Modemesse mit Imageproblemen

Von Claudia Russo · 11.07.2005
Früher war die Alta Moda ein Laufsteg für die italienischen Filmstars. Heute leidet die Modemesse in Rom unter einem Imageproblem: die großen italienischen Stardesigner präsentieren ihre Modelle lieber in Paris und die meist sehr teuren Unikate finden nur schwer Käufer. Jetzt hofft man auf den Nachwuchs.
"Elegance is an attitude" - "Eleganz ist einfach nur eine Sache der Einstellung", dröhnte es im vergangenen Jahr noch aus den Lautsprechern der Modenschauen in Rom. Doch so profan würden es die Schöpfer der Alta Moda, der eleganten maßgeschneiderten Mode, die in diesen Tagen in Rom vorgestellt wird, nicht sehen. Ihnen geht es um mehr als nur um "Attitudes". Ausgefallen schick, phantasievoll und gleichzeitig tiefschürfend wollen sie sein. Und wenn man dann noch die chiffrierten Anspielungen hinter der Mode entschlüsseln kann - umso besser.

Für den Mode-Maestro Lorenzo Riva geht der Trend alles Edlen in Richtung Shakespeares "Sommernachtstraum". Seine Modeunikate für die nächste Herbst-Winter-Saison glänzen auf dem römischen Laufsteg in Silber- und Goldtönen.

Die Belle-Epoque-Zeit inspiriert dagegen den Guru der Alta-Moda, Fausto Sarli. Seine Frau, umhüllt von feinen Spitzen und edlen Stoffintarsien, steht auf der Bühne wie eine zarte, blasse Göttin, die an die alten Diven der frühen Kinogeschichte erinnert. Eine Hommage in eigener Sache: Schließlich waren es die alten Diven, für die die edle Abend-Mode in den Anfangstagen der Alta Moda entworfen wurde. Mario Boselli, Leiter der italienischen Modekammer:

"Die Alta Moda war überhaupt der Beginn der großen Mode, so wie wir sie heute kennen. Sie entstand in der Nachkriegszeit aus den ganz normalen Schneiderarbeiten heraus. Und einige sehr gute Schneider erfanden damals die Alta Moda. Und das war von Anfang an ein klassisches französisches und italienisches Phänomen. In Italien etablierte sich Rom als Zentrum der Alta Moda, ganz klar wegen der Kinowelt. Viele Filmdiven aus Hollywood und Cinecittá ließen sich damals Kleider in Rom maßschneidern."

Audrey Hepburn, Anita Eckberg, Ingrid Bergmann, Elisabeth Taylor, Gina Lollobrigida und Sophia Loren - als Filmschauspielerinnen hatte jede ihr eigenes Fach, aber wenn es um Mode ging, traf man sich regelmäßig bei den Couturiers der Ewigen Stadt, um sich einzigartige Cocktailkleider anfertigen zu lassen. Einen Aufmarsch der Schönen, wie es ihn heute nicht mehr gibt.

Die römische Modeszene leidet heute unter einem großen Imageproblem und steht im Schatten der wesentlich bescheideneren Pre-a-Porter-Schauen in Mailand. Nur fünf berühmte italienische Modeschöpfer sind bei den Alta-Moda-Schauen in Rom vertreten. Eine magere Bilanz, meint der Mode- und Lifestyle-Journalist Roberto Alessi.

"In Italien herrscht gerade Krieg zwischen den Modestädten Mailand, Florenz und Rom. Und Rom hat bisher am schlechtesten abgeschnitten, denn viele italienische Modeschöpfer haben die römischen Laufstege in den letzten Jahren einfach boykottiert. Außerdem haben die italienischen und ausländischen Kunden kaum noch Geld, sich die Preise der Alta Moda zu leisten."

Die römische Alta-Moda-Schauen überschattet von der weltweiten Wirtschaftskrise? Die Preise der Modeunikate von 15.000 Euro bis über 100.000 Euro für besonders wertvolle Kleider mit Juwelen und Handstickerei sind in Zeiten knapper Kasse bestimmt nicht für jede Tasche. Und auch die Modeschöpfer überlegen oft zweimal, ob sie viel Geld in teure Kostüme und noch teurere Modenschauen investieren wollen. So sprach der italienische Stardesigner Rocco Barocco kürzlich aus, was viele seiner Zunft denken:

"Mich interessiert die Alta Moda nicht, sie ist sinnlos und wird im Grunde für nicht mehr als 260 Frauen in der ganzen Welt gemacht."

Alta Moda ist eben Luxus - auch für diejenigen, die sie entwerfen, meint Mario Boselli von der italienischen Modekammer.

"Die Alta Moda ist eine reine Image-Kampagne für die Kreativen, ein gigantisches PR-Event, das gute Stimmung schaffen soll. Wer aber im Modebereich Geschäfte machen will, der widmet sich dem Pret-à-porter, d.h. der fertigen Massenmode. Also die beiden Branchen ergänzen sich dann perfekt, wenn man einen großen Modenamen darstellen will."

Dass Italiens große Designer nicht mehr in Rom auftreten wollen, ist für die Alta-Moda-Szene schon ein Tiefschlag. Noch mehr aber trifft es sie, dass italienische Stardesigner wie Giorgio Armani und Valentino lieber in Paris ihre Haute-Couture-Stücke zur Schau stellen. Der Mode-Journalist Roberto Alessi:

"Rom ist einfach kein internationales Schaufenster für Modeschöpfer wie Paris. Diese Woche werden zwei libanesische Modeschöpfer ihre Kleider in Rom präsentieren. Sie sind bestimmt sehr gut, gehören aber nicht gerade zur großen Modetradition. Außerdem hat Paris einen anderen Vorteil: Dort schaffen es Namen wie Balenciaga, Chanel und Pierre Cardin, nur 100 Kleider für je 100.000 Dollar pro Stück zu verkaufen. Damit unterstützen sie ihr Image und machen dann Millionen-Profite mit anderen Markenwaren wie Parfums. Das passiert bei unserer Alta Moda in Rom nicht."

Statt über künstlerisch designte Unikate aus der skurrilen Welt der Alta Moda wird in Italien in diesen Tagen über Seitenaspekte der Schauen debattiert. Zum Beispiel über die Frage, ob die blonde TV-Unterhalterin Valeria Marini ihre äußerst freizügige Dessous-Kollektion bei den Alta-Moda-Schauen vorstellen darf. Einige Modekritiker haben ihr bereits empfohlen, mit ihren Entwürfen lieber einen Erotikladen anzupeilen.

Die Alta Moda in Rom ist also bereits unterhalb der Gürtellinie angekommen. Um sie wieder nach oben zu ziehen,. meinen Alta-Moda-Experten, brauche es neue frische Designer. Und auf die wird man sich in den kommenden Tagen konzentrieren.