Mobilität

Fremdgelenkter Fahrspaß

Von Michael Engel · 12.03.2014
Ganz von allein einparken - das können manche Autos schon. Auf der Cebit ist zu entdecken, wie autonomes Fahren dank digitaler Hilfen in der Zukunft aussehen könnte.
Wenn Rigo Herold an "dicke Brummer" denkt, ist Schluss mit der Trucker-Idylle. Der Professor für Elektrotechnik an der Westsächsischen Hochschule in Zwickau setzt eine Datenbrille auf und überwacht so die Fernsteuerung seines fahrerlosen Fahrzeugs. Eine Kamera an Bord zeigt ihm gerade, wohin sein Auto rollt. Noch aber ist das Ganze ein Mini-Modell. Es fährt in einer Messehalle der CeBIT zwischen den Beinen der Besucher umher
"Wenn wir uns das Fahrzeug jetzt mal genau anschauen, ist es so, man hat an der Seite Ultraschallsensoren. Vorn sieht man Ultraschallsensoren, hinten hat es Ultraschallsensoren. Und oben – markant – sieht man eben die Kamera. Und die Kamera macht in unserer Anwendung zwei Sachen. Einmal beobachtet sie die Straße, und weiterhin überträgt die Kamera das Signal zur Datenbrille. Und dann ist die Kamera mit der Hauptsteuerplatine verbunden. Die steuert das Fahrzeug. Die steuert die Lenkung – wie muss das Fahrzeug jetzt steuern."
Alle großen Automobilhersteller in Deutschland sind dran am Thema. Bald auch beim Brummi. Anstatt tausende von Kilometern im Truck zu schrubben, genügt nur ein kurzer Blick durch die Datenbrille, um zu sehen, wohin die Räder rollen. Ein paar Jahre werden dafür aber sicher noch ins Land gehen, sagt Rigo Herold.
"Überall, wo man sich fahrerloses Fahren vorstellt – Transportdienste, Paketautos und so – wird es dann später, hoffe ich mal, möglich sein. Stellt sich dann noch die Frage, was ist denn, wenn man so ein autonomes Fahrzeug fahren lässt und es passiert etwas, wer ist denn daran schuld. Der Programmierer? Der Besitzer des Autos? Der Prozessor selbst? Das sind so Sachen, die eigentlich neben der Technik eigentlich noch geklärt werden müssen, dass es zulässig ist – das autonome Fahren."
Visionen vom fahrerlosen Fahrzeug auch anderswo auf der CeBIT. Beispiel IBM, ein global Player, der bislang mehr mit IT im Büro als mit IT im Auto in Verbindung gebracht wird. Alexander Ruhland beschäftigt sich in Hamburg mit vernetzten Fahrzeugen.
"Das autonome Fahren basiert auf zwei Grundpfeilern. Das ist einmal die Fahrzeugelektronik. Es gibt hunderte von Prozessoren im Fahrzeug, die Sensorik ist fortgeschritten und erkennt, was um das Fahrzeug herum passiert. Und die Cloud als zweite Komponente, bzw. das Backend, was diese Informationen anreichert, weil eben die Fahrzeugsensorik oder die Sichtweite der Sensoren beschränkt ist und eben über die 100 oder 200 Meter hinaus wirkt dann die Information von vielen Fahrzeugen als Anreicherung, um die Sicherheit gesamtheitlich zu erhöhen."
Bedürfnis nach Autos ohne digitale Schnörkel
Wie so eine "Schwarmintelligenz" von vielen Fahrzeugen aussehen könnte, das macht Alexander Ruhland am Beispiel einer Nebelwand deutlich. Fahrzeuge, die sich schon im dichten Nebel befinden, bremsen stark ab. Vielleicht gibt es sogar Auffahrunfälle mit Airbags, die ausgelöst wurden. Solche Informationen gelangen dann drahtlos in eine Daten-Cloud, die den nachfolgenden Fahrzeugen als Warnsignal übertragen werden. Spätestens dann – so IBM-Manager Dirk Wollschläger - sollte der menschliche Fahrer zum Lenkrad greifen:
"Also ich glaub‘, einige Bilder, die wir jetzt sehen, mit drehbaren Sitzen, ein Tisch, Leute spielen Karten, trinken Kaffee, haben ihren Blick gar nicht mehr der Straße zugewendet, ich glaube, das ist so ein bisschen ein Science-fiction-Part, der da hochkommt. Und ich glaube die Industrie tut gut daran, wirklich auf seriöse Beispiele zu gehen, weil dann entwickeln wir uns auch auf einem Pfad, den man beherrschen kann. Weil, wenn niemand mehr auf die Straße schaut. Sie haben bei der Bahn schließlich auch einen Fahrer, der den Zug steuert."
Autonomes Fahren wäre vielleicht auf einer unproblematischen Strecke für längere Zeit möglich, sagt der Manager. Doch spätestens, wenn’s brenzlig wird, muss der Mensch ans Lenkrad, allein schon aus juristischen Gründen.
"Und in dieser alltäglichen Situation wird es darauf ankommen ähnlich wie ein Pilot mit dem Autopilot arbeitet. Dann Signale zu geben, zu sagen, das System kann gewisse Informationen nicht mehr verarbeiten: Bitte übernehmen. Dann muss der Fahrer wieder übernehmen. Und das wird auch durch entsprechende Lichtsignale im Fahrzeug unterstützt. Zum Beispiel im Armaturenbrett statt einer grünen Leiste, die zeigt, das System ist on, und komfortabel dann vielleicht mit einer roten Leiste: Achtung übernehmen!"
Noch werben die Autohersteller vor allem mit dem Faktor "Fahrspaß". In den Werbeclips sitzen dann erfolgreiche Männer im offenen Cabrio, brausen über Serpentinen in mediteraner Kulisse. Nur: Wo – bitteschön – bleibt der Fahrspaß in Zukunft, wenn das Auto selber weiß, wo’s lang geht?
"Schauen wir mal ein paar Jahre zurück. Wie war das denn mit den Pferden gewesen? Damals, vor vielen Jahren hatte jeder ein Pferd genutzt, um mobil sein zu können. So, und was ist jetzt mit Pferden? Jetzt haben die Leute ein Pferd, nicht weil sie darauf angewiesen sind, damit sie damit zur Arbeit reiten können, sondern weil es ein Hobby ist. Und ich vermute mal, das wird in den nächsten Jahren so werden, dass wieder viele sagen, gerade die Geschäftsleute, es ist ja praktisch. Sie setzen sich in ein Auto rein, machen ein Laptop auf, werden von A nach B gefahren. Und dann wird es eben auch die Sportler geben, die sagen, ich hab jetzt noch einen schönen Ferrari oder einen Porsche, wo ich eben selbst fahre, was ich als Hobby betreiben kann."
Suche Auto ohne Elektronik! Schon heute gibt es Anzeigen dieser Art. Und sie werden mehr. Experten sagen voraus, dass Retro auch im Autosektor kommt: Mit neuen Modellen, die auf digitalen Schnickedöns verzichten. Für eine Klientel, die hinter dem Lenkrad noch schalten und walten möchte.