Moderne Architektur in der Wüste
Mitten in der Wüste im Sudan möchte der Stararchitekt David Chipperfield ein modernen Museumsbau errichten. In dem Gebäude sollen die antiken Funden einer kürzlich durch Archäologen freigelegten Nubier-Stadt ausgestellt werden. Das Ägyptische Museum Berlin war an den Ausgrabungen beteiligt. Dem Direktor des Museums, Professor Dietrich Wildung, gelang es Chipperfield für das Projekt zu begeistern.
Jürgen König: Das Ägyptische Museum Berlin gräbt seit Jahren im Sudan eine antike Stadt der Nubier aus, Naga heißt dieser Ort. Er liegt mitten in der Wüste im Norden Sudans. Nur Beduinen leben dort mehr oder weniger. Im nächsten Jahr wird die Finanzierung auslaufen und es fragt sich, was soll mit den zahlreichen Fundstücken geschehen?
Der Direktor des Ägyptischen Museums zu Berlin, Professor Dietrich Wildung, er hat einen der bedeutendsten Architekten der Gegenwart für die Idee begeistern können, David Chipperfield. Ihn hat Dietrich Wildung angeregt, in Naga einen Museumsneubau zu errichten. Unsere Gäste im Studio sind der Chefentwerfer des Berliner Büros von David Chipperfield, Alexander Schwarz, der den Neubau gemeinsam mit David Chipperfield entworfen hat, und der Direktor des Ägyptischen Museums ist da, eben Dietrich Wildung. Meine Herren, schön, dass Sie gekommen sind, ich freue mich.
Dietrich Wildung: Guten Tag!
König: Herr Wildung, erzählen Sie uns zunächst, welche Bedeutung diese antike Stadt der Nubier hat. Welche archäologische, welche kulturelle Bedeutung haben diese Fundstücke von Naga?
Wildung: Ich glaube, da muss man sich zunächst einmal die geografische Situation vorstellen: Eine große antike Stadt, 40 Kilometer vom Nil entfernt, in der Wüste. Was soll das? Wir wissen, dass diese Stadt ungefähr um 300 vor Christus gegründet wurde, dann über ein halbes Jahrtausend mit einem Dutzend Tempeln mit großen Palastanlagen ausgestattet wurde, also schon etwas Besseres, wenn ich so sagen darf.
Da muss man, Sie haben es in der Moderation gerade schon gesagt, an die Bevölkerungsstruktur dort denken. Da leben Halbnomaden. Und das Reich, zu dem diese Stadt gehört mit seiner Hauptstadt Meroe, ein Großreich südlich des ptolemäisch-römischen Ägypten, war ein Reich mit Sesshaftung, aber auch mit nomadischer Bevölkerung. Und dieser Bevölkerung hat sich der König von Zeit zu Zeit zu zeigen als der Herr im Hause.
Er hat inmitten des nomadischen Siedlungsgebietes oder Wandergebietes eine Pfalz errichtet, eine königliche Stadt, wo er von Zeit zu Zeit da war, zeigte: "Ich kümmere mich um euch." Ich denke mir manchmal, wenn Omar al-Bashir häufiger in den Darfur gereist wäre oder heute häufiger dort hinreisen würde um zu sagen: "Leute, ich bin da", dann wäre vielleicht die Lage, die gegenwärtige Lage in diesem Land auch eine andere. Archäologie hat, so glauben wir, immer auch wieder mit Politik zu tun.
König: Womit haben Sie David Chipperfield begeistern können, dass er sogar ohne Honorar gesagt hat: "Ja, das mache ich. Bei diesem Museumsneubau bin ich dabei."?
Wildung: Kann ich nicht sagen. Ich habe irgendwann Herrn Schwarz und seinen Kollegen Herrn Reichert von dieser Schnapsidee erzählt, in der Wüste ein modernes Museum zu errichten. Die beiden Herren, mit denen wir seit über zehn Jahren die Berliner Museumsinsel planen und wiederaufbauen, haben sich das angehört und einige Wochen später waren Sie es wohl, Herr Schwarz, der sagte:" Ja, wir haben mit David darüber geredet." Aber das müssen Sie erzählen.
König: Herr Schwarz, wie war das?
Alexander Schwarz: Ja, zunächst reizte uns natürlich diese ganz andere Architekturaufgabe. Wir wussten natürlich überhaupt nicht, was da auf uns zukommt und um sich dann ein Bild zu machen, fährt man dann dahin. Wir sind gemeinsam mit Herrn Wildung und Herrn Chipperfield dahin gefahren. Die letzte Überzeugungsarbeit leistete dann, glaube ich eben, dieser fantastische Ort. So was hat man in einem Architektenleben eigentlich noch nie gesehen.
König: Und da leuchten die Augen von Herrn Schwarz. Beschreiben Sie uns diesen Ort.
Schwarz: Es gibt einen großartigen Kontext, man könnte aber auch sagen, es gibt gar keinen Kontext. Man biegt eben von der Teerstraße entlang des Nils ab, eine Stunde durch die Wüste, am Horizont erscheinen dann Tafelberge und am Fuße der Tafelberge dann einige Tempel, die aus dem Sand herausragen, sozusagen ein makelloses Setting, wenn ich hier mal einen Anglizismus...
König: Wenn das die Nubier noch gehört hätten.
Schwarz: Es gibt einen kleinen kartesischen Brunnen, an dem man dann ankommt, wo Nomaden ihre Tiere zur Tränke bringen.
König: Was für ein Neubau wird dort entstehen?
Schwarz: Die Architekturaufgabe ist, glaube ich, so reizvoll sie ist, gar nicht einfach. Es stellen sich nämlich ganz andere Fragen, als sich normalerweise stellen. Beispielsweise: Wo baut man überhaupt hin? Das Land dort gehört niemandem, das heißt, man könnte einen Kilometer weit weg bauen, man könnte ganz nah, beispielsweise an den Haupttempel, den Amuntempel, heranrücken.
Also, die Frage, dass der Bauplatz schon mal gar nicht festgelegt ist, ist für uns auch eine ganze neue. Wir sind dann einen Nachmittag lang das ganze Gelände in sengender Hitze, wenn ich das sagen darf, abgelaufen und haben dann einen Ort gefunden, mehr oder weniger intuitiv. Es ging eben darum, dieses Bild, wie die Tempel aus dem Sand herausragen, nicht zu stören durch das Museum, trotzdem aber einen Kontakt natürlich zu dem Ort herstellen.
Wir haben dann eine ebene Stelle am Fuße des Berges gefunden, die es erlaubt, wenn man circa 1,40 Meter nach oben geht, das haben wir dann getestet mit einer Leiter, dass man von dort genau am Horizont die vertikalen Stützen des Amuntempels sieht, also sehr schön diese Vertikale gegen den Horizont, der aber weit weg ist, aber trotzdem durch diese vertikale Struktur eine große Wirkung von dort entfaltet. Das heißt...
König: Wie wird das Gebäude dann aussehen?
Schwarz: Das heißt, es gibt eben als Grundgedanken erst mal eine Basis, das ist eben diese 1,40 Meter, in der es als Rampe ausgebildet ist. Das heißt, es gibt die Ankunftsebene. Und dieser Sockel vermittelt dann auf diese Ausblicksebene, die dann auf der anderen Seite des Gebäudes liegt, das ist das erste Element, dieses 1,40 Meter hochgehen.
Dann hat man glaube ich nur die Chance, einen sehr, sehr einfachen und nur einen Architekturgedanken dort zu platzieren, sonst kann man, glaube ich, überhaupt nicht mithalten mit der Stärke des Ortes. Die Einfriedung wollen wir aus Stampfbeton herstellen. Das heißt, die Zuschlagstoffe des Betons, der Sand und der Kies und die Steine, werden vor Ort gesammelt und dann vor Ort in einem sehr archaischen Verfahren hergestellt.
König: Ist das auch eine Konzession an die klimatischen Bedingungen, also dass man zum Beispiel Beton gar nicht dorthin transportieren könnte?
Schwarz: Auf...
König: Wie gehen Sie überhaupt mit den…, Entschuldigung, wie gehen Sie überhaupt mit den Schwierigkeiten um? Sie haben es schon gesagt: Sengende Hitze, woher nehmen Sie den Strom, woher nehmen Sie fließend Wasser, all das, was man ja braucht für eine solche Großbaustelle.
Schwarz: Genau. Also, diese Überlegungen, wie baut man da überhaupt, sind eben auch in den Entwurf eingeflossen und eine sehr schöne Möglichkeiten ist eben, zum Teil Materialien, die man vor Ort findet, zu nehmen. Und das ist eben Sand und Kies, den es dort gibt, eben Hauptbestandteile des Betons. Der Zement muss dann vom Nil her, am Nil gibt es Zement, hergebracht werden, ebenso wie das Wasser.
Wildung: Ja, das muss schon gesagt werden, 40 Kilometer vom Nil entfernt. Die kümmerlichen Wasserquellen für die Herden der dort lebenden Nomaden wollen und dürfen wir nicht antasten, das Wasser wird also in Tanklastwagen vom Nil herangekarrt, die Versorgung der Arbeiter, die wir dort haben werden, muss geplant werden.
Ich finde es aber in hohem Maße interessant, dass David Chipperfield hier wert darauf legt, die örtlichen Ressourcen zu benutzen, sozusagen ökologisch, im allerweitesten Sinne des Wortes, zu bauen, sich in diese zauberhafte Landschaft und die Lebensweise der dortigen Menschen, so gut es für einen Europäer überhaupt geht, zu integrieren.
Das ist uns auch deshalb wichtig, weil wir die Motive für dieses Museum nicht zuletzt auch darin sehen, kulturelle Identität zu schaffen. Identität, die zunächst bei denen beginnt, die dort leben. Das soll...
König: Das heißt, das wird dann ein sudanesisches Museum werden?
Wildung: Das soll zunächst mal, so absurd es klingt, ein hochmodern in seiner äußeren Form erscheinendes Museum für die dort lebenden paar hundert, oder, ja, paar hundert, mehr sind es nicht, Nomaden werden. Ein großer Aufwand, möchte man meinen, aber das stiftet Identität. Ich würde sagen, das ist kulturelles Nation Building.
Der nächste Schritt ist, dass auch die offiziellen Stellen des Sudan, nicht nur die kulturelle Welt, mit größter Aufmerksamkeit und großer Sympathie beobachten, wie sich hier ein weltweit berühmter Stararchitekt für ein Projekt in der Wüste des Sudan begeistert und wie hier ausländische Wissenschaftler viel Zeit, viel Energie aufwenden, um in einem ganz anderen Land ein Denkmal, ein modernes Denkmal zu setzen, das die Geschichte um die Kultur dem Lande selbst bewusst macht, ganz wichtig.
König: Herr Schwarz, ist das ein Projekt, das bei Ihnen Herzklopfen verursacht?
Schwarz: Auf jeden Fall. Also, es geht um sehr reine Architektur. Also beispielsweise, man ist nicht geplagt von irgendwelchen DIN-Normen, es gibt keine Bauphysik, das heißt, man kann reine Architektur machen, die zurückgeworfen wird auf sehr archetypische Themen der Architektur. Und wenn Herr Wildung...
König: Zum Beispiel?
Schwarz: Beispielsweise, es wird keine Fenster geben, es wird ein Gebäude ohne Glas sein, es gibt nur Öffnungen und eben geschlossene Mauern und es gibt eben dann noch als Ergänzungsstruktur die Dachstruktur, die aus einem System vorgefertigter, Art großformatiger Mönch und Nonne, Betonfertigteile erstellt wird und dann die Keilform des Gebäudes eben, die man auf dem Sockel vorfindet, im Dach wiederholt, die aber nur zustande kommt durch Platzierung von Öffnungen und von geschlossenen Mauern.
König: Und was konkret wird dort dann gezeigt werden?
Wildung: Wir werden in diesem Tempel an den Wänden ganze Wandfluchten von antiken Reliefs wiederaufbauen können, wir haben Statuenfunde ganz im lokalen Stil bis hin zu hochhellenistischen großformatigen Steinskulpturen, die man nach Alexandria oder Palmyra oder sonst irgendwo an den Rand des Römischen Reiches setzen würde. Aber die kommen aus einer Gegend 5000 Kilometer vom Mittelmeer in Afrika. Wir haben große Mengen an Kleinfunden, wir haben aber auch wichtige Architekturteile, Altäre, Thronpodeste und dergleichen, Wandmalereien, ein überaus reiches Fundinventar, das nur für eine museale Präsentation in Frage kommt.
König: Ein Museum für eine antike Stadt der Nubier. Morgen wird das Projekt in Berlin ausführlich vorgestellt. Heute zu Gast bei Deutschlandradio Kultur der Chefentwerfer des Berliner Büros von David Chipperfield, Alexander Schwarz, und der Direktor des Ägyptischen Museums zu Berlin, Professor Dietrich Wildung. Meine Herren, vielen Dank für den Besuch und alles Gute für das wunderbare Projekt.
Schwarz: Herzlichen Dank.
Wildung: Wir bedanken uns.
Der Direktor des Ägyptischen Museums zu Berlin, Professor Dietrich Wildung, er hat einen der bedeutendsten Architekten der Gegenwart für die Idee begeistern können, David Chipperfield. Ihn hat Dietrich Wildung angeregt, in Naga einen Museumsneubau zu errichten. Unsere Gäste im Studio sind der Chefentwerfer des Berliner Büros von David Chipperfield, Alexander Schwarz, der den Neubau gemeinsam mit David Chipperfield entworfen hat, und der Direktor des Ägyptischen Museums ist da, eben Dietrich Wildung. Meine Herren, schön, dass Sie gekommen sind, ich freue mich.
Dietrich Wildung: Guten Tag!
König: Herr Wildung, erzählen Sie uns zunächst, welche Bedeutung diese antike Stadt der Nubier hat. Welche archäologische, welche kulturelle Bedeutung haben diese Fundstücke von Naga?
Wildung: Ich glaube, da muss man sich zunächst einmal die geografische Situation vorstellen: Eine große antike Stadt, 40 Kilometer vom Nil entfernt, in der Wüste. Was soll das? Wir wissen, dass diese Stadt ungefähr um 300 vor Christus gegründet wurde, dann über ein halbes Jahrtausend mit einem Dutzend Tempeln mit großen Palastanlagen ausgestattet wurde, also schon etwas Besseres, wenn ich so sagen darf.
Da muss man, Sie haben es in der Moderation gerade schon gesagt, an die Bevölkerungsstruktur dort denken. Da leben Halbnomaden. Und das Reich, zu dem diese Stadt gehört mit seiner Hauptstadt Meroe, ein Großreich südlich des ptolemäisch-römischen Ägypten, war ein Reich mit Sesshaftung, aber auch mit nomadischer Bevölkerung. Und dieser Bevölkerung hat sich der König von Zeit zu Zeit zu zeigen als der Herr im Hause.
Er hat inmitten des nomadischen Siedlungsgebietes oder Wandergebietes eine Pfalz errichtet, eine königliche Stadt, wo er von Zeit zu Zeit da war, zeigte: "Ich kümmere mich um euch." Ich denke mir manchmal, wenn Omar al-Bashir häufiger in den Darfur gereist wäre oder heute häufiger dort hinreisen würde um zu sagen: "Leute, ich bin da", dann wäre vielleicht die Lage, die gegenwärtige Lage in diesem Land auch eine andere. Archäologie hat, so glauben wir, immer auch wieder mit Politik zu tun.
König: Womit haben Sie David Chipperfield begeistern können, dass er sogar ohne Honorar gesagt hat: "Ja, das mache ich. Bei diesem Museumsneubau bin ich dabei."?
Wildung: Kann ich nicht sagen. Ich habe irgendwann Herrn Schwarz und seinen Kollegen Herrn Reichert von dieser Schnapsidee erzählt, in der Wüste ein modernes Museum zu errichten. Die beiden Herren, mit denen wir seit über zehn Jahren die Berliner Museumsinsel planen und wiederaufbauen, haben sich das angehört und einige Wochen später waren Sie es wohl, Herr Schwarz, der sagte:" Ja, wir haben mit David darüber geredet." Aber das müssen Sie erzählen.
König: Herr Schwarz, wie war das?
Alexander Schwarz: Ja, zunächst reizte uns natürlich diese ganz andere Architekturaufgabe. Wir wussten natürlich überhaupt nicht, was da auf uns zukommt und um sich dann ein Bild zu machen, fährt man dann dahin. Wir sind gemeinsam mit Herrn Wildung und Herrn Chipperfield dahin gefahren. Die letzte Überzeugungsarbeit leistete dann, glaube ich eben, dieser fantastische Ort. So was hat man in einem Architektenleben eigentlich noch nie gesehen.
König: Und da leuchten die Augen von Herrn Schwarz. Beschreiben Sie uns diesen Ort.
Schwarz: Es gibt einen großartigen Kontext, man könnte aber auch sagen, es gibt gar keinen Kontext. Man biegt eben von der Teerstraße entlang des Nils ab, eine Stunde durch die Wüste, am Horizont erscheinen dann Tafelberge und am Fuße der Tafelberge dann einige Tempel, die aus dem Sand herausragen, sozusagen ein makelloses Setting, wenn ich hier mal einen Anglizismus...
König: Wenn das die Nubier noch gehört hätten.
Schwarz: Es gibt einen kleinen kartesischen Brunnen, an dem man dann ankommt, wo Nomaden ihre Tiere zur Tränke bringen.
König: Was für ein Neubau wird dort entstehen?
Schwarz: Die Architekturaufgabe ist, glaube ich, so reizvoll sie ist, gar nicht einfach. Es stellen sich nämlich ganz andere Fragen, als sich normalerweise stellen. Beispielsweise: Wo baut man überhaupt hin? Das Land dort gehört niemandem, das heißt, man könnte einen Kilometer weit weg bauen, man könnte ganz nah, beispielsweise an den Haupttempel, den Amuntempel, heranrücken.
Also, die Frage, dass der Bauplatz schon mal gar nicht festgelegt ist, ist für uns auch eine ganze neue. Wir sind dann einen Nachmittag lang das ganze Gelände in sengender Hitze, wenn ich das sagen darf, abgelaufen und haben dann einen Ort gefunden, mehr oder weniger intuitiv. Es ging eben darum, dieses Bild, wie die Tempel aus dem Sand herausragen, nicht zu stören durch das Museum, trotzdem aber einen Kontakt natürlich zu dem Ort herstellen.
Wir haben dann eine ebene Stelle am Fuße des Berges gefunden, die es erlaubt, wenn man circa 1,40 Meter nach oben geht, das haben wir dann getestet mit einer Leiter, dass man von dort genau am Horizont die vertikalen Stützen des Amuntempels sieht, also sehr schön diese Vertikale gegen den Horizont, der aber weit weg ist, aber trotzdem durch diese vertikale Struktur eine große Wirkung von dort entfaltet. Das heißt...
König: Wie wird das Gebäude dann aussehen?
Schwarz: Das heißt, es gibt eben als Grundgedanken erst mal eine Basis, das ist eben diese 1,40 Meter, in der es als Rampe ausgebildet ist. Das heißt, es gibt die Ankunftsebene. Und dieser Sockel vermittelt dann auf diese Ausblicksebene, die dann auf der anderen Seite des Gebäudes liegt, das ist das erste Element, dieses 1,40 Meter hochgehen.
Dann hat man glaube ich nur die Chance, einen sehr, sehr einfachen und nur einen Architekturgedanken dort zu platzieren, sonst kann man, glaube ich, überhaupt nicht mithalten mit der Stärke des Ortes. Die Einfriedung wollen wir aus Stampfbeton herstellen. Das heißt, die Zuschlagstoffe des Betons, der Sand und der Kies und die Steine, werden vor Ort gesammelt und dann vor Ort in einem sehr archaischen Verfahren hergestellt.
König: Ist das auch eine Konzession an die klimatischen Bedingungen, also dass man zum Beispiel Beton gar nicht dorthin transportieren könnte?
Schwarz: Auf...
König: Wie gehen Sie überhaupt mit den…, Entschuldigung, wie gehen Sie überhaupt mit den Schwierigkeiten um? Sie haben es schon gesagt: Sengende Hitze, woher nehmen Sie den Strom, woher nehmen Sie fließend Wasser, all das, was man ja braucht für eine solche Großbaustelle.
Schwarz: Genau. Also, diese Überlegungen, wie baut man da überhaupt, sind eben auch in den Entwurf eingeflossen und eine sehr schöne Möglichkeiten ist eben, zum Teil Materialien, die man vor Ort findet, zu nehmen. Und das ist eben Sand und Kies, den es dort gibt, eben Hauptbestandteile des Betons. Der Zement muss dann vom Nil her, am Nil gibt es Zement, hergebracht werden, ebenso wie das Wasser.
Wildung: Ja, das muss schon gesagt werden, 40 Kilometer vom Nil entfernt. Die kümmerlichen Wasserquellen für die Herden der dort lebenden Nomaden wollen und dürfen wir nicht antasten, das Wasser wird also in Tanklastwagen vom Nil herangekarrt, die Versorgung der Arbeiter, die wir dort haben werden, muss geplant werden.
Ich finde es aber in hohem Maße interessant, dass David Chipperfield hier wert darauf legt, die örtlichen Ressourcen zu benutzen, sozusagen ökologisch, im allerweitesten Sinne des Wortes, zu bauen, sich in diese zauberhafte Landschaft und die Lebensweise der dortigen Menschen, so gut es für einen Europäer überhaupt geht, zu integrieren.
Das ist uns auch deshalb wichtig, weil wir die Motive für dieses Museum nicht zuletzt auch darin sehen, kulturelle Identität zu schaffen. Identität, die zunächst bei denen beginnt, die dort leben. Das soll...
König: Das heißt, das wird dann ein sudanesisches Museum werden?
Wildung: Das soll zunächst mal, so absurd es klingt, ein hochmodern in seiner äußeren Form erscheinendes Museum für die dort lebenden paar hundert, oder, ja, paar hundert, mehr sind es nicht, Nomaden werden. Ein großer Aufwand, möchte man meinen, aber das stiftet Identität. Ich würde sagen, das ist kulturelles Nation Building.
Der nächste Schritt ist, dass auch die offiziellen Stellen des Sudan, nicht nur die kulturelle Welt, mit größter Aufmerksamkeit und großer Sympathie beobachten, wie sich hier ein weltweit berühmter Stararchitekt für ein Projekt in der Wüste des Sudan begeistert und wie hier ausländische Wissenschaftler viel Zeit, viel Energie aufwenden, um in einem ganz anderen Land ein Denkmal, ein modernes Denkmal zu setzen, das die Geschichte um die Kultur dem Lande selbst bewusst macht, ganz wichtig.
König: Herr Schwarz, ist das ein Projekt, das bei Ihnen Herzklopfen verursacht?
Schwarz: Auf jeden Fall. Also, es geht um sehr reine Architektur. Also beispielsweise, man ist nicht geplagt von irgendwelchen DIN-Normen, es gibt keine Bauphysik, das heißt, man kann reine Architektur machen, die zurückgeworfen wird auf sehr archetypische Themen der Architektur. Und wenn Herr Wildung...
König: Zum Beispiel?
Schwarz: Beispielsweise, es wird keine Fenster geben, es wird ein Gebäude ohne Glas sein, es gibt nur Öffnungen und eben geschlossene Mauern und es gibt eben dann noch als Ergänzungsstruktur die Dachstruktur, die aus einem System vorgefertigter, Art großformatiger Mönch und Nonne, Betonfertigteile erstellt wird und dann die Keilform des Gebäudes eben, die man auf dem Sockel vorfindet, im Dach wiederholt, die aber nur zustande kommt durch Platzierung von Öffnungen und von geschlossenen Mauern.
König: Und was konkret wird dort dann gezeigt werden?
Wildung: Wir werden in diesem Tempel an den Wänden ganze Wandfluchten von antiken Reliefs wiederaufbauen können, wir haben Statuenfunde ganz im lokalen Stil bis hin zu hochhellenistischen großformatigen Steinskulpturen, die man nach Alexandria oder Palmyra oder sonst irgendwo an den Rand des Römischen Reiches setzen würde. Aber die kommen aus einer Gegend 5000 Kilometer vom Mittelmeer in Afrika. Wir haben große Mengen an Kleinfunden, wir haben aber auch wichtige Architekturteile, Altäre, Thronpodeste und dergleichen, Wandmalereien, ein überaus reiches Fundinventar, das nur für eine museale Präsentation in Frage kommt.
König: Ein Museum für eine antike Stadt der Nubier. Morgen wird das Projekt in Berlin ausführlich vorgestellt. Heute zu Gast bei Deutschlandradio Kultur der Chefentwerfer des Berliner Büros von David Chipperfield, Alexander Schwarz, und der Direktor des Ägyptischen Museums zu Berlin, Professor Dietrich Wildung. Meine Herren, vielen Dank für den Besuch und alles Gute für das wunderbare Projekt.
Schwarz: Herzlichen Dank.
Wildung: Wir bedanken uns.