Mobilitätsforscher Weert Canzler

"Wir müssen den Verkehrsraum neu verteilen"

08:26 Minuten
Berliner Stadtverkehr auf der Kreuzung von Warschauer Straße und Stralauer Allee.
Berliner Stadtverkehr auf der Kreuzung von Warschauer Straße und Stralauer Allee. © picture alliance/imageBROKER/Karl-Heinz Spremberg
Weert Canzler im Gespräch mit Nicole Dittmer · 26.08.2019
Audio herunterladen
Verkehrsunfälle verursachen hohe Kosten - die jedoch weitestgehend von Krankenkassen und Berufsgenossenschaften getragen werden. Zudem komme die städtische Infrastruktur durch zu viele Autos einfach an Grenzen, sagt der Mobilitätsforscher Weert Canzler.
Die Folgekosten des von Pkw und Lkw beherrschten Verkehrs belaufen sich jährlich auf 150 Milliarden Euro. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Studie, die die Allianz pro Schiene in Auftrag gegeben hat.
Für diese Kosten muss die Allgemeinheit aufkommen. Am meisten schlagen Kosten zu Buche, die durch Verkehrsunfälle entstehen. Diese würden auf Krankenkassen und Berufsgenossenschaften abgewälzt.
Die Bahn-Lobby-Organisation Allianz pro Schiene appelliert daher an die Politik, endlich die so genannten Verkehrswende einzuleiten.

"Wir haben schlichtweg zu viele Autos"

Die hohe Belastung der Krankenkassen und Berufsgenossenschaften durch Unfallfolgekosten sei bekannt, sagt dazu der Mobilitätsforscher Weert Canzler in unserem Programm.
Zugleich betont Canzler die Notwendigkeit einer "Verkehrswende" - und zwar nicht nur wegen der "externen Kosten" von Unfällen. Vielmehr sei der Verkehr mittlerweile einfach an seine Grenzen gestoßen.
"Wir haben schlichtweg zu viele Autos, wir haben eine Überbeanspruchung der Infrastruktur, wir haben natürlich ein gewaltiges Klimaproblem, weil der Verkehr als einziger Sektor seit 25 Jahren keinen Fortschritt macht, was die Schadstoff-Emissionen angeht", sagt Canzler.

Carsharing auch am Stadtrand

Dabei könnten Verkehrsteilnehmer vor allem in Städten viele Wege "wunderbar zu Fuß oder mit dem Fahrrad machen", meint der Mobilitätsforscher. Voraussetzung sei jedoch, dass sie dies "gerne und gefahrlos" tun könnten.
Die Bedingungen dafür müssen verkehrs- und kommunalpolitisch geschaffen werden, betont der Mobilitätsforscher. "Wir müssen den Straßenraum, den Verkehrsraum, neu verteilen. Das ist der entscheidende Punkt."
Dazu sei die Unterstützung von Stadt, Land und Bundesregierung nötig. Auch könne man Carsharing-Anbieter verpflichten, ihre Angebote nicht nur in den Städten, sondern auch an Stadtrand bereitzuhalten. Carsharing mache zudem mehr Sinn, wenn es mit der Nutzung des öffentlichen Nahverkehrs verknüpft werde, "wenn ich zum Beispiel als ÖPNV-Zeitkarteninhaber einen guten Tarif für die Fälle bekomme, wo ich mal ein Auto brauche", so Canzler.
(huc)
Mehr zum Thema