Morde statt Worte
Heute vor einem Jahr verabschiedete sich der Mann, der mit Truffaut und Rohmer die Nouvelle Vague begründete. An die 80 Filme hat Claude Chabrol gedreht, darunter "Die untreue Frau", "Der Schlachter" und "Das Biest muss sterben".
Die Leinwand ist dunkel. Nur ganz oben rechts leuchtet ein weißer Punkt in der Nacht. Man weiß nicht, was es ist. Aber es blinkt, als würde es Signale aussenden. Chabrols Film "Die Unschuldigen" ist zu Ende. Links läuft schon der Abspann. Aber die Kamera fährt weiter ins Dunkel. Immer weiter raus in die Finsternis. Und mit ihr eine Frau, ganz in weiß, die wie eine Schlafwandlerin in der Nacht verschwindet. Angezogen vom weißen Licht. Und der leise klagenden Stimme, die ihren Namen ruft.
Die Krimis von Claude Chabrol kommen leise daher. Ohne großes Getue holt der Nachbar die Kettensäge raus, mit religiöser Andacht vergiftet die Tochter ihre Eltern beim Sonntagsbraten und der liebende Gatte rasiert sich noch, bevor er seiner Frau mit dem Rasiermesser die Kehle durchschneidet. Es sind beiläufige Morde, die Opfer schreien nicht, weinen nicht, ja - sie laufen nicht einmal weg.
Wohin sollten sie auch fliehen? Sie sind ja schon zuhause, in der eigenen Küche, im eigenen Bad. Denn es ist immer der Nachbar, die Schwester, das eigene Kind. Das Böse ist bei Chabrol immer das Nächste. Und das ist keine Fiktion. Claude Chabrol:
"Ich hatte einen Schwager in Südfrankreich, der mich einmal zusammen mit seinem Nachbarn zum Essen einlud . Kurz darauf erfuhr ich, dass dieser Nachbar noch am selben Abend seine Frau und seine Mätresse umgebracht hatte. Denn er hatte seiner Mätresse versprochen, nie wieder mit seiner Frau zu schlafen. Aber seine Frau war schwanger. Und er wollte seine Frau nicht verlassen. Also hat er lieber beide umgebracht."
Es klingt geradezu logisch, ja naheliegend. Und tatsächlich: Für Chabrol gehört der Mord so selbstverständlich zur Ehe dazu – wie der erste Kuss und die erste Affäre. Ohne jede Empörung zeigt der Regisseur in all seinen Filmen, wie kleine Morde große Probleme lösen. Ein lästiger Liebhaber, ein grapschender Stiefvater, eine untreue Frau – mit etwas praktischem Sinn und dem richtigen Gift kommt alles wieder in Ordnung. Und darum geht es in den Filmen von Chabrol: Die Ehe ist im Ungleichgewicht und kann nur durch Mord wieder in die Balance gebracht werden. Auf den Gedanken über seine Beziehung zu reden kommt niemand bei Chabrol:
"Ich versuche das Prinzip der menschlichen Entwicklung zu zeigen, von unseren Vorfahren aus der Steinzeit bis zu unserem völlig durchgeistigten Leben. Man darf nicht glauben, dass man mit Reden in irgendwelche tieferen Schichten kommt. Man darf nie unseren Ursprung vergessen. Zu dem gehört auch Brutalität. Wenn man seine Triebe unterdrückt, kann das zu furchtbaren Taten führen."
Dass Reden nichts bringt, ist Chabrols tiefste Überzeugung. Und mehr noch: gelebte Lebenspraxis. Wo er geht und steht, wird geschwiegen, und ein guter Dreh ist ein stiller Dreh. Am Set umgibt er sich mit einem Stab von Mitarbeitern, die ihn vor Schwätzern schützen. Engagiert werden ausschließlich Schauspieler, die keine Fragen haben und selbstständig arbeiten. Wer diskutieren will, wird kein zweites Mal beschäftigt. Nicht umsonst gehört Isabelle Huppert zu seinen Lieblingsschauspielerinnen. Die Frau ist still, sachlich und – wie Chabrol – nur an der Arbeit interessiert.
Isabelle Huppert: "Es war besser als mit einem Freund. Aber was kann besser sein als mit einem Freund? Das Schönste, was es zwischen uns gab, das war die Arbeit. Mit ihm brauchte es nicht viele Worte. Er sprach sowieso kaum. Es gab keine Schauspielführung. Er stellte einfach nur einen Rahmen zur Verfügung. Ich hatte bei ihm auch nie das Gefühl zu spielen."
Chabrols Filme sind durchgeplant wie bei keinem anderen Regisseur. Die Gänge sind vorgezeichnet, die Kameras fertig positioniert. Und wenn der Dreh beginnt, ist der Film eigentlich schon fertig. Am Set wird nur noch entspannt abgefilmt. Und der Regisseur kann sich schweigend zurück lehnen und genießen. Denn wenn die große Filmmaschine gut geölt ist und geräuschlos läuft, dann ist Chabrol glücklich.
Chabrol braucht die absolute Idylle, um seine furchtbaren Albträume auf die Leinwand zu bringen. Und er ist zu allem bereit, um auch dem allerkleinsten Konflikt aus dem Weg zu gehen.
Isabelle Huppert: "Es war ein ganz freundlicher Mann. Man konnte sich überhaupt nicht mit ihm streiten. Aber hinter dieser Jovialität, dieser Freundlichkeit, verbarg sich sicher noch etwas anderes. Aber ich weiß nicht was. Ich denke, dass es in den meisten seiner Filme etwas Düsteres und Zwiespältiges gab. Und das muss ja zwangsläufig in seiner Persönlichkeit stecken."
Die Krimis von Claude Chabrol kommen leise daher. Ohne großes Getue holt der Nachbar die Kettensäge raus, mit religiöser Andacht vergiftet die Tochter ihre Eltern beim Sonntagsbraten und der liebende Gatte rasiert sich noch, bevor er seiner Frau mit dem Rasiermesser die Kehle durchschneidet. Es sind beiläufige Morde, die Opfer schreien nicht, weinen nicht, ja - sie laufen nicht einmal weg.
Wohin sollten sie auch fliehen? Sie sind ja schon zuhause, in der eigenen Küche, im eigenen Bad. Denn es ist immer der Nachbar, die Schwester, das eigene Kind. Das Böse ist bei Chabrol immer das Nächste. Und das ist keine Fiktion. Claude Chabrol:
"Ich hatte einen Schwager in Südfrankreich, der mich einmal zusammen mit seinem Nachbarn zum Essen einlud . Kurz darauf erfuhr ich, dass dieser Nachbar noch am selben Abend seine Frau und seine Mätresse umgebracht hatte. Denn er hatte seiner Mätresse versprochen, nie wieder mit seiner Frau zu schlafen. Aber seine Frau war schwanger. Und er wollte seine Frau nicht verlassen. Also hat er lieber beide umgebracht."
Es klingt geradezu logisch, ja naheliegend. Und tatsächlich: Für Chabrol gehört der Mord so selbstverständlich zur Ehe dazu – wie der erste Kuss und die erste Affäre. Ohne jede Empörung zeigt der Regisseur in all seinen Filmen, wie kleine Morde große Probleme lösen. Ein lästiger Liebhaber, ein grapschender Stiefvater, eine untreue Frau – mit etwas praktischem Sinn und dem richtigen Gift kommt alles wieder in Ordnung. Und darum geht es in den Filmen von Chabrol: Die Ehe ist im Ungleichgewicht und kann nur durch Mord wieder in die Balance gebracht werden. Auf den Gedanken über seine Beziehung zu reden kommt niemand bei Chabrol:
"Ich versuche das Prinzip der menschlichen Entwicklung zu zeigen, von unseren Vorfahren aus der Steinzeit bis zu unserem völlig durchgeistigten Leben. Man darf nicht glauben, dass man mit Reden in irgendwelche tieferen Schichten kommt. Man darf nie unseren Ursprung vergessen. Zu dem gehört auch Brutalität. Wenn man seine Triebe unterdrückt, kann das zu furchtbaren Taten führen."
Dass Reden nichts bringt, ist Chabrols tiefste Überzeugung. Und mehr noch: gelebte Lebenspraxis. Wo er geht und steht, wird geschwiegen, und ein guter Dreh ist ein stiller Dreh. Am Set umgibt er sich mit einem Stab von Mitarbeitern, die ihn vor Schwätzern schützen. Engagiert werden ausschließlich Schauspieler, die keine Fragen haben und selbstständig arbeiten. Wer diskutieren will, wird kein zweites Mal beschäftigt. Nicht umsonst gehört Isabelle Huppert zu seinen Lieblingsschauspielerinnen. Die Frau ist still, sachlich und – wie Chabrol – nur an der Arbeit interessiert.
Isabelle Huppert: "Es war besser als mit einem Freund. Aber was kann besser sein als mit einem Freund? Das Schönste, was es zwischen uns gab, das war die Arbeit. Mit ihm brauchte es nicht viele Worte. Er sprach sowieso kaum. Es gab keine Schauspielführung. Er stellte einfach nur einen Rahmen zur Verfügung. Ich hatte bei ihm auch nie das Gefühl zu spielen."
Chabrols Filme sind durchgeplant wie bei keinem anderen Regisseur. Die Gänge sind vorgezeichnet, die Kameras fertig positioniert. Und wenn der Dreh beginnt, ist der Film eigentlich schon fertig. Am Set wird nur noch entspannt abgefilmt. Und der Regisseur kann sich schweigend zurück lehnen und genießen. Denn wenn die große Filmmaschine gut geölt ist und geräuschlos läuft, dann ist Chabrol glücklich.
Chabrol braucht die absolute Idylle, um seine furchtbaren Albträume auf die Leinwand zu bringen. Und er ist zu allem bereit, um auch dem allerkleinsten Konflikt aus dem Weg zu gehen.
Isabelle Huppert: "Es war ein ganz freundlicher Mann. Man konnte sich überhaupt nicht mit ihm streiten. Aber hinter dieser Jovialität, dieser Freundlichkeit, verbarg sich sicher noch etwas anderes. Aber ich weiß nicht was. Ich denke, dass es in den meisten seiner Filme etwas Düsteres und Zwiespältiges gab. Und das muss ja zwangsläufig in seiner Persönlichkeit stecken."

Isabelle Huppert© AP Archiv