Moderne Artussage

In seinem ersten Roman erzählt Lars Brandt, Sohn von Willy Brandt, verschlüsselt von der Liebe. Dabei verbringt eine Künstlergruppe ihre Tage am Tisch einer Arbeits-WG wie an der wiedererschaffenen Artustafel. Im Mittelpunkt steht ein müder Lancelot, der die von ihm Verehrte an einen Konkurrenten verliert.
Vor zwei Jahren veröffentlichte Lars Brandt in dem kleinen Band "Andenken" sein Bild seines ziemlich unmöglichen Vaters und widersprüchlichen Mannes Willy Brandt. Das eigensinnige Debüt war ein berechtigter Erfolg.

"Gold und Silber", der erste Roman des 1951 geborenen Lars Brandt, ist der verschlüsselte Bericht einer verschlüsselten Liebe. Es ist ein vertrackt beladenes Projekt. Lars Brandt will eine moderne Artussage erzählen. Ihr Hauptteil spielt in Bonn am Rhein. Der Strom, die Wiesen, Hügel, Höhenzüge der Landschaft sind das Hintergrundbild, vor dem eine Künstlergruppe ihre gemeinsamen Tage am großen Tisch einer Arbeits-WG wie an der wiedererschaffenen Artustafel verbringt.

Schon Lars Brandts erster Satz zeigt den Weg ins Mythenreich: "Ginger aber wollte in den Wald". Ginger heißt eigentlich "Ginevra", ist "launisch, präziös und schamlos ignorant". Rudi, der Ich-Erzähler, liebt sie bedingungslos, wie einst Lancelot Guinevere. Rudi ist ein moderner Lancelot, aber leider zu schlapp und müde, die Klingel zu hören, als Ginger ihn endlich besuchen will. Deshalb wird Jarl, der einen Film über das "Nichts" gedreht hat, der König sein, der Ginger erobert und sie mit sich fortnimmt. Rudi, Hans, Paavo, Mayo, Sebastian und Jarl, sie alle staksen wie Figuren aus Bildern oder Filmen, mal brillant getroffen, mal wie Schemen entworfen, durchs Terrain. Hinter ihren grüblerischen Gesprächen steht die große Grals-Frage, welchen "Sinn das hatte, was man tat"?

Lars Brandt erzählt seine Geschichte einer Suche in einer selbstverliebt angestrengten Sprache. Neben dem Motiv der unerreichbaren reinen Liebe Rudis zu Ginger gibt es das Motiv des Wassers und des Angelns. Rudi ist dem Reich des Wassers zugetan, wie Lancelot das war.

Lars Brandts moderne Artussage handelt in der Gegenwart und an unterschiedlichen Schauplätzen. Viele Kunstformen sind vertreten: Film, Musik, Bildhauerei, Foto und Zeichnung. Sie werden aber nicht plastisch. Zu zünden, das schafft nur Horst. Er lässt sich in einer Silvesternacht in einem Boot auf den Rhein treiben und fackelt sich als zischendes Feuerwerk selbst ab.

Lars Brandts Roman ist ein Buch über eine Verweigerung. Es ist der Versuch, Motive aus der Sagenwelt mit Motiven aus der Künstlerwelt zu verknüpfen. Diese moderne Sage hat den Nachteil, dass sie unseren wenig sagenhaften Alltag ausblendet und auch nicht in das mythische Reich der Finsternis, um das es doch eigentlich geht, vorstößt. Rudi ist nur wieder ein leidender, wehleidiger Künstler. In einer größenwahnsinnigen Schlusspirouette beschwört er den Gral, die blaue Blume und das goldene Vlies, dann stößt er den großen Satz aus: "Ich war allein".

Rezensiert von Verena Auffermann

Lars Brandt. Gold und Silber. Roman.
Carl Hanser Verlag, München. 2008. 303 Seiten. 21.50 Euro.