Mord als Kunstform

Rezensiert von Katharina Döbler |
Ein Buch von Thomas De Quincey aus dem Jahr 1827 trägt den ebenso schönen wie zynisch anmutenden Titel: "Der Mord, als schöne Kunst betrachtet." Diese Formulierung, vom Autor damals als kalkulierte Provokation in die Welt gesetzt, könnte heutzutage als kreatives Motto über einer Unzahl von Büchern und Filmen stehen: Kaum ein literarisches beziehungsweise filmisches Genre ist so erfolgreich und verbreitet wie der Krimi.
Jörg von Uthmann, ehemaliger Mitarbeiter der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" und Verfasser mehrer Sachbücher, hat de Quinceys Spiel mit Ästhetik und Gruseln auf streng faktischer Grundlage zu einer "Kleinen Kulturgeschichte des Mordes" aufbereitet.

Quer durch die Jahrhunderte hat er Mordwerkzeuge und Todesarten, Gerichtsurteile und Tathergänge gesammelt. Wir erfahren einiges über das Funktionieren der Strafjustiz in Europa und kriminologische Methoden im Lauf der Jahrhunderte - und natürlich über alles, was als Mörder und Mordopfer Rang und Namen hat. Der bekanntesten Giftmördersippe aller Zeiten, den Borgias, begegnet man ebenso wie dem Yorkshire-Ripper, der Elternmörderin Violette Nozière und dem Una-Bomber.

Dabei beschränkt sich Uthmann nicht auf die realen Morde und deren historische Bedingungen, sondern befasst sich auch noch mit dem Entstehen der einschlägigen fiktionalen Literatur. Edgar Allan Poe war der erste, der eine Detektivgeschichte schrieb: in "The Murders in the rue Morgue", erschienen 1841, klärte Chevalier Auguste Dupin einen komplizierten Mord hinter verschlossenen Türen auf - der Täter allerdings war weder der Butler noch der Gärtner, sondern - ein Affe, als hielte sich auch das junge Krimigenre an die Lehren Darwins.

Doch Uthmann lässt größere kulturgeschichtliche Zusammenhänge weitgehend außen vor und hält sich streng an seine Faktensammlung, die ja durchaus üppig und detailreich ist.

Dass die juristische Wahrheitsfindung im Mittelalter über Gottesurteile funktionierte; dass Zeugenschaft nicht unbedingt etwas mit Fakten zu tun hatte; und wie sich die Polizei zur Sicherheits- und schließlich Ermittlungsbehörde entwickelte: im Hinblick auf Kriminologiegeschichte kann Uthmanns Buch mit zahlreichen interessanten Details aufwarten. Zum Beispiel gab es im London Thomas de Quinceys noch keine Polizei; die Stadt galt im 18. Jahrhundert als gefährlichster Ort Europas, bis 1829 am Scotland Yard die erste Metropolitan Police gegründet wurde. Zuvor gab es eine Art Privatbehörde, gegründet von dem Schriftsteller Henry Fielding, wo man für eine Guinea pro Tag einen Verbrechensaufklärer mieten konnte.

Was diesem Buch aber fehlt, ist irgendeine erkennbare auktoriale Absicht, ein Leitgedanke des Autors, der begreiflich machte, wozu er eine solche Fülle von Fakten und Fiktionen aufgetürmt hat. Und auch ein paar Literatur- und Quellennachweise hätten den interessierten Leser sehr erfreuen können.


Jörg von Uthmann: Killer, Krimis, Kommissare - Kleine Kulturgeschichte des Mordes
beck'sche reihe, München 2006
Taschenbuch 280 S. 12,90 €