Mobil machen im Internet

Christoph Schultheis im Gespräch mit Britta Bürger · 23.09.2010
Der Blog Politically Incorrect (PI) sei "das Leitmedium der islamkritischen Szene in Deutschland", sagt der Journalist Christoph Schultheis. Das offensive Bekenntnis von PI-Gründer Stefan Herre zum Grundgesetz und zur freiheitlich-christlich-jüdischen Grundordnung sei nur ein Deckmantel, um rassistische Ressentiments vorzutragen oder Überfremdungsängste zu artikulieren.
Britta Bürger: Der Journalist Christoph Schultheis arbeitet gerade an einem Buch über den Alltag der Rechten in Deutschland und hat sich in diesem Rahmen ausführlich mit dem PI-Blog befasst. Kurz vor der Sendung war er bei uns im Studio, und ich habe ihn gefragt, wer der PI-Gründer Stefan Herre ist.

Christoph Schultheis: Erst mal ein freundlicher Mensch – das Komische ist, dass wenn man mit ihm redet, sozusagen das, was er sagt, alles andere als freundlich ist. Also er trägt das alles in einem ruhigen, sachlichen Ton vor, ist aber, glaube ich, inzwischen durchdrungen von dieser Angst vor dem Islam und von seiner Mission, möglichst viele davon zu überzeugen, dass Deutschland irgendwann untergehen wird, weil es islamisch wird.

Bürger: Was war seine Motivation, dieses Blog zu gründen?

Schultheis: Ursprünglich ist es so, dass er seit, ich glaube seit 83 oder so was leidenschaftlicher Leserbriefschreiber ist, also er hat auch auf seiner persönlichen Webside stefan-herre.de, hat er die alle auch schön eingescannt und faksimiliert, wo er sozusagen an quasi alle großen Medien Hunderte von Leserbriefen geschrieben hat. Und aus diesem Bedürfnis des Sich-mitteilen-Wollens ist dann quasi mit dem Internet die Möglichkeit entstanden, das auch auf andere Art und Weise zu tun.

Bürger: Und was sind das für Leute, die er um sich scharrt?

Schultheis: Also es waren erstaunlich junge Leute, also es waren auch diejenigen dabei, die man sozusagen diesem rechtspopulistischen Milieu sozusagen auch erst mal normal zuordnen würde, also ältere, gesetztere, bürgerliche Leute, aber es waren eben auch erstaunlich viele junge, engagierte Leute dabei, das hat mich überrascht.

Bürger: Muss man Stefan Herre als rechtsextrem einstufen oder was unternimmt er, um nicht in die NPD-Ecke gerückt zu werden?

Schultheis: Also er selber würde sich extrem dagegen wehren, tut das auch andauernd, man hat allerdings, wenn man sich PI anguckt und insbesondere die Kommentare zu den Einträgen anschaut, hat man das Gefühl, dass quasi dieses offensive Bekenntnis zum Grundgesetz und zur – wie Stefan Herre sagt – freiheitlich-christlich-jüdischen Grundordnung, dass das quasi nur ein Deckmantel ist, um dann eben doch seine rassistischen Ressentiments vorzutragen oder seine Überfremdungsängste zu artikulieren.

Bürger: Erzählen Sie uns etwas über die Methoden dieser Blogger.

Schultheis: Im Grunde ist das eine relativ einfache Sache, so funktioniert PI schon von Anfang an, dass die Einträge selber, die auf PI veröffentlicht werden, relativ schlicht und meinungsneutral sind. Das heißt, Sie haben ein Thema, das ist die Angst vor Überfremdung, wenn man so will, das Prinzip von PI ist aber so, dass dann eben die Kommentare geöffnet werden, also das heißt, jeder Leser kann unter den einzelnen Eintrag seine Meinungen äußern, und da sind die PI-Macher dann doch relativ tolerant oder gleichgültig, was da steht. Das heißt, in den Kommentaren wird quasi die Stimmung, werden die rassistischen Anfeindungen, die werden da sozusagen von den Lesern deutlich.

Bürger: Aber es werden ja auch wohl ganz gezielt einzelne Personen ganz konkret eingeschüchtert und unter Druck gesetzt, wir selbst haben so was vor Kurzem in unserer Redaktionsarbeit auch erlebt. Wir wollten im Rahmen der Berichterstattung über das Buch von Thilo Sarrazin eine muslimische Wissenschaftlerin einladen, eine Kritikerin von Thilo Sarrazin, die jedoch nach vielen Fernsehauftritten mit Drohungen und Verunglimpfungen überschwemmt worden ist und auf Anraten der Polizei nun sich nicht mehr öffentlich äußern will. Und sie sagt, die Schmähungen kamen ganz gezielt aus dem Umfeld von PI – das hat anscheinend System.

Schultheis: Das hat definitiv System. Wobei auch da muss man sagen, dass die PI-Macher in ihren quasi sachlichen Blog-Einträgen irgendwie darauf hinweisen, dass in irgendeiner Zeitung, in irgendeinem anderem Medium mit einer Buchveröffentlichung irgendjemand sich sozusagen ein Islamkritiker kritisch geäußert hat. Es wird dann sozusagen ganz lakonisch mit dem Hinweis auf Telefonnummer, E-Mail-Adresse, Adresse, Arbeitgeber, sonst irgendwas versehen, und dann wissen inzwischen offenbar die PI-Leser, was zu tun ist.

Bürger: Politically Incorrect, so heißt ein Internetblog, auf dem sich Islamfeinde zusammenschließen, und wer dahintersteckt und wie gefährlich das Ganze ist, darüber sprechen wir hier im Deutschlandradio Kultur mit dem Journalisten Christoph Schultheis. Was die Blogger eint, sagen Sie, ist die Ablehnung des Islam und der Muslime, aber wo fängt das an und wo hört das auf?

Schultheis: PI ist ja in Köln gegründet worden, in Köln gibt es ja auch eine große türkische, eine große islamische Community, und ich glaube, dass viele Leute einfach damit nicht zurechtkommen, dass sie sozusagen auf der Straße immer wieder auch anderen Kulturen begegnen. Und ich glaube, das ist der eigentliche Ursprung. Wie das dazu kommt, dass man dann in so eine ich würde sagen Hysterie umschlägt, kann ich mir nicht erklären, das geht mir aber bei – ich weiß nicht – Sarrazin oder Eva Herman oder Udo Ulfkotte, dem Journalisten, genauso, die irgendwann aufgesogen werden, habe ich das Gefühl, von dieser Angst vor dem Islam.

Bürger: PI nennt sich proisraelisch und proamerikanisch, was für Leute versucht man denn auf diese Weise noch zu vereinnahmen?

Schultheis: Man muss schon sagen, dass PI inzwischen eben auch sehr eng mit verschiedenen islamfeindlichen oder islamkritischen Organisationen zusammenarbeitet oder die extrem featurt. Das sind einerseits natürlich Pax Europa als eine Organisation, PI hat aber auch sehr lange Zeit auch die Pro-Bewegungen, also pro Köln, pro NRW mit langen Interviews, die eigentlich nur quasi als Stichwortgeber für deren politische Parolen funktioniert hat. Und pro Köln ist nun eine Vereinigung, die vom Verfassungsschutz auch zumindest des Rechtsextremismus verdächtigt wird, wo lauter Leute an der Spitze sitzen, die aus dem rechtsextremen Milieu kommen, also Deutsche Liga für Volk und Heimat zum Beispiel oder auch Republikanerumfeld, Andreas Molau ist dabei, der früher bei der NPD tätig war, und da war sozusagen auch PI begleitendes Organ. Und eben auch Stefan Herre selber war bei Veranstaltungen von pro Köln in der ersten Reihe, war beim Neujahrsempfang et cetera, also war da sozusagen mit denen auch sehr eng zusammen. Ob das jetzt inzwischen noch so ist, wo hier in Berlin René Stadtkewitz jetzt die Freiheitspartei gegründet hat vor ein paar Tagen, ist unklar, weil Herre selber also ein Riesenfan von Geert Wilders ist, dem niederländischen Rechtspopulisten, und René Stadtkewitz eben jemand ist, der versucht, genau diese Linie von Wilders auch in Deutschland zu etablieren. Und ich glaube, das ist die Linie, die Herre und im Augenblick eben auch als politische Linie PI am nächsten ist.

Bürger: Und Stadtkewitz wird ja wohl auch von Stefan Herre unterstützt. Also wenn man spekulieren würde, dass sich da tatsächlich so eine größere Bewegung zusammenbraut, wie realistisch schätzen Sie das ein, dass sich eine Bewegung, die ja jetzt im Internet vor allen Dingen in der Anonymität groß geworden ist, überhaupt eine Art öffentliches, ja, ein Coming-out wagen würde?

Schultheis: Also ich glaube nicht, dass im Augenblick, und auch mit dieser Stadtkewitz-Partei, dass das tatsächlich politisch greifen kann, das halte ich für relativ unwahrscheinlich. Es gab vorher schon ähnliche Versuche, die auch gescheitert sind. Was ich aber glaube, ist, dass dieser sagen wir kleine Kreis – Sie haben es gesagt, PI hat 30- bis 50.000 Besucher pro Tag –, was diese PI-Leser machen, ist, sich halt sozusagen in den öffentlichen Diskurs einmischen. Und was dazukommt sind eben diese PI-Gruppen, die sich jetzt überall gegründet haben, die tatsächlich auch in Veranstaltungen gehen, die quasi versuchen, den Islam zu erklären, und da konzertiert stören mit – wie sie es nennen – kritischen Fragen, auch da Strategien haben zu sagen, wenn wir da hingehen, gehen wir zu mehreren hin, gehen aber nicht an einen Ort in dem Raum.

Bürger: Aber Sie haben jetzt gesagt, es gibt auch verschiedene andere islamfeindliche Foren, das ist klar, aber halten Sie PI für besonders gefährlich?

Schultheis: PI ist, glaube ich, das Leitmedium der islamkritischen Szene in Deutschland, da besteht gar kein Zweifel.

Bürger: Mobil machen im Internet – wie sich Islamfeinde im Webblog Politically Incorrect zusammenschließen. Der Journalist Christoph Schultheis hat sich für sein Buchprojekt über den Alltag der Rechten in Deutschland intensiv damit beschäftigt.
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