Deutschland erscheint: „Lucky Luke ist ein Dauerseller mit 110.000 verkauften Exemplaren pro Jahr in Deutschland.“
Ich fragte mich, ob Morris eigentlich auch andere Sachen gezeichnet hat als Lucky Luke, aber Fabian Gross erklärt: „Lucky Luke war Morris’ Lebenswerk und es gibt nur wenig völlig themenfremdes Material von ihm. Dafür etablierte er aber in den Achtzigern und Neunzigern mit Rantanplan (über die Abenteuer des dummen Gefängnishundes) und Lucky Kid (über Lucky Lukes Kindheit) zwei Spin-offs der Hauptserie.“

Grashalm statt Kippe

1983 gewöhnte Morris wegen des sich ändernden Zeitgeistes seinem Helden das Rauchen ab. Das fand ich damals sehr merkwürdig: Lucky Luke trug statt einer Selbstgedrehten jetzt stets einen Grashalm im Mundwinkel. Doch das schadete dem Erfolg von Lucky Luke nicht, im Gegenteil, meint Fabian Gross: „Morris erhielt dafür viel Lob und 1988 sogar eine Auszeichnung der Weltgesundheitsorganisation WHO.“

abu
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