Moddi singt "Unsongs"

Ein Album voller Lieder, die verboten wurden

Der norwegische Singer-Songwriter Moddi bei Deutschlandradio Kultur im Studio.
Der norwegische Singer-Songwriter Moddi bei Deutschlandradio Kultur im Studio. © Deutschlandradio / Manuel Czauderna
Moddi im Gespräch mit Carsten Rochow · 16.09.2016
"Unsongs" - das sind Lieder, die wegen ihrer politischen Anstößigkeit aus dem Verkehr gezogen wurden. Für die Künstler bestraft oder sogar getötet wurden. Der norwegische Sänger Moddi hat zwölf solcher Songs auf seinem gleichnamigen Album neu interpretiert.
Das neue Album "Unsongs" des norwegischen Folk-Sängers Moddi ist ein ganz besonderes Album: Darauf hat er zwölf Songs zusammen getragen, die in Ländern überall auf der Welt verboten oder indexiert waren oder es bis heute sind. Moddi hat sich Stücke aus Israel, Algerien oder China ausgesucht, das älteste ist mehr als ein Jahrhundert alt, das jüngste nur wenige Jahre.
Im Interview erzählt Moddi, wie er auf die Idee für dieses Album kam und warum er sich für diese zwölf Stücke entschied - und ob er Angst vor den Konsequenzen dieses Projektes hat:
"Ich hab entschieden auf dem Album zwölf verschiedene Wege der Zensur von Musik zu zeigen, die zu stark war, um gespielt werden zu können. Alles ist dabei – von Leuten, die wegen ihrer Musik getötet wurden wie Victor Jara aus Chile und Lounes Matoub aus Algerien. Künstler, die im Gefängnis waren wie Pussy Riot und Viet Khang in Vietnam, oder die immer noch eingesperrt sind wie Liu Xiaobo in China, bis zu Stars, die es nicht wirklich körperlich zu spüren bekamen, aber deren Songs einfach nicht mehr gespielt wurden wie Kate Bush oder in Israel Ihzar Ashdot."
Welche Stücke hat Moddi ausgewählt? Wir erzählen die zwölf Geschichten hinter den Liedern, die den Lauf der Welt beeinflussten.
1. "June Fourth 1989: From the Shattered Pieces of a Stone it Begins China" (1994)
Dieser Track basiert auf einem Gedicht, dass der chinesische Friedensnobelpreisträger Liu Xiaobo geschrieben hat. Er ist eine umstrittene Persönlichkeit, schrieb über das Massaker am Tianamen Platz und geriet damit in das Visier der chinesischen Regierung - er bejahte aber gleichzeitig die Invasionen in Afghanistan und im Irak. "Ich unterstütze Liu Xiaobo nicht, ich stimme nicht mit ihm überein, aber ich denke trotzdem, dass seine Gedanken es verdienen, gehört zu werden", sagt Moddi.
2. A Matter of Habit, Israel (2012)
Der israelische Sänger Izhar Ashdot wurde kurzfristig ausgeladen, seinen Song live beim Armee-Radio Galatz zu singen - er war schon dabei, seine Gitarre zu stimmen. Die Begründung: Sein Lied über die Soldaten würde diese "dämonisieren". Eines der Lieblingsstücke von Moddi auf dem Album.
3. Punk Prayer, Russland (2012)
Ihr "Punk Prayer" machte das russische Aktivistinnen-Kollektiv Pussy Riot auf einen Schlag weltweit bekannt: Mit knallbunten Sturmmasken verhüllt tanzten sie auf dem Altar der Christ-Erlöser-Kathedrale. Zwei- und dreijährige Haftstrafen waren die Folge.
4. Open Letter, Algeria (1995)
Lounes Matoub war ein Mitglied der Minderheit der Berber, die in Algerien, Marokko, Libyen und Tunesien stark unterdrückt wird. Er war ein algerischer Sänger, der sich mit satirischen und sarkastischen Texten hervortat um die Situation zu kritisieren - geliebt und gehasst gleichermaßen und schließlich ermordet.
5. Army Dreamers, England (1980)
1980 veröffentliche Kate Bush den Song "Army Dreamers". Er wurde einer ihrer erfolgreichsten Stücke und enorm viel gespielt - bis zum Golfkrieg. Da verschwand er stillschweigend von den Playlisten der BBC.
6. The Our Worker, Chile (1971)
Víctor Jara wurde brutal während des Pinochet-Putsches ermordet. Die Lieder des Sängers werden bis heute in Chile gesungen - dieses ist sein bekanntestes.
7. Parrot, Goat and Rooster, Mexico (1995)
"Corrido" ist in Mexiko so etwas wie Hip-Hop in den USA. Die mexikanische Band Los Tucanes de Tijuana ist eine der bekanntesten Vertreterinnen dieser Stilrichtung, der Song "Parrot, Goat and Rooster" machte sie berühmt. Auf den ersten Blick ist es ein harmloses Lied über einen Mann und seine Tiere - doch im mexikanischen Slang steht "Parrot" für Kokain, "Rooster" für Marihuana und "Goat" für Heroin. Corrido-Musik ist in vielen mexikanischen Städten verboten.
8. The Shaman and the Thief, Sápmi / Norwegen (~1830)
Sápmi ist Lappland und Norwegen hat sich in der Geschichte sehr bemüht, die "Sami" zu assimilieren. Heute gibt es nur noch weniger als 50.000 von ihnen, ihre alten Melodien sind nahezu vergessen. Doch der Text dieses Liedes war in Deutschland niedergeschrieben und aufbewahrt worden - doch für fast 100 Jahre wurde er unter Verschluss gehalten, er galt als kontrovers, weil er eine zu primitive Kultur repräsentiere.
9. Eli Geva, Norwegen/ Israel (1982)
Dies ist das Lied, das Moddi zu seinem Album anregte: Ein Lied des israelischen Deserteurs Eli Geva, das die norwegische Sängerin Birgitte Grimstad in Israel singen wollte. Bei ihrer Einreise wurde ihr mitgeteilt, dass sie das Lied nicht aufführen dürfe. Moddi spielt das Lied mittlerweile auf vielen seiner Konzerte. "Ein starker und sehr bewegender Text", wie er sagt.
10. Strange Fruit, USA (1939)
Strange Fruit ist Billie Holidays berühmtestes Stück und sie singt darüber, wie Afroamerikaner in den USA immer wieder gelyncht wurden. Moddi hat es mit auf sein Album genommen, weil wir die USA zwar als freies und offenes Land sehen, doch sich hier vieles starken marktwirtschaftlichen Zwängen unterwerfen muss - würde man Strange Fruit heute dort veröffentlichen, würde es kaum wahrgenommen werden.
11. Where is my Vietnam?, Vietnam (2011)
Dieses Lied ist eine Aufforderung an das vietnamesische Volk, seine Regierung in die Pflicht zu nehmen. Der Sänger Viet Khang wurde dafür zu fünf Jahren Gefängnis wegen "Propaganda gegen die sozialistische Republik Vietnam" verurteilt. Bis heute trauen sich die Musiker in Vietnam nicht, dieses Lied zu spielen.
12. Oh My Father, I am Joseph, Libanon (1999)
Mahmoud Darwish ist so etwas wie der palästinensische "Nationalpoet" und sehr bekannt in der arabischen Welt. Der libanesische Sänger Marcel Khalife hat einen seiner Verse benutzt, in denen er den Koran zitiert. Dafür wurde Khalife wegen Blasphemie angeklagt und in Libanon vor ein Gericht gestellt. In Tunesien wurde seine Musik verboten.