Mobilität aus der Steckdose

Von Thomas Wagner |
Viel spricht derzeit noch gegen Elektroautos: zu hoher Anschaffungspreis, zu geringe Reichweite, der Strom zum Auftanken kommt aus fossilen Energieträgern. Doch dass das Fahren von Elektromobilen in erster Linie Umweltschutz mit Spaß verbindet, konnte man unlängst auf der Messe "Electric Avenue" in Friedrichshafen erproben.
Von 0 auf 100 Stundenkilometer braucht das Fahrzeug gerade mal vier Sekunden. Unterwegs mit einem sogenannten "E-Tracer", einem Zukunftsfahrzeug entwickelt in der Schweiz: Das Ding sieht aus wie ein Flugzeugrumpf ohne Flügel. Jeweils vorne und hinten verfügt es über ein Rad, und ähnelt damit einem Motorroller. Die beiden Mitfahrer sitzen aber in einer geschlossenen Kabine. Stützräder für das Anfahren klappen nach oben weg, wenn der "E-Tracer" in Fahrt kommt – angetrieben von einem 115 Kilowatt starken Elektromotor. Gerhard Hellwig ist Testfahrer des Herstellers Peraves AG in Winterthur:

"Ich kann hier Fahrspaß haben, ohne dass ich ein schlechtes Gewissen haben muss. Wenn ich mit diesem Fahrzeug unterwegs bin, kosten mich 300 Kilometer ungefähr 1,15 Euro. Und die fossilen Emissionen sind je nach Strommix deutlich geringer als bei einem Fahrzeug mit Verbrennungsmotor."

Doch es geht auch weniger futuristisch: Der Opel "Ampera" gilt als einer der ersten serienreifen Mittelklasse-PKW mit Elektroantrieb. Wenn Testfahrer Thomas Ehrlich beschleunigt, hören die Mitfahrenden kaum etwas davon.

"Man gewöhnt sich schnell an dieses lautlose Fahren. Vor allem ist es schön, dass man jederzeit das volle Drehmoment zur Verfügung hat, was man jetzt auch gerade mal demonstrieren kann, was so im Anzug ist und man ganz schnell auch 90 fährt oder auch noch schneller in kurzer Zeit."

Und das rein elektrobetrieben. Dabei verfügt der Ampera für den Fall der Fälle auch über einen Verbrennungsmotor, der, sollten die Batterien schwach werden, einen Elektrogenerator, eine Art "Riesendynamo", antreibt. Der ist aber nur für Langstrecken gedacht.

"Wenn Sie so ein typischer Pendler sind, der so am Tag so 60 Kilometer fährt, ich hab das an meinem Fall durchgerechnet als typischer Rhein-Main-Pendler mit 50 Kilometern, dann bin ich übers Jahr gerechnet schon mal 90 Prozent aller Strecken auf Batteriebasis unterwegs,, habe aber gleichzeitig auch die Möglichkeit, in Urlaub zu fahren und Wochenendausflüge zu machen, habe also nicht die Limitierungen, die wir von reinen Batteriefahrzeugen her kennen."

Auf der Autobahn mit dem Verbrennungsmotor Gas geben, ansonsten aber ganz leise elektrobetrieben von der Wohnung zum Arbeitsplatz grooven - das ist ein Beispiel dafür, wie sich mit einem einzigen Fahrzeug die unterschiedlichen Mobilitätsbedürfnisse befriedigen lassen.

Ist die Batterie leer, geht's zur nächsten Steckdose – am besten zu einer sogenannten "intelligenten Steckdose" für E-Mobilität, wie sie das Berliner Unternehmen Yunicos entwickelt hat. Oliver Wallner beschäftigt sich dort mit der Verzahnung von Elektro-Fahrzeugen und Stromnetzen:

"Intelligent heißt, dass wir dem Kunden, der sein Fahrzeug an der Station lädt, eine Information auf sein Handy übermitteln können, wann sein Fahrzeug zum Beispiel aufgeladen ist. Er kommt an die Station, meldet sich an der Station mit einem Zugangssystem sein. Das kann rfdi oder eine sms sein. Und nach zwei, drei Stunden bekommt er auf sein Handy eine SMS, dass die Ladung abgeschlossen ist."

Über eine Fülle von "intelligenten Steckdosen", die mit Elektrofahrzeugen verbunden sind, können die Energieerzeuger ein virtuelles Kraft- und Speicherwerk aufbauen. In jenen Phasen, in denen Wind- oder Solarkraftwerke überschüssige Stromspitzen erzeugen, bilden dabei die "intelligenten Steckdosen" mit den Elektroautos einen riesigen Elektrizitätsspeicher. Mit diesem System, erklärt Oliver Wallner, ließen sich die überschüssigen Stromspitzen speichern und später, wenn Strombedarf besteht, wieder ins Netz einspeisen:

"Dadurch, dass wir dann den Speicher dann zuschalten, wenn diese Netzspitzen auftreten, können wir das Netz entlasten. Und am Morgen, wenn der Speicher voll ist, wenn gerade eine Flaute ist und die Sonne noch nicht so scheint, sagen wir mal zehn Prozent des Speichers aller Autos nehmen, um das Netz dann wieder auszugleichen, sodass dann das Netz nicht unnötig belastet wird."

Nach diesem Szenario müssten die Halter von E-Mobilen, die ihre Fahrzeuge für ein virtuelles Kraftwerk zur Verfügung stellen, eine Vergütung erhalten – so die Vorstellung zahlreicher Hersteller. Das würde den derzeit hohen Kaufpreis senken und elektrobetriebene Fahrzeuge für breitere Nutzerschichten attraktiver machen. Ohnehin muss elektrisch nicht automatisch teuer sein.

Carsten Kley arbeitet bei elemo Elektrofahrzeuge im baden-württembergischen Ettlingen – ein Unternehmen, dass elektrobetriebene Kabinenroller herstellt, die, auf zwei Sitzen hinter einander angeordnet, zwei Mitfahrern Platz bieten – nicht unbedingt ein luxuriöser, wohl aber ein günstiges – und umweltfreundliches- Fahrvergnügen:

"Auf 100 Kilometern muss man mit Stromkosten von etwa zwei Euro rechnen. Aber wir haben für das Fahrzeug auch schon eine Vollkostenrechnung angestellt: Angenommen, wir haben eine Nutzungsdauer von sieben Jahren bei einer Fahrleistung von 10.000 Kilometer, das heißt 200 Arbeitstage zu jeweils 50 Kilometern, kommen wir auf einen Kilometer-Vollkostensatz von 38 Cent pro Kilometer."

Bei einem Mittelklassewagen wird dagegen ein Vollkosten-Kilometersatz von 60 Cent fällig, gerade mal das Doppelte. Für Freaks wie Carsten Kley sind E-Mobile daher kaum mehr aufzuhalten – egal ob sie auf zwei, drei oder vier Rädern unterwegs sind.

Wie schnell der Anteil elektrobetriebener Fahrzeuge steigt, hängt aber auch von den Rahmenbedingungen an: Zuschüsse von Energieerzeugern für den Kauf von E-Autos, Ausweisung von innerstädtischen Verkehrszonen ausschließlich für Elektrofahrzeuge, stärkere steuerliche Anreize – der Fantasie sind dabei keine Grenzen gesetzt, um der E-Mobilität auf den Straßen zum Durchbruch zu verhelfen.
Mehr zum Thema