Mönig-Raane: Insolvenzverwalter plant sechs Karstadt-Schließungen

10.11.2009
Die stellvertretende ver.di-Vorsitzende Margret Mönig-Raane rechnet damit, dass der Insolvenzverwalter der Arcandor-Gruppe heute die Schließung von sechs Karstadthäusern bekannt geben wird. Die Gewerkschaft werde eine Weiterbeschäftigung der Mitarbeiter fordern.
Jörg Degenhardt: Der Ausverkauf von Quelle läuft, das endgültige Ende des Versandhändlers ist längst besiegelt. Gewissermaßen nebenan bei der anderen Arcandor-Tochter, bei Karstadt, hoffen sie noch. Heute geht es um das Schicksal von 28.000 Beschäftigten, heute geht es auf der Gläubigerversammlung in Essen um die Zukunft der noch verbliebenen 126 Karstadt-Waren- und Sporthäuser. Immerhin: Insolvenzverwalter Klaus Hubert Görg kann wohl im operativen Geschäft schwarze Zahlen präsentieren. Zudem hatte er sich mit der Gewerkschaft ver.di auf einen Sanierungsvertrag geeinigt.

Am Telefon von Deutschlandradio Kultur begrüße ich jetzt die stellvertretende ver.di-Vorsitzende Margret Mönig-Raane. Guten Morgen!

Margret Mönig-Raane: Guten Morgen!

Degenhardt: Wir haben es gehört: Der Insolvenzverwalter will heute den Gläubigern das Angebot unterbreiten, die Waren- und Sporthäuser als Ganzes über ein Insolvenzplanverfahren zu sanieren, also dass nicht ein einziges geschlossen werden muss. Ist das aus Ihrer Sicht realistisch?

Mönig-Raane: Dass nicht ein einziges geschlossen werden muss, ist leider wohl nicht der Fall. Er hat ja angekündigt, diese 17 zu überprüfen, und er wird wohl auch heute schon sechs bekannt geben, die auf jeden Fall geschlossen werden. Das muss man abwarten, was er da genau macht. Ansonsten halte ich das für realistisch, ja.

Degenhardt: Steht dahinter auch die Erkenntnis, dass Karstadt ja schon mit seinen Lieferanten Verträge für das Sommergeschäft 2010 abgeschlossen hat und heute werden schwarze Zahlen präsentiert? Das sind doch eigentlich insgesamt gute Zeichen.

Mönig-Raane: Ja. Ich denke auch, wenn die Lieferanten nicht die Perspektive hätten, dass es gut weitergeht, hätten sie solche Verträge nicht abgeschlossen. Das sind in der Tat gute Zeichen und ich hoffe sehr, dass der Insolvenzplan bald von einer Gläubigerversammlung verabschiedet wird und dass dann auch die Verhandlungen mit den Investoren zügig laufen. Der Plan ist ja, dass Karstadt sozusagen schuldenfrei aus der Insolvenz rausgeht und dann verkauft wird. Dann hat natürlich der Insolvenzverwalter andere Möglichkeiten, vielleicht auch einen höheren Kaufpreis zu erzielen, als wenn er ein Unternehmen in der Insolvenz verkauft, wo möglich sogar nur Teile verkauft.

Degenhardt: Was wissen Sie denn eigentlich über mögliche Karstadt-Käufer? Rivale Metro kann es ja nicht sein, der will ja nur einzelne Häuser.

Mönig-Raane: Dieser Prozess, der ist noch etwas intransparent. Wir wissen, dass es eine Hand voll auch seriöser Interessenten gibt, aber Genaueres wissen wir nicht und hoffen, dass mit der Gläubigerversammlung heute der Startschuss gegeben wird, dass da mehr Tempo und mehr Klarheit reinkommt.

Degenhardt: Haben Sie denn eigentlich so etwas wie einen Plan B für den Fall vorbereitet, dass tatsächlich 17 Waren- und Sporthäuser im ungünstigsten Fall von einer Schließung betroffen sein könnten?

Mönig-Raane: Das Problem ist, dass in einer Insolvenz mit Schließungen leider realistischerweise gerechnet werden muss. Das hat man ja gesehen, wie es bei Quelle abgegangen ist. Das ist dramatisch, das ist furchtbar und da haben wir uns vorgenommen, dass für den Fall, dass von den 17 Häusern wirklich eine größere Zahl geschlossen werden sollte, oder auch wenn nur zwei geschlossen würden, wir vom Insolvenzverwalter verlangen, dass Karstadt sich bemühen muss, die Beschäftigten in anderen Häusern weiter zu beschäftigen, damit möglichst niemand arbeitslos wird dadurch.

Degenhardt: Ist das realistisch, dass dann wirklich niemand in den saueren Apfel beißen muss, oder ist das jetzt nicht doch reines Wunschdenken?

Mönig-Raane: Das wissen wir nicht. Das hängt ja davon ab, welche Häuser sind das, wo liegen die, welche Standorte liegen in der Nähe, können die das. All diese Fragen kann man erst wirklich beantworten, wenn man weiß, was genau hat der Insolvenzverwalter vor.

Degenhardt: Erst im Vorjahr hatte ja die Karstadt-Belegschaft einen weiteren Sanierungstarifvertrag für das seit Jahren angeschlagene Unternehmen akzeptiert. Jetzt sind Sie der Arbeitgeberseite neulich entgegengekommen. Wie weit können Sie denn noch gehen? Ist das jetzt sozusagen die Schmerzgrenze mit dem neulichen Angebot?

Mönig-Raane: Ja, das ist es. Wir haben das lange diskutiert, weil es natürlich auch Stimmen gab zu sagen, jetzt haben wir das schon zweimal gemacht, um die Insolvenz zu verhindern, das hat nicht funktioniert, sollen wir das wirklich jetzt noch mal machen. Nach sehr gründlicher Diskussion und Abwägen von Chancen und Risiken gibt es eine sehr große Mehrheit in der Belegschaft und bei unseren Mitgliedern, die sagen, ja, wir machen das noch mal, und zwar in dem Umfang, wie wir das ungefähr im letzten Jahr beim zweiten Sanierungstarifvertrag gemacht hatten.

Degenhardt: Die Gewerkschaften haben also ihren Teil zur Sanierung geleistet. Was konkret, Frau Mönig-Raane, erwarten Sie denn jetzt von den anderen, konkret von Vermietern, Dienstleistern und Lieferanten?

Mönig-Raane: Insbesondere von den Vermietern und da noch mal ganz besonders von der Esch-Gruppe, von der man ja weiß, dass sie Mieten verlangt, die kein gesundes Haus ertragen kann und schon gar nicht Häuser, die wieder auf dem Weg sind, in schwarze Zahlen zu kommen, dass sie hier kooperativ sind und deutlich mit ihren Mieten runtergehen.

Degenhardt: Um Opel wird derzeit in der Politik nach wie vor viel Aufhebens gemacht. Karstadt kommt eher am Rande vor. Stört Sie das eigentlich?

Mönig-Raane: Damals, als entschieden wurde, dass es keine Staatsbürgschaft für Arcandor gab (damals dann Quelle und Karstadt), waren wir schon sehr enttäuscht und fühlten, die Beschäftigten, aber wir auch, dass hier mit zweierlei Maß gemessen wird. Diese Insolvenz und Liquidation vor allen Dingen bei Quelle hätte nach meiner Überzeugung so nicht sein müssen. Nun ist es passiert und es ist aufzuarbeiten, unter welchen unterschiedlichen Bedingungen die Entscheidung bei Opel und bei Arcandor gelaufen ist und ob sie richtig war.

Degenhardt: Hinter der Rettung der Karstadt-Kaufhäuser steht noch ein dickes Fragezeichen. Vielen Dank für das Gespräch. – Am Telefon war die stellvertretende ver.di-Vorsitzende Margret Mönig-Raane. Ihnen einen schönen Tag!

Mönig-Raane: Danke! Auf Wiederhören.