Morgen, morgen, nur nicht heute

Was hilft bei Aufschieberitis?

85:32 Minuten
Büroangestellter umgeben von Papierstapeln.
Ab wann aber wird das Aufschieben problematisch oder gar krankhaft? Eine Frage, die wir mit dem Psychologen Hans-Werner Rückert besprechen. © imago / stock&people
Hans-Werner Rückert im Gespräch mit Katrin Heise · 01.09.2018
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Was haben der Maler Leonardo da Vinci, der Schriftsteller Marcel Proust und der Philosoph Walter Benjamin gemeinsam? Sie alle waren Meister im Aufschieben wichtiger Vorhaben. Die Prokrastination kann aber auch problematisch werden.
Diese Aufschieberitis – Fachbegriff Prokrastination – kennt sicherlich jeder: Die Steuererklärung erledigen? Ich mähe erst noch den Rasen. Für die Masterarbeit lernen? Erst mal die E-Mails checken. Ein klärendes Gespräch mit dem Chef? Vorher schließe ich besser mein Projekt ab. Wir verzögern, vertagen und schieben unangenehme Dinge immer wieder hinaus; das ist mehr als menschlich und kann auch hilfreich sein. Nicht umsonst heißt es auch: Abwarten und Tee trinken. Viele brauchen auch den "letzten Drücker", um auf Touren zu kommen. Ab wann aber wird das Aufschieben problematisch oder gar krankhaft? Und wie kann man die Aufschieberitis im Zaum halten?

Vom Aufschub zum Kontrollverlust

"Aufschieben ist normal. Wir neigen dazu, Dinge aufzuschieben, die Unlust erzeugen", sagt der Psychologe Hans-Werner Rückert. "Grenzwertig wird es, wenn man die Kontrolle verliert."
Es könne durchaus Sinn machen, den Kauf eines Computers hinauszuzögern, in der Hoffnung später ein besseres Angebot zu bekommen. Wenn aber Studierende die Abgabe ihrer Masterarbeit immer wieder absagen oder Patienten eine wichtige Vorsorgeuntersuchung, könne dies schwerwiegende Folgen haben, mahnt der ehemalige Leiter der Studienberatung und Psychologischen Beratung an der Freien Universität Berlin.

Angst vor dem Erfolg oder dem Versagen

"Jemand, der schwierige Entscheidungen und bedeutende Vorhaben immer wieder aufschiebt, leidet möglicherweise unter unrealistischen Ansprüchen an sich selbst, weiß vielleicht nicht, wie er oder sie am besten vorgehen sollte, oder fürchtet den Erfolg ebenso wie das Versagen."
Viele Betroffene kämen aus diesem Dilemma nicht mehr mit eigener Kraft heraus. "Viele Menschen verachten sich sehr dafür, dass sie sich immer wieder vornehmen, etwas zu tun, und es dann doch wieder hinausschieben."
Ängste oder Selbstvorwürfe seien aber kein guter Ratgeber, sagt Rückert. "Erkenntnis ist der erste Schritt zur Veränderung". Man dürfe sich nicht als Loser fühlen: "Nur, weil Sie Dinge vor sich herschieben, sind Sie noch lange kein wandelndes Problem."
Tipps, wie man die Aufschieberitis in den Griff kriegen kann, hat Rückert in einem Buch zusammengestellt: "Schluss mit dem ewigen Aufschieben". Und er gibt diese Tipps auch gern in unserer Sendung!

Morgen, morgen, nur nicht heute: Was hilft bei Aufschieberitis?
Darüber diskutiert Katrin Heise am Sonnabend von 9 Uhr 05 bis 11 Uhr mit dem Psychologen Hans-Werner Rückert. Hörerinnen und Hörer können sich beteiligen und Fragen stellen unter der Telefonnummer 0800 2254 2254, per E-Mail unter gespraech@deutschlandfunkkultur.de – sowie auf Facebook und Twitter.

Literaturhinweis:
Hans-Werner Rückert: "Schluss mit dem ewigen Aufschieben. Wie Sie umsetzen, was Sie sich vornehmen"
Campus-Verlag, Frankfurt am Main, 2014
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