Moderner Klassizist mit Lehrauftrag
Der Lyriker Durs Grünbein erhält den mit 30.000 Euro dotierten Berliner Literaturpreis 2006 der Stiftung Preußische Seehandlung. Mit der Auszeichnung ist eine Berufung an die Freie Universität Berlin verbunden, die Grünbein in Form von Schreibwerkstätten einlöst. In der Begründung der Jury hieß es, Grünbein habe sich mehr und mehr einem modernen Klassizismus angenähert und sich so eine große Themenvielfalt erobert.
Durs Grünbein stammt aus einem naturwissenschaftlich geprägten Elternhaus. Sein Vater war technisch sehr versiert, und so habe er früh der Welt des Praktischen den Rücken gekehrt und sich dem „Unpraktischen“ zugewendet.
Dies allerdings mit viel Erfolg. 1988 erschien der erste Gedichtband des damals 26-Jährigen: „Grauzone morgens“. Drei Jahre später folgte der Band „Schädelbasislektion“. Damit wurde er schon über einen weiteren Kreis hinaus bekannt. Seitdem hat Durs Grünbein ungefähr alle wichtigen deutschen Literaturpreise erhalten: den höchst renommierten Büchnerpreis bereits vor zehn Jahren, und nun den Berliner Literaturpreis der Stiftung Preußische Seehandlung. Seit letztem Jahr wird er nach einem neuen Konzept vergeben: Die mit 30.000 Euro dotierte Auszeichnung ist verbunden mit einer Lehrverpflichtung an der Freien Universität; unter dem Titel: „Heiner-Müller-Gastprofessur für deutschsprachige Poetik.“
„Ich hatte überhaupt keine Lust. Ich hab so was schon mal gemacht vor vielen Jahren und hab festgestellt, dass das so in therapeutische Krisen führt und mein Entschluss stand immer fest, derartiges zu vermeiden. (...) Ich hab hier im Grunde auf zwei Dinge reagiert. Das war das Stichwort Berlin und das Stichwort Heiner Müller. Das gehört zu dem Ganzen biographischen Drum und Dran und insofern hatte ich keine Wahl. Das heißt, praktisch muss ich mir das jetzt überhaupt erst überlegen, wie das ablaufen soll, metaphysisch stimmt alles.“
Durs Grünbein wird keine poetologischen Vorlesungen halten, sondern eine Art Schreibwerkstatt leiten. Teilnehmen können Studenten aller Berliner Universitäten. Allerdings ist die diesjährige Bewerbungsfrist bereits abgelaufen. Interessenten mussten eigene Arbeitsproben einreichen. Von 50 Bewerbern sind 20 Teilnehmer ausgewählt worden, so Gert Mattenklott vom Peter-Szondi-Institut für Literaturwissenschaft:
„Diese 20 allerdings, die tagen unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Sie legen ja eigene Texte vor, die dort besprochen werden und niemand ist empfindlicher als ein junger Autor und die Gefahr der Kränkung ist riesengroß und so ist für eine solche Besprechung von Texten eine gewisse Intimität wohl Voraussetzung, bei der es auch mal heiß hergehen kann und harte Kritik möglich ist, ohne dass jemand gleich beschädigt wird, und dafür ist diese Situation von gewisser Exklusivität nötig.“
Die fünfköpfige Jury hat sich für Durs Grünbein entschieden, weil sein Werk ein besonders breites Spektrum biete. Von seiner frühen, eher anarchistischen Phase habe er sich mehr und mehr einem modernen Klassizismus angenähert, heißt es in der Begründung. Damit distanziere sich der Autor deutlich von seinen Anfängen, meint Gert Mattenkott:
„Und so wie er heute schreibt, sehr bewusst und sehr dezidiert in der Spur der klassischen Autoren, gerade auch der römischen Antike, ist sein Schreiben sicher eine Provokation für junge Leser und junge Autoren. Es wird unter ihnen kaum jemanden geben, der diese Option selbst schon oder überhaupt für sich wählen würde, und so kann man sich darauf gefasst machen, dass es hier wirklich zu einer Auseinandersetzung zwischen einem arrivierten Autor mit einer ungewöhnlichen Entwicklungsrichtung und jungen Autoren kommt, die wahrscheinlich eher in der Spur des frühen Grünbein schreiben werden als in diesem entwickelten Klassizismus, in dem er heute schreibt.“
Der Schriftsteller Martin Mosebach, der auf Grünbein die Laudatio gehalten hat, lobt an Grünbeins Werk den Mut, auf ein lyrisches „Ich“ zu verzichten. Mit seiner Formenvielfalt erobere er sich die ganze Themenvielfalt zurück, die ein Gedicht haben kann:
„Er ist ein Formkünstler, ein Dichter, der daran glaubt, dass das Gedicht in Form gebrachte Sprache ist und (...) der diese Formen souverän handhabt, lässig, nicht angestrengt. Deswegen würde ich ihn auch keineswegs einen klassizistischen Dichter nennen. Er ist kein Formenpräzeptor, beileibe nicht, sondern einer, der die poetische Form genießt und sich von ihr tragen lässt und sie auch mit Ironie anwendet. Man kann nicht den Grünbeinvers im Zutrauen auf den immergleichen Rhythmus lesen, sondern man muss sich jeden einzelnen vornehmen und wird da immer wieder Überraschungen finden.“
Neben der Samuel-Fischer-Gastprofessur ist die Heiner-Müller-Gastprofessur das zweite FU-Projekt dieser Art. Fünf Jahre soll es auf jeden Fall laufen. Solange werden die Berliner Studenten jedes Sommersemester die Chance haben, mit einem zeitgenössischen Schriftsteller zusammenzuarbeiten, betont der Präsident der Freien Universität, Dieter Lenzen:
„Etwas, das weit mehr als ein so genannter Praxiskontakt ist, sondern die Berührung mit Menschen, die mit Sprache in hervorragender Weise umgehen können, und die etwas mitzuteilen haben. Das war bei Herta Müller so und ist bei Durs Grünbein wieder der Fall, hier bezogen auf ein wesentliches Stück deutscher Geschichte, die besondere Situation der Stadt Dresden, ihre tragische Geschichte und damit auch in gewisser Weise die Frage der Vereinigung, die alles andere als abgeschlossen ist. Themen also, die Durs Grünbein hier als Lyriker bearbeitet. Eine gute Chance also für die Studierenden, in direkten Kontakt zu geraten.“
Dies allerdings mit viel Erfolg. 1988 erschien der erste Gedichtband des damals 26-Jährigen: „Grauzone morgens“. Drei Jahre später folgte der Band „Schädelbasislektion“. Damit wurde er schon über einen weiteren Kreis hinaus bekannt. Seitdem hat Durs Grünbein ungefähr alle wichtigen deutschen Literaturpreise erhalten: den höchst renommierten Büchnerpreis bereits vor zehn Jahren, und nun den Berliner Literaturpreis der Stiftung Preußische Seehandlung. Seit letztem Jahr wird er nach einem neuen Konzept vergeben: Die mit 30.000 Euro dotierte Auszeichnung ist verbunden mit einer Lehrverpflichtung an der Freien Universität; unter dem Titel: „Heiner-Müller-Gastprofessur für deutschsprachige Poetik.“
„Ich hatte überhaupt keine Lust. Ich hab so was schon mal gemacht vor vielen Jahren und hab festgestellt, dass das so in therapeutische Krisen führt und mein Entschluss stand immer fest, derartiges zu vermeiden. (...) Ich hab hier im Grunde auf zwei Dinge reagiert. Das war das Stichwort Berlin und das Stichwort Heiner Müller. Das gehört zu dem Ganzen biographischen Drum und Dran und insofern hatte ich keine Wahl. Das heißt, praktisch muss ich mir das jetzt überhaupt erst überlegen, wie das ablaufen soll, metaphysisch stimmt alles.“
Durs Grünbein wird keine poetologischen Vorlesungen halten, sondern eine Art Schreibwerkstatt leiten. Teilnehmen können Studenten aller Berliner Universitäten. Allerdings ist die diesjährige Bewerbungsfrist bereits abgelaufen. Interessenten mussten eigene Arbeitsproben einreichen. Von 50 Bewerbern sind 20 Teilnehmer ausgewählt worden, so Gert Mattenklott vom Peter-Szondi-Institut für Literaturwissenschaft:
„Diese 20 allerdings, die tagen unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Sie legen ja eigene Texte vor, die dort besprochen werden und niemand ist empfindlicher als ein junger Autor und die Gefahr der Kränkung ist riesengroß und so ist für eine solche Besprechung von Texten eine gewisse Intimität wohl Voraussetzung, bei der es auch mal heiß hergehen kann und harte Kritik möglich ist, ohne dass jemand gleich beschädigt wird, und dafür ist diese Situation von gewisser Exklusivität nötig.“
Die fünfköpfige Jury hat sich für Durs Grünbein entschieden, weil sein Werk ein besonders breites Spektrum biete. Von seiner frühen, eher anarchistischen Phase habe er sich mehr und mehr einem modernen Klassizismus angenähert, heißt es in der Begründung. Damit distanziere sich der Autor deutlich von seinen Anfängen, meint Gert Mattenkott:
„Und so wie er heute schreibt, sehr bewusst und sehr dezidiert in der Spur der klassischen Autoren, gerade auch der römischen Antike, ist sein Schreiben sicher eine Provokation für junge Leser und junge Autoren. Es wird unter ihnen kaum jemanden geben, der diese Option selbst schon oder überhaupt für sich wählen würde, und so kann man sich darauf gefasst machen, dass es hier wirklich zu einer Auseinandersetzung zwischen einem arrivierten Autor mit einer ungewöhnlichen Entwicklungsrichtung und jungen Autoren kommt, die wahrscheinlich eher in der Spur des frühen Grünbein schreiben werden als in diesem entwickelten Klassizismus, in dem er heute schreibt.“
Der Schriftsteller Martin Mosebach, der auf Grünbein die Laudatio gehalten hat, lobt an Grünbeins Werk den Mut, auf ein lyrisches „Ich“ zu verzichten. Mit seiner Formenvielfalt erobere er sich die ganze Themenvielfalt zurück, die ein Gedicht haben kann:
„Er ist ein Formkünstler, ein Dichter, der daran glaubt, dass das Gedicht in Form gebrachte Sprache ist und (...) der diese Formen souverän handhabt, lässig, nicht angestrengt. Deswegen würde ich ihn auch keineswegs einen klassizistischen Dichter nennen. Er ist kein Formenpräzeptor, beileibe nicht, sondern einer, der die poetische Form genießt und sich von ihr tragen lässt und sie auch mit Ironie anwendet. Man kann nicht den Grünbeinvers im Zutrauen auf den immergleichen Rhythmus lesen, sondern man muss sich jeden einzelnen vornehmen und wird da immer wieder Überraschungen finden.“
Neben der Samuel-Fischer-Gastprofessur ist die Heiner-Müller-Gastprofessur das zweite FU-Projekt dieser Art. Fünf Jahre soll es auf jeden Fall laufen. Solange werden die Berliner Studenten jedes Sommersemester die Chance haben, mit einem zeitgenössischen Schriftsteller zusammenzuarbeiten, betont der Präsident der Freien Universität, Dieter Lenzen:
„Etwas, das weit mehr als ein so genannter Praxiskontakt ist, sondern die Berührung mit Menschen, die mit Sprache in hervorragender Weise umgehen können, und die etwas mitzuteilen haben. Das war bei Herta Müller so und ist bei Durs Grünbein wieder der Fall, hier bezogen auf ein wesentliches Stück deutscher Geschichte, die besondere Situation der Stadt Dresden, ihre tragische Geschichte und damit auch in gewisser Weise die Frage der Vereinigung, die alles andere als abgeschlossen ist. Themen also, die Durs Grünbein hier als Lyriker bearbeitet. Eine gute Chance also für die Studierenden, in direkten Kontakt zu geraten.“