Mörderisches aus Schottland
Kein Handlungsstrang ist sinnhaft und der Zufall auch kein Zufall in Caro Ramsays "Ich habe gesündigt". Das Werk ist ein weiterer Teil des Shooting-Star-Genres "Tartan Noir" - der Kriminalromane aus Schottland. Im Mittelpunkt: Ein Polizist, der den Tod seiner großen Liebe nicht verkraftet hat, und von den Morden eines Serienkiller aus der Bahn geworfen wird.
"Tartan Noir" bezeichnet nicht unbedingt ein schwarzkariertes Schottenröckchen, sondern ist einer jener Kunstbegriffe, die irgendjemand mal schnell erfindet und die dann plötzlich Karriere machen: Nachdem schottische Kriminalromane von Ian Rankin oder Val McDermid Dauerseller wurden, tauchte das Label "Tartan Noir" auf.
Aber was ist ein schottischer Kriminalroman? Muss er von einer Person schottischer Geburt geschrieben sein oder in Schottland spielen? Gehört Val McDermid, deren meisten Bücher in Manchester spielen, zum "Tartan Noir"? Die üblichen Namen, die in diesem Zusammenhang fallen, helfen auch nicht weiter: Stuart MacBride, Denise Mina, Manda Scott, Allan Guthrie, Louise Welsh – um nur einige zu nennen, deren Bücher bei uns übersetzt sind.
Gemeinsamkeiten haben sie alle nicht, weder thematisch noch ästhetisch. Man kann sie noch nicht einmal alle auf Robert Louis Stevenson zurückbeziehen, dem der Titel eines Gründungsvaters des schottischen "Noir" vermutlich gebühren würde. Und auch der große William McIlvanny wird kaum genannt. Der hat zwar mit seinen Romanen aus der Edinburgher Gangsterwelt wirklich die Grundlagen für Autoren wie Ian Rankin geschaffen, aber so genau darf man das gar nicht wissen wollen.
Jetzt also Caro Ramsay aus Glasgow, Schottland. Chiropraktikerin und Akupunkteurin, wie uns das Cover verrät - eine Information, die eine gewisse Zielgruppe - grob gesagt, Leute mit ganzheitlichen Vorstellungen - ansprechen soll. Der englische Titel "Absolution" zielt in die Richtung Dan-Brown- und Spiritual-Thriller-Fans. Der deutsche Titel "Ich habe gesündigt" weist in dieselbe rezeptionslenkende Richtung und nimmt gleich noch die Elizabeth-George-Fans und nichtkriminalliterarisch getaktet die Rosamunde-Pilcher-Gemeinde mit, die sich an dieser Art pathetisch-bedeutungswabernden Titeln seit langem erfreuen.
Für Freunde des Polizeiromans dient der Plot: Eine Sonderkommission in Glasgow ist hinter einem Serienkiller her, der aus religiösen Gründen metzelt - eher eklig und deswegen Val McDermid asoziierend -, deswegen "Kruzifix-Killer" heißt und dessen Identität für einigermaßen intelligible Leser sofort klar ist. Kruzifix plus die hohe Dichte von Priestern, die das Buch bevölkern, knüpfen an Religion-Thriller an. Die Polizeitruppe liefert den Anschluss an Ian Rankins Rebus-Romane, und schüchtern und vergeblich versucht Ramsay auch, an den bösen Humor von Stuart MacBride anzuknüpfen, der ja auch als Bestseller Formelmodell-Format hat.
Ja, und dann kommen wir ganz kurz zur Story. 1984 verliebt sich ein junger Polizist namens Alan McAlpine in eine junge Holländerin, die Opfer eines Säureattentats geworden ist und sich, um ihre gerade geborene Tochter vor üblen Schurken zu schützen, unter der Aufsicht des Jungpolizisten umbringt. Trauma!
Wir treffen ihn 2004 wieder, mit einer schicken Künstlerin verheiratet, ein erfolgreicher, als genial geltender Detective Chief Inspector, Alkoholiker und arg exzentrisch. Die Morde des Kruzifix-Killers werfen ihn aus der Bahn. Seine alte, tote Liebe hat ihn nie losgelassen und zieht ihn jetzt ins Verderben. Und weil wir in einem "Tartan Noir" sind, ist auch das Happy Ending eher eingedunkelt.
Plausibel ist an diesem Buch gar nichts. Kein Handlungsstrang ist irgendwie sinnhaft, der Zufall kein Zufall, sondern kalkuliertes Schreiben laut Creative Writing-Kurs. Faszinierend, plausibel und ganz und gar sinnhaft aber ist die Verzahnung unterschiedlichster, auf die Integration unterschiedlichster Zielgruppen erpichter Textelemente. Chapeau! Schottland und die Karos haben damit allerdings dann doch nichts zu tun.
Rezensiert von Thomas Wörtche
Caro Ramsay: Ich habe gesündigt
Übersetzt von Andreas Helwig
Roman, Blanvalet, München 2008
416 Seiten, 19,95 Euro
Aber was ist ein schottischer Kriminalroman? Muss er von einer Person schottischer Geburt geschrieben sein oder in Schottland spielen? Gehört Val McDermid, deren meisten Bücher in Manchester spielen, zum "Tartan Noir"? Die üblichen Namen, die in diesem Zusammenhang fallen, helfen auch nicht weiter: Stuart MacBride, Denise Mina, Manda Scott, Allan Guthrie, Louise Welsh – um nur einige zu nennen, deren Bücher bei uns übersetzt sind.
Gemeinsamkeiten haben sie alle nicht, weder thematisch noch ästhetisch. Man kann sie noch nicht einmal alle auf Robert Louis Stevenson zurückbeziehen, dem der Titel eines Gründungsvaters des schottischen "Noir" vermutlich gebühren würde. Und auch der große William McIlvanny wird kaum genannt. Der hat zwar mit seinen Romanen aus der Edinburgher Gangsterwelt wirklich die Grundlagen für Autoren wie Ian Rankin geschaffen, aber so genau darf man das gar nicht wissen wollen.
Jetzt also Caro Ramsay aus Glasgow, Schottland. Chiropraktikerin und Akupunkteurin, wie uns das Cover verrät - eine Information, die eine gewisse Zielgruppe - grob gesagt, Leute mit ganzheitlichen Vorstellungen - ansprechen soll. Der englische Titel "Absolution" zielt in die Richtung Dan-Brown- und Spiritual-Thriller-Fans. Der deutsche Titel "Ich habe gesündigt" weist in dieselbe rezeptionslenkende Richtung und nimmt gleich noch die Elizabeth-George-Fans und nichtkriminalliterarisch getaktet die Rosamunde-Pilcher-Gemeinde mit, die sich an dieser Art pathetisch-bedeutungswabernden Titeln seit langem erfreuen.
Für Freunde des Polizeiromans dient der Plot: Eine Sonderkommission in Glasgow ist hinter einem Serienkiller her, der aus religiösen Gründen metzelt - eher eklig und deswegen Val McDermid asoziierend -, deswegen "Kruzifix-Killer" heißt und dessen Identität für einigermaßen intelligible Leser sofort klar ist. Kruzifix plus die hohe Dichte von Priestern, die das Buch bevölkern, knüpfen an Religion-Thriller an. Die Polizeitruppe liefert den Anschluss an Ian Rankins Rebus-Romane, und schüchtern und vergeblich versucht Ramsay auch, an den bösen Humor von Stuart MacBride anzuknüpfen, der ja auch als Bestseller Formelmodell-Format hat.
Ja, und dann kommen wir ganz kurz zur Story. 1984 verliebt sich ein junger Polizist namens Alan McAlpine in eine junge Holländerin, die Opfer eines Säureattentats geworden ist und sich, um ihre gerade geborene Tochter vor üblen Schurken zu schützen, unter der Aufsicht des Jungpolizisten umbringt. Trauma!
Wir treffen ihn 2004 wieder, mit einer schicken Künstlerin verheiratet, ein erfolgreicher, als genial geltender Detective Chief Inspector, Alkoholiker und arg exzentrisch. Die Morde des Kruzifix-Killers werfen ihn aus der Bahn. Seine alte, tote Liebe hat ihn nie losgelassen und zieht ihn jetzt ins Verderben. Und weil wir in einem "Tartan Noir" sind, ist auch das Happy Ending eher eingedunkelt.
Plausibel ist an diesem Buch gar nichts. Kein Handlungsstrang ist irgendwie sinnhaft, der Zufall kein Zufall, sondern kalkuliertes Schreiben laut Creative Writing-Kurs. Faszinierend, plausibel und ganz und gar sinnhaft aber ist die Verzahnung unterschiedlichster, auf die Integration unterschiedlichster Zielgruppen erpichter Textelemente. Chapeau! Schottland und die Karos haben damit allerdings dann doch nichts zu tun.
Rezensiert von Thomas Wörtche
Caro Ramsay: Ich habe gesündigt
Übersetzt von Andreas Helwig
Roman, Blanvalet, München 2008
416 Seiten, 19,95 Euro