Moderne Städterinnen der 20er Jahre
Aus Anlass der Berlinale-Retrospektive mit Stummfilmen zum Thema "City-Girls" veröffentlicht die Deutsche Kinemathek Berlin ein Begleitbuch. Mit Fotos und Texten bietet es neben einer Wiederbegegnung mit Stars wie Asta Nielsen oder Louise Brooks eine kulturhistorische Zeitreise.
"City-Girl" hieß ein Film des deutschen Hollywood-Regisseurs F.W. Murnau. Gemeint war mehr, als in dem biederen Wort Stadtmädchen anklingt. Damals in den zwanziger Jahren prägten lebenslustige junge Frauen das Bild der Großstädte. Sie trugen Bubiköpfe mit Herrenwinkern, Topfhüte und Hängerkleidchen und zeigten zum ersten Mal viel Bein.
Als Konsumentinnen revolutionierten sie die Mode, die Tanzstile und die Vergnügungsindustrie, als Lohnarbeiterinnen, Stenotypistinnen und Verkäuferinnen hielten sie trotz ungleicher Bezahlung die bis zur Weltwirtschaftskrise boomenden Metropolen in Schwung.
City-Girls waren die Töchter der "neuen Frauen", die seit der Jahrhundertwende gegen Korsettstangen, für Frauenwahlrecht und Gleichberechtigung gekämpft hatten. In den Zwanzigern suchten sie in Massen ihr Glück in den modernen Metropolen. Viele Filme aus dieser Zeit erzählen davon, wie junge Frauen ihr Leben trickreich und offensiv in die Hand nehmen, aber auch von den Grenzen der neuen Freiheiten, zum Beispiel der Abhängigkeit von reichen "Shugar-Daddies".
Aus Anlass einer Retrospektive mit Stummfilmen zum Leitmotiv "City-Girls" veröffentlichte die Deutsche Kinemathek Berlin ein Begleitbuch, das sich mit einer Fülle von eleganten Schwarzweißfotografien, mit zeitgenössischen Kommentaren und vier großen Essays den neuen Frauenbildern jener Zeit widmet. Ein in Text und Bild gleichermaßen vergnügliches wie informatives Geschichtsbuch ist entstanden, eine Wiederbegegnung mit Stars und Filmen, aber auch eine kulturhistorische Zeitreise.
Vor Einführung des Tonfilms war das Kino ein vitales und experimentierfreudiges Leitmedium, das mit entfesselter Kamera und rasanten Schnitten den dynamischen Großstadtrhythmus aufgriff. Das Publikum – in der Mehrzahl Frauen - liebte seine Stars, die zu frivolen Maskeraden, blitzschnellen Aktionen und mondänen Eskapaden aufgelegt waren. Am Beispiel der Images von Asta Nielsen, Norma Talmadge, Gloria Swanson, Clara Bow, Louise Brooks u. a. schildert das Buch die Vielfalt und Unkonventionalität dieser neuen Frauenbilder.
Es versteht sich nicht bloß als glamouröser Prachtband. Die Autorinnen Annette Brauerhoch, Heike Fendel, Fabienne Liptay und Daniela Sannwald – alle erfahrene Filmhistorikerinnen – messen die Schönheitsideale, erotischen Sehnsüchte und Lebensentwürfe der filmischen City-Girls immer wieder auch an ernüchternden historischen Fakten, die den realen Hintergrund der kecken Kino-Träume beleuchten. So beschreibt das Buch faszinierende und widersprüchliche Frauenbilder einer Umbruchzeit und lädt zu Vergleichen mit der Gegenwart ein.
Rezensiert von Claudia Lenssen
City-Girls, Frauenbilder im Stummfilm,
Hrsg.: Gabriele Jatho, Rainer Rother, Deutsche Kinemathek;
Bertz und Fischer Verlag, Berlin 2007, 166 Seiten, 22,90 €
Als Konsumentinnen revolutionierten sie die Mode, die Tanzstile und die Vergnügungsindustrie, als Lohnarbeiterinnen, Stenotypistinnen und Verkäuferinnen hielten sie trotz ungleicher Bezahlung die bis zur Weltwirtschaftskrise boomenden Metropolen in Schwung.
City-Girls waren die Töchter der "neuen Frauen", die seit der Jahrhundertwende gegen Korsettstangen, für Frauenwahlrecht und Gleichberechtigung gekämpft hatten. In den Zwanzigern suchten sie in Massen ihr Glück in den modernen Metropolen. Viele Filme aus dieser Zeit erzählen davon, wie junge Frauen ihr Leben trickreich und offensiv in die Hand nehmen, aber auch von den Grenzen der neuen Freiheiten, zum Beispiel der Abhängigkeit von reichen "Shugar-Daddies".
Aus Anlass einer Retrospektive mit Stummfilmen zum Leitmotiv "City-Girls" veröffentlichte die Deutsche Kinemathek Berlin ein Begleitbuch, das sich mit einer Fülle von eleganten Schwarzweißfotografien, mit zeitgenössischen Kommentaren und vier großen Essays den neuen Frauenbildern jener Zeit widmet. Ein in Text und Bild gleichermaßen vergnügliches wie informatives Geschichtsbuch ist entstanden, eine Wiederbegegnung mit Stars und Filmen, aber auch eine kulturhistorische Zeitreise.
Vor Einführung des Tonfilms war das Kino ein vitales und experimentierfreudiges Leitmedium, das mit entfesselter Kamera und rasanten Schnitten den dynamischen Großstadtrhythmus aufgriff. Das Publikum – in der Mehrzahl Frauen - liebte seine Stars, die zu frivolen Maskeraden, blitzschnellen Aktionen und mondänen Eskapaden aufgelegt waren. Am Beispiel der Images von Asta Nielsen, Norma Talmadge, Gloria Swanson, Clara Bow, Louise Brooks u. a. schildert das Buch die Vielfalt und Unkonventionalität dieser neuen Frauenbilder.
Es versteht sich nicht bloß als glamouröser Prachtband. Die Autorinnen Annette Brauerhoch, Heike Fendel, Fabienne Liptay und Daniela Sannwald – alle erfahrene Filmhistorikerinnen – messen die Schönheitsideale, erotischen Sehnsüchte und Lebensentwürfe der filmischen City-Girls immer wieder auch an ernüchternden historischen Fakten, die den realen Hintergrund der kecken Kino-Träume beleuchten. So beschreibt das Buch faszinierende und widersprüchliche Frauenbilder einer Umbruchzeit und lädt zu Vergleichen mit der Gegenwart ein.
Rezensiert von Claudia Lenssen
City-Girls, Frauenbilder im Stummfilm,
Hrsg.: Gabriele Jatho, Rainer Rother, Deutsche Kinemathek;
Bertz und Fischer Verlag, Berlin 2007, 166 Seiten, 22,90 €