Montagsdemos gegen Stuttgart 21

Die Hoffnung stirbt zuletzt

Demonstration gegen Stuttgart 21 vor dem Stuttgarter Hauptbahnhof.
Demonstration gegen Stuttgart 21 vor dem Stuttgarter Hauptbahnhof. © imago / Oliver Willikonsky
Von Uschi Götz · 05.11.2018
Wie weiter mit Stuttgart 21? Bei den Demonstranten, die sich jeden Montag versammeln wie gehabt: Sie hoffen, dass ihr Protest vielleicht doch noch etwas bewirkt. Am 20. November wird sich nun das Verwaltungsgericht Mannheim mit dem Projekt beschäftigen.
"Wir haben Zähigkeit, ob es Hoffnung ist, weiß ich langsam nimmer."
So oder so ähnlich antworten viele auf die Frage, aus welchem Grund sie immer noch kommen. Immer montags treffen sie sich. Punkt 18 Uhr geht die Kundgebung los. Meist auf dem Kleinen Schlossplatz in Stuttgart, je nachdem, wo es das Stuttgarter Rathaus erlaubt.
"Tausende von uns haben sich diesem Unrecht entgegengestellt. Unsere Argumente wurden mit Pfefferspray weggesprayt", heißt es auf der Kundgebung. Tausende sind es längst nicht mehr, jetzt trifft sich nur noch der harte Kern, aber auch das sind heute immerhin noch etwa 400 Leute. Die meisten von ihnen sind seit Beginn vor acht Jahren dabei.
Fast alle haben den sogenannten Schwarzen Donnerstag im Herbst 2010 miterlebt. Bei der Räumung des Schlossgartens für das Bahnprojekt Stuttgart 21 gab es viele Verletze. Die Polizei hatte Wasserwerfer und Pfefferspray eingesetzt. Später stufte das Verwaltungsgericht Stuttgart den Polizeieinsatz als rechtswidrig ein. "Schwarzer Donnerstag – Wir vergessen nicht!" Buttons mit diesem und anderen Sprüchen gibt es bei jeder Demo zu kaufen.

Ein Murksprojekt?

"Wir wollen eben deutlich machen, dass wir das nach wie vor für ein Murksprojekt halten, und das wird seitens des Bahn auch zugestanden. Wir denken, es ist trotzdem wichtig, in der Öffentlichkeit präsent zu bleiben, weil die Bahn würde sonst die Mängel, die auftauchen mit der Neckarunterquerung auch gerne unter den Teppich kehren."
Renate Knapper um die 70 und Politologin, ist Mitglied des Demo-Teams. Das Team organisiert die allwöchentliche Montagsdemo. Heute findet die 436. statt. "Wir wollen den Protest aufrechterhalten in Stuttgart und in Baden-Württemberg und möglichst eben auch deutschlandweit."
Auf der Ladefläche eines Lastwagens spielt ein Gitarren-Geigen Duo, die Demonstranten wippen im Takt mit. Ein mit Einkaufstaschen bepacktes Paar schlängelt sich kopfschüttelnd durch die Menge. Drei junge Leute bleiben stehen, fragen nach, um was es hier eigentlich geht. "Um viel Geld für ein Wahnsinnsprojekt", sagt ein älterer Herr und eine Dame in der Nähe ergänzt: "Das Ding wird nicht weitergebaut, das Geld geht aus und die wollen ihr Gesicht nicht verlieren."
Gemeint ist die Bahn, vor allem die Bahnchefs: Von Mehdorn über Grube bis Lutz – hier in Stuttgart hat man viele Bahnchefs kommen und gehen sehen. Geblieben sind die Zahlen, die stetig steigen. Mitte der 1990er Jahre wurde das Projekt einmal mit fünf Milliarden Mark, knapp 2,6 Milliarden Euro veranschlagt. Mehrfach musste die Bahn jedoch den Kostenrahmen für das Projekt korrigieren. Im Moment liegen die geplanten Baukosten für Stuttgart 21 bei 8,2 Milliarden Euro.

Pfadabhängigkeit

Selbst einige Projektbefürworter glauben nicht mehr daran, dass auch diese Zahl zu halten ist. Die Projektgegner fühlen sich längst bestätigt: "Bis jetzt ist immer alles so gekommen, wie man es vorhergesagt hat."
"Mit dem Wissen von heute würde man das Projekt nicht mehr bauen." Das sagte der aktuelle Bahn-Vorstandschef Richard Lutz im Verkehrsausschuss des Bundestags. Doch auf die Baustellen in und um Stuttgart hat das keinen Einfluss mehr, das Projekt sei unumkehrbar heißt es.
Statt 2021 soll der Bahnhof im Jahr 2025 fertig sein. Die Projektgegner glauben auch nicht mehr an dieses Datum. Viele vom Baulärm betroffene Anwohner wünschen sich nur noch eins: Es soll endlich vorbei sein:
Was die Bahn betrifft, habe sie keine Erwartungen mehr, sagt Politologin Renate Knapper vom Demo-Team. Richtig enttäuscht sei sie nur von den Grünen in Baden-Württemberg: "Vor allem eben dass die Grünen mit dem Vorwand Volksabstimmung einfach alles niederbügeln. Zwar auch sehen, dass es ein riesen Skandal ist, hat ja auch Winfried Hermann, der Verkehrsminister gesagt, aber sagen, jetzt muss gebaut werden, der Fehler muss gemacht werden, das ist einfach nur blöd und dumm."

Hambacher Forst als Vorbild

Auch im Hambacher Forst waren einige Stuttgart 21 Gegner Anfang Oktober dabei, als das Urteil aus Münster kam. Auf der Kundgebung wird darauf verwiesen: "Zum Hambacher Forst hat das Oberlandesgericht Münster gerade noch rechtzeitig verfügt, die Fällungen im Hambacher Wald auszusetzen. Neben der heftigen Klatsche für RWE, ist eine entscheidende Begründung: "Es ist nicht gerechtfertigt, vollendete Tatsachen zu schaffen." So eine glasklare Entscheidung eines Oberlandesgerichtes wäre in Baden-Württemberg zu S21 zwingend erforderlich gewesen."
Seit über einer Stunde stehen die S21 Gegner nun schon auf dem Kleinen Schlossplatz hören zu, applaudieren und rufen immer wieder im Chor:
"Lügenpack, Lügenpack!"
In der Menge steht auch die Stuttgarter Gynäkologin Angelika Linckh. Seit Jahren zählt die Ärztin zu den aktiven Gegnerinnen des Bahnprojekts: "Ja, ich bin immer noch dabei, weil ich hoffe immer noch, dass was zu retten ist. Ich hoffe, dass der funktionierende Bahnhof zu retten ist, ich hoffe, dass unser Mineralwasser erhalten bleibt, ich hoffe, dass nicht noch mehr Geld sinnlos verpulvert wird. Wir wollen den Finger weiter in die Wunden legen, und wir wollen sie auch nicht ungeschoren davonkommen lassen."
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