Möllenberg: Forderungen der Arbeitgeber sind "billiges Ablenkungsmanöver"
Forderungen nach einer Kürzung der Lehrlingsvergütung und nach flexibleren Arbeitszeiten für Auszubildende hat der Vorsitzende der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG), Franz-Josef Möllenberg, scharf kritisiert.
Kolkmann: Chef der Gewerkschaft "Nahrung, Genuss, Gaststätten". Einen schönen guten Morgen, Herr Franz-Josef Möllenberg.
Möllenberg: Guten Morgen.
Kolkmann: Herr Möllenberg, ob beim Bäcker oder in der Restaurantküche: Wünschen Sie sich auch flexiblere Arbeitszeiten und Löhne für Azubis?
Möllenberg: Flexible Arbeitszeiten haben wir. Nur Auszubildende sollen ausgebildet werden. Die sollen, ich sage das jetzt mal so, nicht arbeiten, sondern sie müssen eine qualifizierte Ausbildung bekommen. Und das hat mit flexiblen Arbeitszeiten überhaupt nichts zu tun. Und das, was zurzeit geschieht, ist ein billiges Ablenkungsmanöver, dass man die Ausbildungsvergütung absenken will.
Kolkmann: Nun geht es ja zum Beispiel bei den Auszubildenden im Bäckereihandwerk darum, dass noch ganz junge Auszubildende nicht sehr früh anfangen können, und das muss ein Bäcker aber. Das hat dann zur Folge, dass die am Ende nur noch die Backstube ausfegen. Ist denn das gewollt in der Ausbildung?
Möllenberg: Das könnte die Folge sein. Und das ist auch ein schönes Beispiel, das Bäckerhandwerk. Im Bäckerhandwerk gibt es einen speziellen Tarifvertrag über Ausbildungsvergütungen, den wir mit dem Zentralverband des Deutschen Bäckerhandwerks haben. Dieser Tarifvertrag ist allgemein verbindlich. Der gilt für Gesamtdeutschland, differenziert noch nach Ost- und nach Westdeutschland.
Die Höhe der Ausbildungsvergütung ist in den letzten vier Jahren nicht erhöht worden. Wir haben es immer wieder gefordert. Aber Sie wissen, Auszubildende dürfen nicht streiken. Also sind unsere Möglichkeit, für Auszubildende in dieser speziellen Frage etwas zu tun, beschränkt. Und die Arbeitgeber im Bäckerhandwerk sitzen auf einem sehr arroganten hohen Ross und lehnen sich zurück und sagen, es gibt genügend Nachfrage, es gibt genügend Bewerberinnen und Bewerber, es gibt keine Notwendigkeit aus deren Sicht, die Ausbildungsvergütung zu erhöhen. Und obwohl dieser Zustand jetzt seit vier Jahren da ist, gibt es nicht mehr Ausbildungsplätze. Das ist alles dummes Zeug, was da teilweise erzählt wird.
Kolkmann: Sind denn in Ihrem Bereich alle Lehrstellen besetzt?
Möllenberg: Fast alle. Wir haben erfreuliche Fortschritte in Spezialberufen, wie Fachkraft für Lebensmitteltechnik. Dort haben wir auch mit den Arbeitgebern gute gemeinsame Anstrengungen unternommen, leider noch nicht genug, wie wir meinen. Also, wir könnten hier noch ganz viel mehr Ausbildungsplätze schaffen. Es gibt auch Probleme in so anrüchigen Berufen wie Fleischerin oder Fleischer. Dort haben wir Probleme, weil viele das Vorurteil haben, dass sei blutrünstig, was dort stattfindet. Aber es sind auch hochqualifizierte Arbeitsplätze, die letztendlich dort zu besetzen sind in Zukunft.
Aber der entscheidende Punkt ist, es gibt leider auch Unternehmen, die zu viel ausbilden. Das mag sich jetzt merkwürdig anhören, wenn ich das sage. Aber beispielsweise im Hotel- und Gaststättengewerbe hat man manchmal den Eindruck, dass einige Betriebe mehr Auszubildende beschäftigen als tatsächliche Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, und dort die billige Arbeitskraft gesucht wird.
Kolkmann: Das soll es ja gerade nicht sein, Sie hatten es ja am Anfang betont. Hat sich denn in dem Bereich auch bei Ihnen die Aufhebung des Meisterzwanges negativ ausgewirkt?
Möllenberg: Nein, das kann man nicht sagen. Was sich allerdings negativ ausgewirkt hat: Wir haben eine alte gewerkschaftliche Forderung nach der Ausbildungsplatzumlage. Wir haben immer gesagt, die Betriebe, die ausbilden, die sollen belohnt werden. Und diejenigen, die sich der Ausbildungsverpflichtung, dieser gesellschaftspolitischen Verantwortung entziehen, die sollen letztendlich zahlen. Wir hatten Anfang letzten Jahres die Bundesregierung - das war ja auch Bestandteil der Agenda 2010 von Gerhard Schröder - soweit, dass diese Ausbildungsplatzumlage kommen soll. Dann hat die Wirtschaft freiwillig klein beigegeben und hat gesagt, wir machen einen Ausbildungspakt.
Jetzt lässt die Wirtschaft die Bundesregierung und vor allen Dingen die jungen Menschen im Regen stehen. 170.000 sind noch unversorgt. Und hier muss dringend etwas geschehen, damit wir letztendlich diesen jungen Menschen eine Perspektive geben können. Und von daher brauchen wir die Ausbildungsplatzumlage auch in Zukunft, wenn die Arbeitgeber nicht bereit sind, auszubilden.
Kolkmann: Stichwort Perspektiven für junge Leute. Wie sehen die aus, auch gerade, wenn Sie noch mal auf Ihren Bereich gehen "Nahrung, Genuss, Gaststätten", was die Konkurrenz aus den neuen Mitgliedländern der EU angeht?
Möllenberg: Ich glaube, dass die Stärke, die Deutschland ausgemacht hat, die unsere Volkswirtschaft ausgemacht hat über viele Jahre, ist vor allen Dingen das Know-how, die Qualifikation der Menschen und natürlich die Motivation. Wenn ich einem jungen Menschen heute keine Perspektive gebe, ihm noch nicht einmal eine Ausbildungschance gebe, wo soll da die Motivation herkommen, von der Qualifikation mal ganz zu schweigen. Ich glaube, hier ist nach wie vor eine große, gemeinsame Anstrengung notwendig, um den jungen Menschen letztendlich eine Chance zu geben.
Wie gesagt, wenn die Wirtschaft alleine nicht in der Lage ist, dann muss der Gesetzgeber nachhelfen. Hier lässt die Wirtschaft im Moment die Politik hängen. Von daher, was diese Konkurrenzsituation angeht, von der Sie sprechen, die sehe ich nicht. Aber wichtig ist, wir müssen ausgebildete, gut ausgebildete junge Menschen auch in Zukunft haben.
Und die Arbeitgeber wissen, welche demographischen Zwänge auf uns zukommen. In zwei, drei, vier Jahren hat sich das Bild total gewandelt, dann werden zu wenig junge Menschen da sein, um Ausbildungsplätze besetzen zu können. Aber die Menschen, die heute einen Ausbildungsplatz suchen und auch im nächsten Jahr, die sind schon geboren, das wissen wir sehr genau, und da muss schleunigst etwas getan werden.
Kolkmann: Zur Diskussion um die Lehrstellenlücke war das der Chef der Gewerkschaft "Nahrung, Genuss, Gaststätten", Franz-Josef Möllenberg. Ich danke Ihnen.
Möllenberg: Guten Morgen.
Kolkmann: Herr Möllenberg, ob beim Bäcker oder in der Restaurantküche: Wünschen Sie sich auch flexiblere Arbeitszeiten und Löhne für Azubis?
Möllenberg: Flexible Arbeitszeiten haben wir. Nur Auszubildende sollen ausgebildet werden. Die sollen, ich sage das jetzt mal so, nicht arbeiten, sondern sie müssen eine qualifizierte Ausbildung bekommen. Und das hat mit flexiblen Arbeitszeiten überhaupt nichts zu tun. Und das, was zurzeit geschieht, ist ein billiges Ablenkungsmanöver, dass man die Ausbildungsvergütung absenken will.
Kolkmann: Nun geht es ja zum Beispiel bei den Auszubildenden im Bäckereihandwerk darum, dass noch ganz junge Auszubildende nicht sehr früh anfangen können, und das muss ein Bäcker aber. Das hat dann zur Folge, dass die am Ende nur noch die Backstube ausfegen. Ist denn das gewollt in der Ausbildung?
Möllenberg: Das könnte die Folge sein. Und das ist auch ein schönes Beispiel, das Bäckerhandwerk. Im Bäckerhandwerk gibt es einen speziellen Tarifvertrag über Ausbildungsvergütungen, den wir mit dem Zentralverband des Deutschen Bäckerhandwerks haben. Dieser Tarifvertrag ist allgemein verbindlich. Der gilt für Gesamtdeutschland, differenziert noch nach Ost- und nach Westdeutschland.
Die Höhe der Ausbildungsvergütung ist in den letzten vier Jahren nicht erhöht worden. Wir haben es immer wieder gefordert. Aber Sie wissen, Auszubildende dürfen nicht streiken. Also sind unsere Möglichkeit, für Auszubildende in dieser speziellen Frage etwas zu tun, beschränkt. Und die Arbeitgeber im Bäckerhandwerk sitzen auf einem sehr arroganten hohen Ross und lehnen sich zurück und sagen, es gibt genügend Nachfrage, es gibt genügend Bewerberinnen und Bewerber, es gibt keine Notwendigkeit aus deren Sicht, die Ausbildungsvergütung zu erhöhen. Und obwohl dieser Zustand jetzt seit vier Jahren da ist, gibt es nicht mehr Ausbildungsplätze. Das ist alles dummes Zeug, was da teilweise erzählt wird.
Kolkmann: Sind denn in Ihrem Bereich alle Lehrstellen besetzt?
Möllenberg: Fast alle. Wir haben erfreuliche Fortschritte in Spezialberufen, wie Fachkraft für Lebensmitteltechnik. Dort haben wir auch mit den Arbeitgebern gute gemeinsame Anstrengungen unternommen, leider noch nicht genug, wie wir meinen. Also, wir könnten hier noch ganz viel mehr Ausbildungsplätze schaffen. Es gibt auch Probleme in so anrüchigen Berufen wie Fleischerin oder Fleischer. Dort haben wir Probleme, weil viele das Vorurteil haben, dass sei blutrünstig, was dort stattfindet. Aber es sind auch hochqualifizierte Arbeitsplätze, die letztendlich dort zu besetzen sind in Zukunft.
Aber der entscheidende Punkt ist, es gibt leider auch Unternehmen, die zu viel ausbilden. Das mag sich jetzt merkwürdig anhören, wenn ich das sage. Aber beispielsweise im Hotel- und Gaststättengewerbe hat man manchmal den Eindruck, dass einige Betriebe mehr Auszubildende beschäftigen als tatsächliche Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, und dort die billige Arbeitskraft gesucht wird.
Kolkmann: Das soll es ja gerade nicht sein, Sie hatten es ja am Anfang betont. Hat sich denn in dem Bereich auch bei Ihnen die Aufhebung des Meisterzwanges negativ ausgewirkt?
Möllenberg: Nein, das kann man nicht sagen. Was sich allerdings negativ ausgewirkt hat: Wir haben eine alte gewerkschaftliche Forderung nach der Ausbildungsplatzumlage. Wir haben immer gesagt, die Betriebe, die ausbilden, die sollen belohnt werden. Und diejenigen, die sich der Ausbildungsverpflichtung, dieser gesellschaftspolitischen Verantwortung entziehen, die sollen letztendlich zahlen. Wir hatten Anfang letzten Jahres die Bundesregierung - das war ja auch Bestandteil der Agenda 2010 von Gerhard Schröder - soweit, dass diese Ausbildungsplatzumlage kommen soll. Dann hat die Wirtschaft freiwillig klein beigegeben und hat gesagt, wir machen einen Ausbildungspakt.
Jetzt lässt die Wirtschaft die Bundesregierung und vor allen Dingen die jungen Menschen im Regen stehen. 170.000 sind noch unversorgt. Und hier muss dringend etwas geschehen, damit wir letztendlich diesen jungen Menschen eine Perspektive geben können. Und von daher brauchen wir die Ausbildungsplatzumlage auch in Zukunft, wenn die Arbeitgeber nicht bereit sind, auszubilden.
Kolkmann: Stichwort Perspektiven für junge Leute. Wie sehen die aus, auch gerade, wenn Sie noch mal auf Ihren Bereich gehen "Nahrung, Genuss, Gaststätten", was die Konkurrenz aus den neuen Mitgliedländern der EU angeht?
Möllenberg: Ich glaube, dass die Stärke, die Deutschland ausgemacht hat, die unsere Volkswirtschaft ausgemacht hat über viele Jahre, ist vor allen Dingen das Know-how, die Qualifikation der Menschen und natürlich die Motivation. Wenn ich einem jungen Menschen heute keine Perspektive gebe, ihm noch nicht einmal eine Ausbildungschance gebe, wo soll da die Motivation herkommen, von der Qualifikation mal ganz zu schweigen. Ich glaube, hier ist nach wie vor eine große, gemeinsame Anstrengung notwendig, um den jungen Menschen letztendlich eine Chance zu geben.
Wie gesagt, wenn die Wirtschaft alleine nicht in der Lage ist, dann muss der Gesetzgeber nachhelfen. Hier lässt die Wirtschaft im Moment die Politik hängen. Von daher, was diese Konkurrenzsituation angeht, von der Sie sprechen, die sehe ich nicht. Aber wichtig ist, wir müssen ausgebildete, gut ausgebildete junge Menschen auch in Zukunft haben.
Und die Arbeitgeber wissen, welche demographischen Zwänge auf uns zukommen. In zwei, drei, vier Jahren hat sich das Bild total gewandelt, dann werden zu wenig junge Menschen da sein, um Ausbildungsplätze besetzen zu können. Aber die Menschen, die heute einen Ausbildungsplatz suchen und auch im nächsten Jahr, die sind schon geboren, das wissen wir sehr genau, und da muss schleunigst etwas getan werden.
Kolkmann: Zur Diskussion um die Lehrstellenlücke war das der Chef der Gewerkschaft "Nahrung, Genuss, Gaststätten", Franz-Josef Möllenberg. Ich danke Ihnen.