Modemarke Fred Perry vs. "Proud Boys"

Die Diskurstricks der Rechten

09:27 Minuten
Ein vermummter Mann mit "Proud Boys"-Mütze und Fred Perry-Shirt mit goldenem Lorbeerkranz.
In den Lorbeerkranz lassen sich rechte Tugenden wie Männlichkeit, Ehre und Gewalt hineinlesen, sagt Schulze. © Imago Images / Zuma Wire / Christopher Evens
Christoph Schulze im Gespräch mit Christine Watty |
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Das "Fred Perry"-Shirt mit dem Lorbeerkranz ist zur Uniform der rechtsextremen „Proud Boys“ geworden. Jetzt nimmt es das Unternehmen aus dem Sortiment. Ein notwendiger Schritt, findet Rechtsextremismus-Forscher Christoph Schulze.
Ein schwarzes Poloshirt mit gelbem Lorbeerkranz und Streifen an den Ärmeln: So kleidet sich die rechtsextreme Schlägergruppe "Proud Boys" am liebsten. Jene Gruppe, die der amerikanische Präsident Donald Trump bei dem Fernsehduell mit Joe Biden zunächst ermutigt hat ("Proud Boys? Stand back and stand by"), um sich dann doch von ihr zu distanzieren.
Diese neue Aufmerksamkeit wurde offenbar der Modemarke Fred Perry zu viel. Sie hat jetzt angekündigt, dieses Poloshirt vom Markt zu nehmen.

"Aneignung ist immer auch ein Diskurstrick"

Der Rechtsextremismus-Forscher Christoph Schulze sieht darin die "Wiederaufführung eines jahrzehntealten, eigentlich ziemlich abgestandenen Schauspiels, nämlich wie extreme Rechte sich Popkultur und Marken aneignen."
Erfunden wurden die "Proud Boys" von einem "Experten für Vermarktung und Marketing", dem Gründer des "Vice"-Magazins Gavin McInnes, sagt Schulze. McInnes sei klar gewesen, dass eine rechte Gruppe ein Logo, Symbole und eine Geschichte brauche. Die Marke Fred Perry lag hier nahe: Sie war zuvor schon in der Skinhead-Szene sehr beliebt gewesen.
Sich Marken anzueignen verfolge im Kern den Zweck, eine Gruppenidentität herzustellen und Aufmerksamkeit zu erregen, sagt Schulze. Auch sich anschließende Diskussionen, ob diese oder jene Marke nun rechts sei, verschaffen solche gewünschte Aufmerksamkeit. "Aneignung ist immer auch ein Diskurstrick", so Schulze.

Wofür steht eine Marke?

Marken, die für Rechte in Fragen kommen, müssten immer die Möglichkeit bieten, Männlichkeit, Ehre und Gewalt zu vermitteln. Das sei zwar von Fred Perry nicht so intendiert, aber der Lorbeerkranz lasse solche Zuschreibungen zu, sagt Schulze.
Diskussionen, wie sie nun geführt werden, seien zwar ein "kleiner Erfolg" für die Rechten. Dennoch müsse sich ein Unternehmen gegenüber solchen Vereinnahmungsversuchen verhalten, sagt Schulze, und sei es, wie im aktuellen Fall, durch eine zeitweilige Entfernung des Shirts aus dem Sortiment. Einen notwendigen Schritt sieht Schulze darin: "Das kommuniziert sehr klar, wofür die Marke steht und wofür sie nicht stehen will."

Lonsdales offensiver Umgang mit den Rechten

Damit sei das Problem der Aneignung jedoch noch nicht gelöst, meint Schulze. In der Regel sei hierfür eine mittel- bis langfristige Auseinandersetzung nötig.
Dies zeige auch der Fall Lonsdale. Die Marke habe auf eine Aneignung durch extreme Rechte offensiv reagiert, etwa mit Slogans wie "Lonsdale loves all colors" und antirassistische Initiativen gesponsert. So sei es der Marke gelungen, "einen Großteil ihrer rechtsextremen Klientel loszuwerden".
(sed)
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