Mohammed - kritisch hinterfragt
Der niederländische Islamwissenschaftler Hans Jansen schreibt seine Mohammed- Biographie aus der Perspektive eines modernen, säkularen Wissenschaftlers. Gläubige Muslime werden in ihr einen Angriff auf die Existenz des Propheten und damit den Islam selbst sehen. Denn er legt die Schwierigkeiten dar, Verlässliches über den historischen Mohammed herauszufinden.
Was wir über den historischen Mohammed wissen, ist ausgesprochen wenig. Was über sein Wirken bekannt ist, beruht - neben dem, was im Koran und den gesammelten Prophetenworten selbst berichtet wird - zum größten Teil auf den Schilderungen Ibn Ishâqs, des ersten Mohammed-Biographen aus dem Jahre 750.
Hans Jansen, Professor für islamisches Denken der Gegenwart an der Universität Utrecht, macht gleich zu Beginn seiner knapp 500 Seiten starken Mohammed- Biographie deutlich, dass er aus der Perspektive eines modernen, säkularen Wissenschaftlers schreibt:
"Wer fromm ist und gern alle traditionellen Erzählungen über Mohammed glauben möchte, sollte dieses Buch daher besser aus der Hand legen."
Zugleich aber möchte der international renommierte Islamwissenschaftler mit seiner quellenkritischen Arbeit Mohammeds Existenz als historische Figur nicht gänzlich ausschließen. "Mohammed. Eine Biographie" muss dennoch von vornherein die interessierte Leserschaft spalten. Gläubige Muslime werden nicht umhinkommen, in ihm einen Angriff auf die Existenz des Propheten und damit den Islam selbst zu lesen.
Nichtgläubige werden dem aufklärerischen Grundgestus des Werkes folgen können - und am Ende eine Antibiographie kennengelernt haben, in der alles überlieferte Wissen infrage gestellt oder gar präzise dekonstruiert ist.
Hans Jansen betont, dass über Mohammed keinerlei Berichte aus nichtislamischer Tradition vorhanden sind, und sich selbst unter diesen keine zeitgenössischen Texte zum Leben des Propheten befinden. Polemisch verweist er darauf, dass wir heute weder die Geschichte von Rotkäppchen als Wissensquelle über den Zustand des Waldes im 18. Jahrhundert nutzen, noch die Odyssee zur Erstellung nautischer Karten des Mittelmeeres.
Warum, fragt er, behandeln aber Generationen von Islamwissenschaftlern die Erzählungen Ibn Ishâqs als historische Quelle? In seiner wissenschaftskritischen und detailreichen Untersuchung zum Leben Mohammeds stellt Jansen die Schwierigkeiten dar, Verlässliches über den historischen Mohammed herauszufinden - allerdings ohne auszuschließen, dass dies in Zukunft noch gelingen möge.
Immer wieder bemüht sich der Autor, den Reichsgründer und Staatsmann Mohammed von der religiösen Figur des Propheten zu unterscheiden. Dessen Aktivitäten erklärt Jansen vor dem Hintergrund seines reichen kultur- und religionsgeschichtlichen Wissens. Das Verhalten des politischen Führers Mohammed bewertet er hingegen mit aktuellen Maßstäben. Indem er es beispielsweise in Verbindung zum Mord am Filmemacher Theo van Gogh bringt, verdeutlicht er Widersprüche zu heutigem Rechtsempfinden.
Hans Jansens Mohammed-Biographie ist auch ein Lehrbuch über das Entstehen einer Religion. Es hinterfragt vorhandene Forschungsergebnisse und führt - unter wiederholtem Bezug zur Gegenwart - in eine Epoche der Menschheitsgeschichte, die kennenzulernen sich unbedingt empfiehlt. Die mitunter flapsig formulierten Kommentare und ironischen Gegenwartsexkurse des Autors mögen manch einem politisch korrekten Leser unangemessen erscheinen. Der Lesbarkeit des Buches jedoch kommen sie zugute - und der Akribie der Argumente tun sie keinen Abbruch.
Rezensiert von Carsten Hueck
Hans Jansen: "Mohammed. Eine Biographie"
Aus dem Niederländischen von Marlene Müller-Haas.
Verlag C.H. Beck, München 2008
491 Seiten, EUR 24,90
Hans Jansen, Professor für islamisches Denken der Gegenwart an der Universität Utrecht, macht gleich zu Beginn seiner knapp 500 Seiten starken Mohammed- Biographie deutlich, dass er aus der Perspektive eines modernen, säkularen Wissenschaftlers schreibt:
"Wer fromm ist und gern alle traditionellen Erzählungen über Mohammed glauben möchte, sollte dieses Buch daher besser aus der Hand legen."
Zugleich aber möchte der international renommierte Islamwissenschaftler mit seiner quellenkritischen Arbeit Mohammeds Existenz als historische Figur nicht gänzlich ausschließen. "Mohammed. Eine Biographie" muss dennoch von vornherein die interessierte Leserschaft spalten. Gläubige Muslime werden nicht umhinkommen, in ihm einen Angriff auf die Existenz des Propheten und damit den Islam selbst zu lesen.
Nichtgläubige werden dem aufklärerischen Grundgestus des Werkes folgen können - und am Ende eine Antibiographie kennengelernt haben, in der alles überlieferte Wissen infrage gestellt oder gar präzise dekonstruiert ist.
Hans Jansen betont, dass über Mohammed keinerlei Berichte aus nichtislamischer Tradition vorhanden sind, und sich selbst unter diesen keine zeitgenössischen Texte zum Leben des Propheten befinden. Polemisch verweist er darauf, dass wir heute weder die Geschichte von Rotkäppchen als Wissensquelle über den Zustand des Waldes im 18. Jahrhundert nutzen, noch die Odyssee zur Erstellung nautischer Karten des Mittelmeeres.
Warum, fragt er, behandeln aber Generationen von Islamwissenschaftlern die Erzählungen Ibn Ishâqs als historische Quelle? In seiner wissenschaftskritischen und detailreichen Untersuchung zum Leben Mohammeds stellt Jansen die Schwierigkeiten dar, Verlässliches über den historischen Mohammed herauszufinden - allerdings ohne auszuschließen, dass dies in Zukunft noch gelingen möge.
Immer wieder bemüht sich der Autor, den Reichsgründer und Staatsmann Mohammed von der religiösen Figur des Propheten zu unterscheiden. Dessen Aktivitäten erklärt Jansen vor dem Hintergrund seines reichen kultur- und religionsgeschichtlichen Wissens. Das Verhalten des politischen Führers Mohammed bewertet er hingegen mit aktuellen Maßstäben. Indem er es beispielsweise in Verbindung zum Mord am Filmemacher Theo van Gogh bringt, verdeutlicht er Widersprüche zu heutigem Rechtsempfinden.
Hans Jansens Mohammed-Biographie ist auch ein Lehrbuch über das Entstehen einer Religion. Es hinterfragt vorhandene Forschungsergebnisse und führt - unter wiederholtem Bezug zur Gegenwart - in eine Epoche der Menschheitsgeschichte, die kennenzulernen sich unbedingt empfiehlt. Die mitunter flapsig formulierten Kommentare und ironischen Gegenwartsexkurse des Autors mögen manch einem politisch korrekten Leser unangemessen erscheinen. Der Lesbarkeit des Buches jedoch kommen sie zugute - und der Akribie der Argumente tun sie keinen Abbruch.
Rezensiert von Carsten Hueck
Hans Jansen: "Mohammed. Eine Biographie"
Aus dem Niederländischen von Marlene Müller-Haas.
Verlag C.H. Beck, München 2008
491 Seiten, EUR 24,90