Mönch, Agent und Schotte

Siegfried Tesche im Gespräch mit Katrin Heise · 25.08.2010
Sean Connery war schon immer viel mehr als James Bond - ein herausragender Charakterdarsteller in vielen Filmen. Heute wird er 80. Sein Biograf Siegfried Tesche hat ihn als akribischen, engagierten und höflichen Menschen erlebt.
Katrin Heise: Der schottische Schauspieler Sean Connery wird heute 80 Jahre alt – man glaubt es ja kaum. Feiern wird er auf den Bahamas, und so stellt man sich eine Geburtstagsfeier von Sean Connery ja irgendwie auch vor, auf den Bahamas, auf dem Golfplatz.

Sie waren ihm also zu eindimensional, die James-Bond-Filme, beziehungsweise: Zu eindimensional war ihm 007, der Charakter von 007. Ich begrüße jetzt den Connery-Biografen Siegfried Tesche. Schönen guten Tag, Herr Tesche!

Siegfried Tesche: Guten Tag, Frau Heise!

Heise: Aber er hat ihn doch toll gespielt, diesen smarten James Bond, und er war ja auch großartig darin, oder?

Tesche: Ja, das muss man auf jeden Fall sagen. Es ist übrigens nicht der einzige Vorbehalt gewesen, der ihn quasi gestört hat bei der Rolle. Auch ein ganz anderer, wichtiger Punkt ist, dass die Dreharbeiten und die ganze Zeit, die das Ganze gekostet hat, immer wieder aufwändiger wurden. Also wenn Sie bedenken, dass also "Dr. No", der allererste Film, 1962, in vier, fünf Wochen in Jamaika und in London abgedreht wurde, und dann der letzte "Man lebt nur zweimal", also diese Fünf-Filme-Reihe, die er zuerst gemacht hat, dann schon vier, fünf Monate gedauert hat, dann ist das natürlich sehr, sehr viel zeitaufwändiger, und das lag auch daran, dass es immer mehr Konkurrenz gab. Es gab andere Spionagefilme, die eben auch quasi von dem Interesse an dieser James-Bond-Welle profitieren wollten, und das hat Connery gestört. Er war dann immer so und so lange festgelegt auf diese Rolle, musste so lange an den Filmen arbeiten, hatte nicht die Zeit, andere Projekte zu machen.

Heise: Aber eine Diva war er nicht, oder doch?

Tesche: Nein, das kann man wirklich nicht sagen. Also er war immer pünktlich, er ist auch sehr dafür bekannt, dass er nicht nur seinen Text gut kennt, sondern auch den Text seiner Partner, und also wirklich die Drehbücher vorwärts und rückwärts kennt und auch mit allen Partnern meistens vorher übt oder Proben macht. Oder er hat manchmal auch gesagt, okay, wenn wir anfangen zu arbeiten, treffen wir uns zwei Wochen vorher in dem und dem Studio, und dann proben wir erst mal und gehen die ganzen Texte durch und machen erst mal dieses Lesen, und dann fangen wir an zu arbeiten und zu drehen.

Heise: Das kann aber doch auch sehr unangenehm sein, oder? So ein bisschen so einer, der so alle Fäden in der Hand halten will – war er beliebt, ist er beliebt unter Kollegen?

Tesche: Ja, er ist sehr beliebt unter Kollegen. Er ist nur nicht beliebt bei den Leuten, die quasi, sagen wir mal, 50 Prozent bieten und nicht 110, wie er selber.

Heise: Welche Rollen haben ihn eigentlich mehr gefordert als der James Bond, wo konnte er mehr Charakter zeigen?

Tesche: Also sehr viel Charakter zeigen konnte er bei einigen Sachen, die inzwischen Klassiker geworden sind, die aber damals keiner so richtig im Kino sehen wollte. Das muss man deutlich sagen. Es gab 1965 zum Beispiel einen Film, der hieß "The Hill" im Original, in Deutschland "Ein Haufen toller Hunde", da hat er einen degradierten Soldaten gespielt, der immer wieder mit anderen zusammen über einen staubigen Hügel in Afrika gescheucht wurde. Oder es gab in den 70-ern einen Film, der hieß "Der Wind und der Löwe", der war … er spielte einen Berberfürsten aus Marokko, der sich mit dem amerikanischen Präsidenten Theodore Roosevelt anlegt, mit Vollbart, mit Turban und mit ehernen Grundsätzen und Einstellungen, der dann auch mal Leuten den Kopf abhackt und dann die Dame zum Schach bittet danach. Also solche Sachen, die haben natürlich ein ganz anderes Bild von Sean Connery vermittelt als des smarten Geheimagenten, der eben so weltbekannt geworden ist.

Heise: Kam es ihm eigentlich auch auf Inhalte an? Weil das klingt ja doch alles sehr nach Abenteuer auch.

Tesche: Ja, das stimmt, das müsste man schon sagen, es gab so eine Phase in den 70er-Jahren speziell, da hat er eine Reihe von Abenteuerfilmen gedreht, also "Robin and Marian", da ging es so um den letzten Kampf zwischen Robin Hood und dem Sheriff von Nottingham, und noch eine Liebesgeschichte mit Marian, aber es gab auch ganz, ganz andere, die eben auch bei uns nicht so bekannt geworden sind, wo er zum Beispiel bei dem Film "Highlander" da einen spanischen Edelmann gespielt hat und mit so einer kleinen Nebenrolle quasi den ganzen Film gerettet hat.

Heise: Ja. Richtiger Kassenschlager war dann "Der Name der Rose". Er spielt den detektivischen Mönch William von Baskerville ganz großartig. Was hat ihm eigentlich an dieser Rolle gefallen, was hat ihn da gereizt?

Tesche: Also es hat ihm sehr gefallen, dass der Film akribisch vorbereitet worden war aufgrund von Bernd Eichingers Recherchen, aufgrund von Umberto Eco, den er kannte und den er schätzte und aufgrund von Jean-Jacques Annaud. Die haben sich aber durchaus am Set auch mal in die Wolle gekriegt, das habe ich also mitbekommen, weil Jean-Jacques Annaud darauf bestand, dass das alles authentisch ist, und der Film wurde ja zum großen Teil während des schlechten Wetters und in der Winterphase gedreht. Und Annaud hat nun gesagt, okay, die Mönche haben da wenig getragen außer eben dieser Kutte, und sind da eben in diesen Sandalen herumgelaufen. Da sagt er, okay, wenn jetzt meine Kamera jetzt nicht direkt auf meine Füße gerichtet ist, dann kann ich mir durchaus Socken anziehen, und Annaud hat gesagt, nein, du musst hier leiden, du musst hier ohne Socken herumlaufen. Und das hat ihn ein bisschen gewurmt und dann sind sie mal aneinandergeraten. Auf der anderen Seite hat er das aber auch dann sehr geschätzt, dass sich ein Regisseur durchsetzt und sich nichts sagen lässt.

Heise: Anlässlich seines 80. Geburtstages spreche ich über Sean Connery, und zwar mit seinem Biografen Siegfried Tesche. Herr Tesche, Sie haben es ja gerade gesagt, Sie haben ihn getroffen, Sean Connery, ein paar Mal. Was macht für Sie Sean Connery aus, der ja Männer und Frauen beeindruckt? Es sind ja nicht nur Frauen, die dahinschmelzen.

Tesche: Mich hat auf jeden Fall sehr beeindruckt, dass der Mann sich erst mal vorstellt beim Gespräch, also er kommt auf einen drauf zu und sagt, guten Tag, mein Name ist Sean Connery. Das ist jetzt erst mal nicht selbstverständlich, weil ich habe sehr viel mit Schauspielern und Regisseuren zu tun, da gibt es noch einen großen Posten von Leuten, die noch nicht mal aufstehen, die einfach sitzenbleiben und unhöflich sind. Dann kommt dazu, dass er wirklich sehr, sehr ernsthaft zuhört, dass er auch gerne ein bisschen ironisch ist und dass er jede Frage ernst nimmt und sie versucht, so … und sei sie noch so albern, noch so doof, muss man ja auch mal leider sagen, dass er trotzdem in der Lage ist, das irgendwie sachlich oder hier und da auch ein bisschen ironisch und herzhaft, lustig auch zu beantworten. Es ist also wirklich auch ein charmant-witziger Mensch, das muss man, glaube ich, so sagen, und viele haben auch seinen schwarzen Humor immer sehr gemocht.

Und zum Beispiel, vielleicht erinnern Sie sich an einen der ersten James-Bond-Filme, "Dr. No", da gibt es eine Szene, wo er von einem Leichenwagen verfolgt wird, da gibt es eine Autoverfolgungsjagd in Jamaika, in den Bergen, und er ist da in so einem kleinen Sunbeam Alpine, so einen offenen blauen Cabriolet unterwegs, und der Leichenwagen ist hinter ihm her. So, und der stürzt dann ab und rauscht dann irgendwie den Berg herunter und man weiß genau, die haben ihr Ziel verfehlt, den Mann umzubringen, und dann steigt er aus dem Wagen aus, steht oben an der Klippe und sagt: Na ja, vielleicht waren sie auf dem Weg zu ihrer eigenen Beerdigung. Und das ist ein Text, der ist von Sean Connery. Und viele dieser Sachen, dieser Preziosen, sage ich mal, dieser Oneliner, die sind in die Filme eingeflossen, weil er einfach den entsprechenden Humor dazu hat.

Heise: Na, und dass er sich das auch eben leisten konnte, so ein Drehbuch mal eben wahrscheinlich dann so umzustellen. Jenseits des Films war und ist ja seine Heimat Schottland immer so seine größte Leidenschaft gewesen. Für seine Verdienste schlug ihn Königin Elisabeth II. ja im Jahr 2000 zum Ritter. Was hat Connery eigentlich mit seinem Namen und mit seiner Stiftung für Schottland bewirkt?

Tesche: Also er hat direkt nach den Dreharbeiten des Films "Diamantenfieber", das war 1971, hat er eine Stiftung gegründet, die nennt sich "Scottish Educational International Trust". Und da hat er seine komplette Gage von "Diamantenfieber", 1,25 Millionen Dollar immerhin, dort eingebracht, hat andere bekannte Schotten wie zum Beispiel Jackie Stewart, den Rennfahrer, und andere, Verleger und so weiter, auch dafür gewonnen. Alle arbeiten für diesen Trust, kriegen kein Gehalt, kriegen keine Spesen und keine Sitzungsgelder, und hat damit zum Beispiel Universitätsprofessoren gelockt an die Universitäten in Schottland, in Edinburgh und in Glasgow, und die haben sozusagen das Geld genommen und haben davon angefangen, Leute zu unterrichten. Und dafür hat er dann früher oder später zwei Ehrendoktortitel bekommen, ich meine, ein Mann, der mit 14 die Schule verlässt und zwei Mal Ehrendoktor ist, das hat ja schon mal was. Also das heißt, das … Education, sagt er immer, ist ihm ganz wichtig, weil er selber eben auch nie eine Ausbildung genossen hat.

Heise: Seine Autobiografie vor zwei Jahren, die trägt ja den Titel "Being a Scot". Was macht es für Connery eigentlich aus, ein Schotte zu sein?

Tesche: Ja, es macht ihm sehr, sehr viel aus. Er ist derjenige, der quasi Schottland versucht, nach außen zu repräsentieren und bekannt zu machen, und natürlich kämpft er auch dafür, sich vom Britischen Königreich abzuspalten, also eine eigene Regierung, ein eigenes Parlament zu haben und so weiter, er unterstützt die Scottish National Party, die dortige Partei, mit 8000 Pfund im Monat immerhin, eine erkleckliche Summe, und er ist auch derjenige, der zum Beispiel Journalisten nach Schottland gebracht hat, als da ein Film "Verlockende Falle" mit Cathrin Zeta Jones gedreht wurde, um ihnen zu zeigen, wie sieht Schottland heute aus, was hat man da für Möglichkeiten? Und viele Amerikaner, die zum Beispiel bei dieser Reise dabei waren, waren also total überrascht, weil sie Schottland selber überhaupt nicht präsent hatten. Er hat sich ja auch mal darum bemüht, ein eigenes Filmstudio dort aufzubauen, aber mit den Plänen ist er gescheitert.

Heise: Ist es das, ist es diese Arbeit, die er jetzt macht, nachdem er nicht mehr filmt, oder wie verbringt er seinen Ruhestand?

Tesche: Ja, da gibt es mehrere Sachen, die er gemacht hat oder immer noch macht. Er hat an einer Dokumentation über Schottland gearbeitet, an einer mehrteiligen, hat vor Jahren schon mal eine Dokumentation gedreht, und zwar war das für das Fremdenverkehrsbüro in Edinburgh, das heißt: "Sean Connerys Edinburgh" und das ist auch sehr, sehr ironisch, weil er zum Beispiel sich dort auf die Wege macht, die er als kleiner Junge mal zurückgelegt hat. Also gibt es zum Beispiel Szenen, wo er mit einem Gaul und einem Wagen die Milch ausfährt, und das ist etwas, was er gemacht hat ab dem neunten Lebensjahr, um sich seinen Lebensunterhalt zu verdienen und die Familie zu unterstützen. Und da ist er unter anderem auch im Fettes College gewesen. Das Fettes College ist in der Hinsicht interessant, weil Ian Fleming, der Erfinder von James Bond, damals James Bond zum Fettes Collage geschickt hat.

Heise: Und so schließen sich die Kreise.

Tesche: Und so schließt sich der Kreis, genau.

Heise: Der Journalist Siegfried Tesche über Sean Connery, der heute seinen 80. Geburtstag feiert. Danke, Herr Tesche, für dieses Gespräch!

Tesche: Danke Ihnen, Frau Heise!

Heise: Siegfried Tesches Biografie über Sean Connery erschien übrigens im Henschel Verlag.
Sean Connery und "Bond-Girl" Luciana Paoluzzi bei Dreharbeiten zu "Thunderball"
Sean Connery und "Bond-Girl" Luciana Paoluzzi 1964 bei Dreharbeiten zu "Thunderball"© AP Archiv
Mehr zum Thema