Mörderinnen am Ende der Welt
"Unalaska" ist eine der Aleuten-Inseln in der Bering-See zwischen Russland und Amerika, sie gehört zu Alaska, das die USA im Jahr 1867 für nur 7,2 Millionen Dollar von Zar Alexander II. kauften. Und "Unalaska" heißt auch der Debüt-Roman der Amerikanerin Cindy Dyson, den die amerikanische Presse aufs Äußerste lobt und den sie sogar mit Annie Proulx' Kultroman "Schiffsmeldungen" vergleicht - zurecht.
Der Roman ist zum Teil autobiographisch, das heißt, Cindy Dyson hat genau wie ihre Romanheldin Brandy eine Zeitlang auf Unalaska verbracht - wegen eines "Lovers" -6 und hat dort 1986 in einer Kneipe gejobbt, die auch in dem Roman eine wichtige Rolle spielt: "The Elbow Room", eine Kneipe, die das Playboy-Magazin tatsächlich zu einer der übelsten Kneipen in den ganzen USA gekürt hat.
Diese Insel am Ende der Welt -kalt, kahl, windig, ungemütlich- ist eine perfekte Kulisse, um Menschen in Grenzsituationen zu beschreiben. Da gibt es in erster Linie Fischer, die z.T. viel Geld verdienen, es aber in ihrer Freizeit in Alkohol, Drogen und Frauen umsetzen und insgeheim von der bürgerlichen Liebe und Idylle träumen: Die Milieu-Studien sind höchst authentisch, brutal und witzig; Beziehungen spielen eine Rolle, obwohl es mehr um Identitätsfindung als um die Beziehungen selbst geht.
Der Plot, der Haupt-Erzählstrang, setzt sich langsam wie ein Puzzlespiel zusammen. Aus der Szene-Schilderung wird eine Art Kriminalroman, in der die Ureinwohner der Insel eine Hauptrolle spielen. Dieser Erzählstrang beginnt als Legende im Jahr 1764, eine Saga entsteht, die sich in Episoden über zwei Jahrhunderte bis in die Jetztzeit zieht und dann plötzlich zur Realität wird: Das heißt, es gibt einen geheimen Clan einheimischer Frauen, die in Notwehrsituationen, wenn sie ihre Kinder oder die Gemeinschaft bedroht sehen, zu Mörderinnen werden.
Vier Männer werden tatsächlich umgebracht, während die Ich-Erzählerin Brandy auf Unalaska jobbt; sie löst das Geheimnis der Killerinnen und wird plötzlich zu deren Mitwisserin: Für Spannung und Gänsehaut ist bestens gesorgt.
Was diesen Roman von Cindy Dyson aber so spannend, so lesenswert, so bemerkenswert macht, das sind nicht die Gruseleffekte, sondern das ist ihr Mut, verschiedene Stilmittel miteinander zu verbinden. Wenn die Ich-Erzählerin Brandy erzählt, dann tut sie das rotzig, wild, zynisch, flippig, jung, zornig, einfach authentisch, also "kein Liebes-Gesülze" sagt Brandy einmal.
Cindy Dyson ist eine hervorragende Beobachterin der amerikanischen Gesellschaft: in dem Kapitel "nimmt sich eine Minute", in dem sie einen Vater beschreibt, der Alkoholiker geworden ist, erreicht ihre Sprache die Qualität und die literarische Tiefe von John Steinbeck.
Und in den Passagen der Killerinnen-Saga wird ihre Sprache vollkommen zeitlos, schlicht, sehr archaisch und surreal.
"Unalaska" ist ein gelungener Spagat zwischen Szene-Sprache und Shakespeares "Macbeth". Und die immer pushende Handlung macht das Buch zu dem, was man im Englischen einen "page-turner" nennt, was wir im Deutschen einen "Reißer" - honi soit qui mal y pense - nennen würden.
Rezensiert von Lutz Bunk
Cindy Dyson: "Unalaska"
Übersetzt von Barbara Schaden
Bloomsbury Berlin Verlag 2006
350 Seiten, 22.90 Euro.
Diese Insel am Ende der Welt -kalt, kahl, windig, ungemütlich- ist eine perfekte Kulisse, um Menschen in Grenzsituationen zu beschreiben. Da gibt es in erster Linie Fischer, die z.T. viel Geld verdienen, es aber in ihrer Freizeit in Alkohol, Drogen und Frauen umsetzen und insgeheim von der bürgerlichen Liebe und Idylle träumen: Die Milieu-Studien sind höchst authentisch, brutal und witzig; Beziehungen spielen eine Rolle, obwohl es mehr um Identitätsfindung als um die Beziehungen selbst geht.
Der Plot, der Haupt-Erzählstrang, setzt sich langsam wie ein Puzzlespiel zusammen. Aus der Szene-Schilderung wird eine Art Kriminalroman, in der die Ureinwohner der Insel eine Hauptrolle spielen. Dieser Erzählstrang beginnt als Legende im Jahr 1764, eine Saga entsteht, die sich in Episoden über zwei Jahrhunderte bis in die Jetztzeit zieht und dann plötzlich zur Realität wird: Das heißt, es gibt einen geheimen Clan einheimischer Frauen, die in Notwehrsituationen, wenn sie ihre Kinder oder die Gemeinschaft bedroht sehen, zu Mörderinnen werden.
Vier Männer werden tatsächlich umgebracht, während die Ich-Erzählerin Brandy auf Unalaska jobbt; sie löst das Geheimnis der Killerinnen und wird plötzlich zu deren Mitwisserin: Für Spannung und Gänsehaut ist bestens gesorgt.
Was diesen Roman von Cindy Dyson aber so spannend, so lesenswert, so bemerkenswert macht, das sind nicht die Gruseleffekte, sondern das ist ihr Mut, verschiedene Stilmittel miteinander zu verbinden. Wenn die Ich-Erzählerin Brandy erzählt, dann tut sie das rotzig, wild, zynisch, flippig, jung, zornig, einfach authentisch, also "kein Liebes-Gesülze" sagt Brandy einmal.
Cindy Dyson ist eine hervorragende Beobachterin der amerikanischen Gesellschaft: in dem Kapitel "nimmt sich eine Minute", in dem sie einen Vater beschreibt, der Alkoholiker geworden ist, erreicht ihre Sprache die Qualität und die literarische Tiefe von John Steinbeck.
Und in den Passagen der Killerinnen-Saga wird ihre Sprache vollkommen zeitlos, schlicht, sehr archaisch und surreal.
"Unalaska" ist ein gelungener Spagat zwischen Szene-Sprache und Shakespeares "Macbeth". Und die immer pushende Handlung macht das Buch zu dem, was man im Englischen einen "page-turner" nennt, was wir im Deutschen einen "Reißer" - honi soit qui mal y pense - nennen würden.
Rezensiert von Lutz Bunk
Cindy Dyson: "Unalaska"
Übersetzt von Barbara Schaden
Bloomsbury Berlin Verlag 2006
350 Seiten, 22.90 Euro.