Mögliche Anschläge in Berlin

Wie gefährlich sind die Funklöcher bei der Polizei?

Ein Polizist sichert am 26.07.2016 den Zugang zum Benjamin-Franklin-Krankenhaus in Berlin. Nach Schüssen eines Patienten auf einen Arzt in dem Krankenhaus ist der Mediziner gestorben. Foto: Wolfgang Kumm/dpa |
Im Gebäude des Benjamin-Franklin-Krankenhauses hatte die Polizei am 26.07.2016 keine Funkverbindung. Ein Patient hatte dort seinen Arzt erschossen. © picture alliance / dpa / Wolfgang Kumm
Von Anja Nehls · 29.07.2016
Vor Kurzem erschoss in einem Berliner Krankenhaus ein Patient seinen Arzt. Das Großaufgebot der Polizei hatte aber im Gebäude keine Funkverbindung. Es gebe große Probleme beim Polizeifunk, heißt es. Und das in der Hauptstadt, die als potenzielles Anschlagsziel gilt.
Die Lage ist angespannt. Seit den Anschlägen der vergangenen Tage und Wochen steht auch die Berliner Polizei besonders im Fokus. Die deutsche Hauptstadt gilt als potenzielles Anschlagsziel. Ein Vorfall wie der im zur Chartié gehörenden Berliner Klinikum in Steglitz zeige aber, dass die Beamten wirklich gefährlichen Situationen nicht gewachsen seien, sagt Berlins AFD Chef Georg Pazderski:
"Wir werden auf jeden Fall versuchen, die innere Sicherheit zu erhöhen, wir wollen 2000 zusätzliche Polizisten einstellen. Wir wollen bessere Ausrüstung für die Polizei und in dieser Woche gibt es ja auch schon wieder ein schönes Beispiel, wie schlecht die Polizei offensichtlich ausgerüstet ist. In der Charité hat die Polizei offensichtlich keine Funkverbindung untereinander gehabt, um sich zu verständigen, was denn dort passiert, als der Arzt erschossen worden ist."
Mit Terror habe die Situation zum Glück nicht zu tun gehabt und die Polizei habe alles schnell und professionell im Griff gehabt, sagt Benjamin Jendro von der Gewerkschaft der Polizei (GdP). Dass seine Kollegen im zweiten Stock der Klinik über eine Stunde von jeglicher Information abgeschnitten waren und selbst auch keine nach draußen geben konnten, beklagt er allerdings auch:
"Man ist da hingefahren mit dem Gedanken, hier könnte es sich vielleicht um einen Amoklauf handeln und wenn man nicht weiß, wer da noch in dem Haus zugegen ist und wie die Situation überhaupt ist, dann ist das natürlich eine Belastung und auch eine Gefährdungslage, die schwer zu verarbeiten ist für die Kolleginnen und Kollegen, die da sind. Also die waren durchaus nassgeschwitzt, weil man eben nicht weiß, was passiert da jetzt gerade."

Höherer Standard beim Funkverkehr in anderen Städten

Vor zehn Jahren startete in Berlin das Projekt: digitaler Polizeifunk, seit dem vergangenen Jahr sollte ausschließlich digital gefunkt werden: Rauschfrei, abhörsicher und überall erreichbar, in einem eigenen Netz, in dem auch dann noch gesendet werden kann wenn zum Beispiel die Handynetze wegen Stromausfalls oder einer Störung nicht mehr funktionieren. So die Theorie. Die Praxis sieht anders aus. Schwierig ist es nicht nur in Häusern, sondern auch in der U-Bahn, in Straßentunneln, in Einkaufszentren und sogar an vielen Stellen draußen im Berliner Stadtgebiet. Von Funklöchern groß wie eine Kleinstadt redet die Deutsche Polizeigewerkschaft. Berlins zuständiger Innenstaatssekretär Bernd Krömer (CDU) widerspricht:
"Das Netz hat noch nie versagt. Es gab mal kurzfristige Ausfälle, was zum Teil auch damit zu hatte, dass sich einfach zu viele in eine Funkzelle eingewählt hatten zur gleichen Zeit. Aber dass hier sozusagen flächendeckend keine Versorgung ist, ist barer Unsinn."
Vor zehn Jahren hatte Berlin nicht in den höchsten Standard bei der technischen Umsetzung für den digitalen Funkverkehr investiert, das scheint sich jetzt zu rächen, kritisiert die Gewerkschaft der Polizei. In Wien gebe es zum Beispiel dreimal so viele Basisstationen für den Funkverkehr und keine Probleme, in anderen deutschen Städten sei die bauliche Situation anders und der Standard höher. Die Berliner Innenverwaltung will jetzt 44 weiteren Basisstationen im Stadtgebiet errichten, bis jetzt gibt es für den Polizeifunk gerade mal 58. Neben mehr Basisstationen, fordert die GdP spezielle Bauvorschriften, die sicherstellen, dass der Funkverkehr der Polizei auch indoor funktioniert, vor allem in öffentlichen Gebäuden, Krankenhäusern und Einkaufszentren:
"Also die, die auch als potentielle Anschlagsziele, für Amokläufe infrage kommen, dass wir die mit hausinternen Systemen ausstatten."

Grüne: Nicht jeder Polizist hat eigene Schutzweste

Berlins Innensenator Frank Henkel von der CDU habe bis heute keinen Maßnahmen- und Kostenplan vorgelegt, um die Qualität des Funkverkehrs zu verbessern, kritisieren die Grünen. Und das sei nicht das einzige Versäumnis, sagt die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Berliner Abgeordnetenhaus Ramona Pop:
"Immer noch hat nicht jeder Polizist eine eigene Schutzweste, der Digitalfunk fällt leider regelmäßig aus, die einzelnen Wachen müssen saniert werden, auch da ist zu wenig passiert. Die Schießstände sind fast alle kontaminiert und nicht zu gebrauchen im Land Berlin. Und um diese Basics sich endlich zu kümmern, das erwarten wir, weil die Berliner Polizei tatsächlich auch so gut ist wie ihre Ausrüstung."
Die Polizei will den Einsatz im Steglitzer Klinikum jetzt genau auswerten und mit der Innenverwaltung diskutieren. Im September wird in Berlin gewählt. Das Thema innere Sicherheit scheint dabei eine immer größere Rolle zu spielen.
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